Vom 26.8. bis zum 4.9. veranstaltet die UNO den "Weltgipfel
über nachhaltige Entwicklung" in Johannesburg. Regierungschefs
und Präsidenten von über 100 Staaten haben sich angesagt.
Erwartet werden insgesamt etwa 60.000 Teilnehmer. Der gesamte
Gipfel wird nach Berechnungen des Klimabündnisses Johannesburg
Climate Legacy, vor allem wegen An- und Abflügen, zwischen
290.000 und 350.000 Tonnen CO2 produzieren, soviel wie eine deutsche
Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern im ganzen Jahr. Um das schlechte
Gewissen der Teilnehmer zu beruhigen, kann man dort CO2-Emissionsrechte
kaufen. Der Ertrag daraus soll in Umweltprojekte in der Nähe
von Johannesburg fliessen.
Kommentar Karl Born:
Der Dominikanermönch Johannes Tetzel (geb. 1465 in Pirna,
gestorben 1519 in Leipzig) war ein genialer Strolch. Mit Billigung
der katholischen Kirche verkaufte er die sog. Ablassbriefe. Mit
dem Erwerb dieser Briefe konnte man nicht nur die Sünden
Verstorbener nachträglich tilgen, sondern auch für eigene
künftige Sünden bereits im voraus Absolution erhalten.
Diese Art Ablasshandel feiert jetzt in Johannesburg fröhliche
Wiederkehr. Abgesehen davon, dass man über den Sinn dieser
Mega-Veranstaltung ohnehin streiten kann, schliesslich hat unser
uneingeschränkter Solidaritätspartner USA schon vorher
erklärt, dass er keine weitreichenden Einschränkungen
akzeptieren wird und das Abschlussprotokoll einer solchen Veranstaltung
ist erfahrungsgemäss schon vor Beginn zu 75% ausgehandelt,
wird am Ende die Umweltbelastung durch die hohe Teilnehmerzahl
garantiert grösser sein, als der Erfolg dieser Veranstaltung.
Aber deswegen muss niemand ein schlechtes Gewissen haben.
Die deutsche Delegation umfasst 180 (in Worten: einhundertundachtzig)
Teilnehmer. Die Grösse dieses Betriebsausfluges lässt
vermuten, dass einige der Ausflügler befürchteten, dies
könne angesichts des nahen Wahltermins eventuell die letzte
Reisemöglichkeit auf Staatskosten sein. Findige Experten
haben errechnet, dass jeder der deutschen Teilnehmer, vor allem
durch An- und Abreise, sieben Tonnen Treibhausgas, speziell Kohlendioxid,
verursacht. Zum Ausgleich der nur von der deutschen Delegation
insgesamt durch Flug und Aufenthalt verursachten 1.200 t CO2-
Emissionen wurden CO2-Emissionsrechte im Wert von ca. 10.000 Dollar
erworben. Dieses Geld wird verwendet, um bei Neubauten in den
Townships bei Johannesburg die Häuser mit besserer Wärmedämmung
und Energiesparlampen auszustatten.
Bravo, da kann doch abends, nach der anstrengenden Konferenz,
ganz ohne schlechtes Gewissen, noch ein zusätzliches Hummerschwänzchen
verzehren, dafür wird noch ein weiteres Häuschen isoliert.
Dabei wäre es ganz einfach: Überweist die 10.000 Dollar
nach Südafrika und lasst 9/10 der Delegierten zu Hause, das
würde dem Klima gut tun und der Staatskasse auch.
Zum Schluss - nur just for info:
Legendärer Vorläufer dieses Tetzel-Festivals in Johannesburg
war die "Konferenz für Umwelt und Entwicklung"
in Rio. 1992 versammelten sich dort 178 Staaten. Sie erklärten
feierlich, in der sog. Agenda 21, gemeinsam Hunger, Armut und
Umweltzerstörung eindämmen zu wollen.
Tatsache ist leider:
-Jährlich sterben mehr Menschen an unsauberem Trinkwasser
als an Kriegen und Attentaten zusammen, nämlich 10 Mio. Menschen,
davon fast 4 Mio. Kinder.
-Jeden Tag sterben 100.000 Menschen an vermeidbaren Krankheiten,
weil sie vor Hunger geschwächt sind.
-Kohlendioxid heizt die Athmosphäre weiter auf. Nach Schätzung
des Expertengremiums IPPC werden bis zum Jahr 2050 die CO2 Emissionen
der Industriestaaten um 30% zunehmen.
P.S.: Alle Zahlen aus tazmag vom 24.8.2002 und aus
der laufenden Berichterstattung von taz und SZ.
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