Das kennen wir schon von Uschi Glas. Erst widerfährt einem
Unglück, der Ehemann läuft weg (wobei vielleicht nicht
jede Frau das als Unglück empfinden würde), dann kommt
noch Pech hinzu, der Job ist weg. Während die Tourismusindustrie
noch mit ihrem Unglück hadert, dass die Kunden wegbleiben,
kommt noch Pech hinzu, die wenigen auf Teneriffa und Mallorca
werden vom Regen weichgespült.
Wie sagte der Theaterkritiker Alfred Kerr: Neunmal Pech mag neunmal
Pech sein, aber zehnmal Pech ist eigene Schuld. Die meisten Probleme
im Tourismus sind hausgemacht
Kommentar Karl Born:
Mein ohnehin schon immer freundlicher Harzer-Vorzeigehotelier
lächelt in letzter Zeit noch mehr als sonst. Grinsend schildert
er seinen morgendlichen Start. Erst lässt er sich von der
Harzer Morgensonne (!) wecken, dann schaut er im TV den Wetterbericht
von den Kanaren und Mallorca und danach dankt er, dass er sein
Hotel im Harz hat und nicht im Süden.
Die langfristig angelegte Strategie der DZT-Chefin Schörcher
trägt erste Früchte. Zuerst wurde der Deutsche Wetterdienst
unterwandert, der daraufhin keine schlechten Wettervorhersagen
mehr für Deutschland meldete. Selbst ein heraufziehender
schwerer Sturm, den man schon fast mit bloßem Auge sehen
konnte, blieb unerwähnt. Dafür wurden die Welp und Co.
zwar von der ARD gefeuert (und das will was heißen, wenn
man bedenkt, dass dort noch immer Waldi Hartmann den Sport moderieren
darf), aber Ursula Schörcher hat erreicht, was sie wollte.
Das Wetter kommt jetzt von Kachelmann und der berichtet über
die Schlechtwetterfronten über den Kanaren und Mallorca in
epischer Breite. Danach zeigt das ARD dann den Sonnenschein in
deutschen Landen, natürlich ohne zu erwähnen, dass es
trotz Regen, in Teneriffa wärmer ist als am Ostseestrand,
wo man sich die letzten Tagen selbst in der Sonne den A.... abfrieren
konnte.
Was macht der Mallorca-Urlauber in seiner verregneten Langeweile?
Er nimmt das Handy, ruft zuhause an und erzählt, wie sehr
es regnet. Die lieben Balkon-Urlauber daheim haben, bösartiger
Weise, nichts wichtigeres zu tun, als scheinheilig die gut
gewaschenen Urlauber zu bedauern, um dann ausführlich
den Spaziergang im Sonnenschein zu beschreiben und dass man im
Straßencafe den Cappuccino schon im Freien trinken konnte.
Spätestens jetzt wird der so frustrierte Urlauber sich auf
den nächsten spanischen Kellner stürzen und diesen wegen
einer Lappalie zur Schnecke zu machen. Zumal jetzt zu viele Urlauber,
in viel zu kleinen Hotelhallen, zu wenigen Servicekräften
gegenübersitzen, um (für die Urlaubskasse) zu viele
und zu teure Alkoholika zu trinken. Wobei letzteres zusätzliche
Aggressivität freisetzt, die auf zunehmend genervte Kellner
treffend, auch die letzten Ansätze von Servicebereitschaft
erstickt.
Wenn nach der Heimkehr, der Witzbold von Nachbar ironisch fragt,
ob die leichte Färbung im Gesicht Bräune sei oder Rost
vom Regen, dann schwindet auch beim gutmütigsten Urlauber
der Rest von Erholung. Erfahrene Touristiker wissen, dass nach
solchen Regenperioden, die Beschwerdequote fast senkrecht nach
oben schießt. Wenn dann die Abarbeitung dieser Beschwerden,
ganz gleich wie berechtigt sie im Einzelfall sein mögen,
sich wegen Personaleinsparung beim Veranstalter bis zu sechs Wochen
hinzieht, wird wieder ein potenzieller Gast für meinen Harz-Hotelier
geboren.
Wer allerdings denkt, dies sei zur Zeit das Hauptproblem des Flugtourismus,
hat entweder keine Augen im Kopf oder überhaupt keine Ahnung,
worum es geht. Ganz gleich wie immer man versucht hat, die Folgen
des 11. September zu überwinden, sei es durch die sich selbst
erfüllende Prophezeiung des Nachfrageabsturzes oder durch
den untauglichen Versuch der Gesundbetung, es ist jetzt höchste
Zeit wieder eines in den Mittelpunkt zu stellen: Den Kunden und
dass das Produkt Urlaub Spaß machen muss.
Schauen wir uns doch die Fliegerei à la 2002 an. Wenn früher
für 180 Fluggäste drei Check-In Counter im Einsatz waren,
sind es jetzt, infolge von Sparmaßnahmen (die der immerhin
noch fliegende Kunde eigentlich nicht zu verantworten hat) für
150 Fluggäste nur noch zwei Counter, die geöffnet werden.
Ein einfacher Dreisatz nach dem guten Adam Ries (den fälschlicherweise
alle Riese nennen, damit das auch mal klargestellt
ist) ergibt, dass die durchschnittliche Warteschlange jetzt um
25% länger ist. Nach dem der Reisende diesen unverständlichen
Nachteil überwunden hat, kommt die Sicherheitskontrolle.
Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet an dieser, doch eigentlich
sensiblen Stelle, tagtäglich Experimente mit dem Thema Dienstleistung
und Unfreundlichkeit durchgeführt werden müssen? Das
abschreckendste Beispiel, das wissen alle Flugerfahrene, ist Frankfurt.
Dort ist die Unfreundlichkeit so unfreundlich (da muss die Tautologie
des Ausdruckes als höchste Steigerungsform herhalten), dass
sie fast an Körperverletzung grenzt. Zuletzt habe ich solches
vor ca. 15 Jahren an einem Ort namens Marienborn erlebt, vielleicht
wurde das Personal von dort übernommen. Bewundernswert auch
die Gabe der Kontrolleure, durch zum falschen Zeitpunkt ausgerufene
Frühstückspausen ohne Personalersatz, Staus aus dem
Nichts zu produzieren. Die gute Nachricht war in den letzten Tagen,
dass dieses Personal streikte, die schlechte Nachricht war, dass
noch einige da waren.
Danach erfolgt die Aktion "mit der Sardinenbüchse zum
Flugzeug. Hierbei darf auf keinen Fall ein zusätzlicher
Bus eingesetzt werden. Alle haben zu warten, bis der letzte Fluggast
kommt. Die alte Gorbatschow-Regel Wer zu spät kommt,
den bestraft das Leben, ist hier geändert in Wer
zu früh kommt, steht am längsten. Eine Regel,
die bei keiner anderen Gelegenheit stimmt.
Im Flugzeug wird dann statt dem gekauften Zwei-Stunden-Flug nach
Mallorca, ein um 50% längerer Flug mit zusätzlicher
Besichtigung eines weiteren deutschen Flughafens geboten. Das
ganze ohne Aufpreis (wo gibt es heute noch etwas ohne Mehrkosten)
und als Surprise-Service, das heißt die Überraschung
wird dem Fluggast erst an Bord mitgeteilt. Außerdem muss
seit neustem an Bord wieder für alle Getränke bezahlt
werden. Das wäre eigentlich kein Beinbruch, denn bezahlen
muss man für Getränke überall. Nur die Logik, warum
Getränke an Bord eines Ferienfliegers in Boomzeiten, als
alle sich drängelten, kostenlos waren und in Zeiten wo angeblich
um jeden Kunden gekämpft wird, bezahlt werden müssen,
bleibt dem Fluggast verborgen.
Im Zielgebiet scheinen die meisten gerade ein längeres Trainingslager
bei Herrn Eichel überstanden zu haben. Statt die wenigen
Gäste als Multiplikatoren zu sehen und sie in jeder Hinsicht
zu verwöhnen, werden sie in finanzielle Haftung für
die nicht erschienenen Gäste genommen, sei es durch Aufpreis
für früher kostenlose Zusatzleistungen oder durch Servicereduzierungen.
In einigen Fällen wird berichtet, dass auch bei einem von
Natur aus kostenlosem Produkt, wie Freundlichkeit, aus Solidarität
gespart wird. Verblüffend ist auch die weltweit geringer
werdende Quote von deutschen Reiseleitern. Bevor einige CDU/CSU-Heroen
darin schon erste Tendenzen des ungeliebten Zuwanderungsgesetzes
erkennen wollen, sei noch schnell darauf hingewiesen, dass im
Ausland wir die Ausländer sind.
Um die Sache abzukürzen und sich nicht dem Vorwurf auszusetzen,
nur alles schlecht machen zu wollen, sei wiederum eine alte betriebswirtschaftliche
Weisheit dezent erwähnt. Mit Sparen kann man die Auswirkungen
fehlenden Umsatzes nicht kompensieren, sondern nur reduzieren.
Ergo: Es muss alles getan werden, damit das Geschäft wieder
boomt. Dazu muss zuallererst das Produkt Urlaub wieder Spaß
machen.
Schauen wir doch mal zu einer erfahrenen Branche, wie der Automobilindustrie.
Auf IAA und anderen stattfindenden Autosalons wird durch die Ankündigung
von echten und vermeintlichen Innovationen, immer wieder die Lust
am Autofahren angekurbelt. Von schlechter Stimmung keine Spur.
Trotz schlechter Wirtschaftsdaten werden neue Protzautos
herausgestellt. Natürlich wissen die Automanager, dass Lieschen
und Hänschen Müller sich nicht den neuen Maybach kaufen
werden. Aber die beiden freuen sich danach auf die 5 zusätzlichen
Kw des neuen Lupos mehr, als über 1/10 l weniger Benzinverbrauch.
Und jetzt vergleichen wir mal damit die Äußerungen
der Tourismusbosse auf der ITB. Lust auf Urlaub oder Stolz auf
durchgeführte Sparmaßnahmen?
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