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02.09.2002
Wenn Johannesburg zu Johannestetzel verkümmert


Vom 26.8. bis zum 4.9. veranstaltet die UNO den "Weltgipfel über nachhaltige Entwicklung" in Johannesburg. Regierungschefs und Präsidenten von über 100 Staaten haben sich angesagt. Erwartet werden insgesamt etwa 60.000 Teilnehmer. Der gesamte Gipfel wird nach Berechnungen des Klimabündnisses Johannesburg Climate Legacy, vor allem wegen An- und Abflügen, zwischen 290.000 und 350.000 Tonnen CO2 produzieren, soviel wie eine deutsche Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern im ganzen Jahr. Um das schlechte Gewissen der Teilnehmer zu beruhigen, kann man dort CO2-Emissionsrechte kaufen. Der Ertrag daraus soll in Umweltprojekte in der Nähe von Johannesburg fliessen.

Kommentar Karl Born:
Der Dominikanermönch Johannes Tetzel (geb. 1465 in Pirna, gestorben 1519 in Leipzig) war ein genialer Strolch. Mit Billigung der katholischen Kirche verkaufte er die sog. Ablassbriefe. Mit dem Erwerb dieser Briefe konnte man nicht nur die Sünden Verstorbener nachträglich tilgen, sondern auch für eigene künftige Sünden bereits im voraus Absolution erhalten.
Diese Art Ablasshandel feiert jetzt in Johannesburg fröhliche Wiederkehr. Abgesehen davon, dass man über den Sinn dieser Mega-Veranstaltung ohnehin streiten kann, schliesslich hat unser uneingeschränkter Solidaritätspartner USA schon vorher erklärt, dass er keine weitreichenden Einschränkungen akzeptieren wird und das Abschlussprotokoll einer solchen Veranstaltung ist erfahrungsgemäss schon vor Beginn zu 75% ausgehandelt, wird am Ende die Umweltbelastung durch die hohe Teilnehmerzahl garantiert grösser sein, als der Erfolg dieser Veranstaltung. Aber deswegen muss niemand ein schlechtes Gewissen haben.
Die deutsche Delegation umfasst 180 (in Worten: einhundertundachtzig) Teilnehmer. Die Grösse dieses Betriebsausfluges lässt vermuten, dass einige der Ausflügler befürchteten, dies könne angesichts des nahen Wahltermins eventuell die letzte Reisemöglichkeit auf Staatskosten sein. Findige Experten haben errechnet, dass jeder der deutschen Teilnehmer, vor allem durch An- und Abreise, sieben Tonnen Treibhausgas, speziell Kohlendioxid, verursacht. Zum Ausgleich der nur von der deutschen Delegation insgesamt durch Flug und Aufenthalt verursachten 1.200 t CO2- Emissionen wurden CO2-Emissionsrechte im Wert von ca. 10.000 Dollar erworben. Dieses Geld wird verwendet, um bei Neubauten in den Townships bei Johannesburg die Häuser mit besserer Wärmedämmung und Energiesparlampen auszustatten.
Bravo, da kann doch abends, nach der anstrengenden Konferenz, ganz ohne schlechtes Gewissen, noch ein zusätzliches Hummerschwänzchen verzehren, dafür wird noch ein weiteres Häuschen isoliert.
Dabei wäre es ganz einfach: Überweist die 10.000 Dollar nach Südafrika und lasst 9/10 der Delegierten zu Hause, das würde dem Klima gut tun und der Staatskasse auch.

Zum Schluss - nur just for info:
Legendärer Vorläufer dieses Tetzel-Festivals in Johannesburg war die "Konferenz für Umwelt und Entwicklung" in Rio. 1992 versammelten sich dort 178 Staaten. Sie erklärten feierlich, in der sog. Agenda 21, gemeinsam Hunger, Armut und Umweltzerstörung eindämmen zu wollen.
Tatsache ist leider:
-Jährlich sterben mehr Menschen an unsauberem Trinkwasser als an Kriegen und Attentaten zusammen, nämlich 10 Mio. Menschen, davon fast 4 Mio. Kinder.
-Jeden Tag sterben 100.000 Menschen an vermeidbaren Krankheiten, weil sie vor Hunger geschwächt sind.
-Kohlendioxid heizt die Athmosphäre weiter auf. Nach Schätzung des Expertengremiums IPPC werden bis zum Jahr 2050 die CO2 Emissionen der Industriestaaten um 30% zunehmen.

P.S.: Alle Zahlen aus tazmag vom 24.8.2002 und aus der laufenden Berichterstattung von taz und SZ.

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