BBB-Newsletter: jede Woche "Bissiges" per email (Info)

Zur Anmeldung

Borns "bissige" Bemerkungen ist die montägliche Kolumne rund um das aktuelle Geschehen in der Welt, speziell in der Tourismuswirtschaft. BBB erscheint seit März 2001 jeden Montag auf diesen Webseiten und als kostenloser email-Newsletter. Im Archiv finden Sie 300 weitere Kommentare zu den verschiedensten Themen und Anlässen.

[ Archiv ] - [ Suche ] - [ aktuelle BBB ] - [ Ihr Thema ] - [ XML ]

Bücher von oder mit Beiträgen von Karl Born: Abschied von der Spassgesellschaft | Der integrierte Touristikkonzern | Kundenorientierung im Touristikmanagement | Kundenmanagement als Erfolgsfaktor


08.04.2002 - Wenn zum Unglück noch Pech hinzukommt: Das Wetter


Das kennen wir schon von Uschi Glas. Erst widerfährt einem Unglück, der Ehemann läuft weg (wobei vielleicht nicht jede Frau das als Unglück empfinden würde), dann kommt noch Pech hinzu, der Job ist weg. Während die Tourismusindustrie noch mit ihrem Unglück hadert, dass die Kunden wegbleiben, kommt noch Pech hinzu, die wenigen auf Teneriffa und Mallorca werden vom Regen „weichgespült“.
Wie sagte der Theaterkritiker Alfred Kerr: Neunmal Pech mag neunmal Pech sein, aber zehnmal Pech ist eigene Schuld. Die meisten Probleme im Tourismus sind hausgemacht

Kommentar Karl Born:
Mein ohnehin schon immer freundlicher Harzer-Vorzeigehotelier lächelt in letzter Zeit noch mehr als sonst. Grinsend schildert er seinen morgendlichen Start. Erst lässt er sich von der Harzer Morgensonne (!) wecken, dann schaut er im TV den Wetterbericht von den Kanaren und Mallorca und danach dankt er, dass er sein Hotel im Harz hat und nicht im Süden.
Die langfristig angelegte Strategie der DZT-Chefin Schörcher trägt erste Früchte. Zuerst wurde der Deutsche Wetterdienst unterwandert, der daraufhin keine schlechten Wettervorhersagen mehr für Deutschland meldete. Selbst ein heraufziehender schwerer Sturm, den man schon fast mit bloßem Auge sehen konnte, blieb unerwähnt. Dafür wurden die Welp und Co. zwar von der ARD gefeuert (und das will was heißen, wenn man bedenkt, dass dort noch immer Waldi Hartmann den Sport moderieren darf), aber Ursula Schörcher hat erreicht, was sie wollte. Das Wetter kommt jetzt von Kachelmann und der berichtet über die Schlechtwetterfronten über den Kanaren und Mallorca in epischer Breite. Danach zeigt das ARD dann den Sonnenschein in deutschen Landen, natürlich ohne zu erwähnen, dass es trotz Regen, in Teneriffa wärmer ist als am Ostseestrand, wo man sich die letzten Tagen selbst in der Sonne den A.... abfrieren konnte.
Was macht der Mallorca-Urlauber in seiner verregneten Langeweile? Er nimmt das Handy, ruft zuhause an und erzählt, wie sehr es regnet. Die lieben Balkon-Urlauber daheim haben, bösartiger Weise, nichts wichtigeres zu tun, als scheinheilig die „gut gewaschenen“ Urlauber zu bedauern, um dann ausführlich den Spaziergang im Sonnenschein zu beschreiben und dass man im Straßencafe den Cappuccino schon im Freien trinken konnte. Spätestens jetzt wird der so frustrierte Urlauber sich auf den nächsten spanischen Kellner stürzen und diesen wegen einer Lappalie zur Schnecke zu machen. Zumal jetzt zu viele Urlauber, in viel zu kleinen Hotelhallen, zu wenigen Servicekräften gegenübersitzen, um (für die Urlaubskasse) zu viele und zu teure Alkoholika zu trinken. Wobei letzteres zusätzliche Aggressivität freisetzt, die auf zunehmend genervte Kellner treffend, auch die letzten Ansätze von Servicebereitschaft erstickt.
Wenn nach der Heimkehr, der Witzbold von Nachbar ironisch fragt, ob die leichte Färbung im Gesicht Bräune sei oder Rost vom Regen, dann schwindet auch beim gutmütigsten Urlauber der Rest von Erholung. Erfahrene Touristiker wissen, dass nach solchen Regenperioden, die Beschwerdequote fast senkrecht nach oben schießt. Wenn dann die Abarbeitung dieser Beschwerden, ganz gleich wie berechtigt sie im Einzelfall sein mögen, sich wegen Personaleinsparung beim Veranstalter bis zu sechs Wochen hinzieht, wird wieder ein potenzieller Gast für meinen Harz-Hotelier geboren.
Wer allerdings denkt, dies sei zur Zeit das Hauptproblem des Flugtourismus, hat entweder keine Augen im Kopf oder überhaupt keine Ahnung, worum es geht. Ganz gleich wie immer man versucht hat, die Folgen des 11. September zu überwinden, sei es durch die sich selbst erfüllende Prophezeiung des Nachfrageabsturzes oder durch den untauglichen Versuch der Gesundbetung, es ist jetzt höchste Zeit wieder eines in den Mittelpunkt zu stellen: Den Kunden und dass das Produkt Urlaub Spaß machen muss.
Schauen wir uns doch die Fliegerei à la 2002 an. Wenn früher für 180 Fluggäste drei Check-In Counter im Einsatz waren, sind es jetzt, infolge von Sparmaßnahmen (die der immerhin noch fliegende Kunde eigentlich nicht zu verantworten hat) für 150 Fluggäste nur noch zwei Counter, die geöffnet werden. Ein einfacher Dreisatz nach dem guten Adam Ries (den fälschlicherweise alle „Riese“ nennen, damit das auch mal klargestellt ist) ergibt, dass die durchschnittliche Warteschlange jetzt um 25% länger ist. Nach dem der Reisende diesen unverständlichen Nachteil überwunden hat, kommt die Sicherheitskontrolle. Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet an dieser, doch eigentlich sensiblen Stelle, tagtäglich Experimente mit dem Thema Dienstleistung und Unfreundlichkeit durchgeführt werden müssen? Das abschreckendste Beispiel, das wissen alle Flugerfahrene, ist Frankfurt. Dort ist die Unfreundlichkeit so unfreundlich (da muss die Tautologie des Ausdruckes als höchste Steigerungsform herhalten), dass sie fast an Körperverletzung grenzt. Zuletzt habe ich solches vor ca. 15 Jahren an einem Ort namens Marienborn erlebt, vielleicht wurde das Personal von dort übernommen. Bewundernswert auch die Gabe der Kontrolleure, durch zum falschen Zeitpunkt ausgerufene Frühstückspausen ohne Personalersatz, Staus aus dem Nichts zu produzieren. Die gute Nachricht war in den letzten Tagen, dass dieses Personal streikte, die schlechte Nachricht war, dass noch einige da waren.
Danach erfolgt die Aktion "mit der Sardinenbüchse zum Flugzeug“. Hierbei darf auf keinen Fall ein zusätzlicher Bus eingesetzt werden. Alle haben zu warten, bis der letzte Fluggast kommt. Die alte Gorbatschow-Regel „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, ist hier geändert in „Wer zu früh kommt, steht am längsten“. Eine Regel, die bei keiner anderen Gelegenheit stimmt.
Im Flugzeug wird dann statt dem gekauften Zwei-Stunden-Flug nach Mallorca, ein um 50% längerer Flug mit zusätzlicher Besichtigung eines weiteren deutschen Flughafens geboten. Das ganze ohne Aufpreis (wo gibt es heute noch etwas ohne Mehrkosten) und als Surprise-Service, das heißt die Überraschung wird dem Fluggast erst an Bord mitgeteilt. Außerdem muss seit neustem an Bord wieder für alle Getränke bezahlt werden. Das wäre eigentlich kein Beinbruch, denn bezahlen muss man für Getränke überall. Nur die Logik, warum Getränke an Bord eines Ferienfliegers in Boomzeiten, als alle sich drängelten, kostenlos waren und in Zeiten wo angeblich um jeden Kunden gekämpft wird, bezahlt werden müssen, bleibt dem Fluggast verborgen.
Im Zielgebiet scheinen die meisten gerade ein längeres Trainingslager bei Herrn Eichel überstanden zu haben. Statt die wenigen Gäste als Multiplikatoren zu sehen und sie in jeder Hinsicht zu verwöhnen, werden sie in finanzielle Haftung für die nicht erschienenen Gäste genommen, sei es durch Aufpreis für früher kostenlose Zusatzleistungen oder durch Servicereduzierungen. In einigen Fällen wird berichtet, dass auch bei einem von Natur aus kostenlosem Produkt, wie Freundlichkeit, aus Solidarität gespart wird. Verblüffend ist auch die weltweit geringer werdende Quote von deutschen Reiseleitern. Bevor einige CDU/CSU-Heroen darin schon erste Tendenzen des ungeliebten Zuwanderungsgesetzes erkennen wollen, sei noch schnell darauf hingewiesen, dass im Ausland wir die Ausländer sind.
Um die Sache abzukürzen und sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nur alles schlecht machen zu wollen, sei wiederum eine alte betriebswirtschaftliche Weisheit dezent erwähnt. Mit Sparen kann man die Auswirkungen fehlenden Umsatzes nicht kompensieren, sondern nur reduzieren. Ergo: Es muss alles getan werden, damit das Geschäft wieder boomt. Dazu muss zuallererst das Produkt Urlaub wieder Spaß machen.
Schauen wir doch mal zu einer erfahrenen Branche, wie der Automobilindustrie. Auf IAA und anderen stattfindenden Autosalons wird durch die Ankündigung von echten und vermeintlichen Innovationen, immer wieder die Lust am Autofahren angekurbelt. Von schlechter Stimmung keine Spur. Trotz schlechter Wirtschaftsdaten werden neue „Protzautos“ herausgestellt. Natürlich wissen die Automanager, dass Lieschen und Hänschen Müller sich nicht den neuen Maybach kaufen werden. Aber die beiden freuen sich danach auf die 5 zusätzlichen Kw des neuen Lupos mehr, als über 1/10 l weniger Benzinverbrauch. Und jetzt vergleichen wir mal damit die Äußerungen der Tourismusbosse auf der ITB. Lust auf Urlaub oder Stolz auf durchgeführte Sparmaßnahmen?



SUCHE