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08.07.2002
Wenn die Touristik unter PISA leidet


Was soll man von einer Stadt halten, deren größte Attraktion schief steht? Wenig. Ein entsprechend schiefes Licht wirft die PISA-Studie (auch wenn die Namensgleichheit nur zufällig ist) auf einige europäische Länder. In Deutschland muss der Wissens-Schiefstand schon früher begonnen haben, wenn man die geografischen Kenntnisse einer Partei-Generalsekretärin zugrunde legt. Dies ist besonders ärgerlich, weil darunter die Touristik-Industrie leiden könnte.

Kommentar Karl Born:
Man konnte es kaum noch ertragen, wie im Verlaufe der Fußball-WM die Politiker immer mehr den Fußball und die Fußball-Sprache für sich einnahmen. Kurz vor der WM wurden die Fußballstars noch als Raffkes beschimpft, weil sie keine Abstriche an ihren Gehältern infolge der Kirch-Krise hinnehmen wollten. So äußerte sich beispielweise der spätere „Fußballgott“ Kahn: „Ich sehe es grundsätzlich nicht ein, auf vereinbartes Geld zu verzichten“. Die Beschäftigten vieler Firmen, die mit teilweisem Gehaltsverzicht versuchten ihren bescheidenen Obolus zur Rettung ihres Arbeitsplatzes beizutragen, müssen es mit Grimmen vernommen haben.
Aber Fußball-WM heißt auch kollektiver nationaler Wahnsinn. Bei der großen Begrüßungsfeier am Frankfurter Römer winkte die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth so heftig, dass man glaubte sie sei Spielführerin der deutschen Damen-Fußballnationalelf nach gewonnenem Weltmeistertitel. Dabei winkte sie nur stellvertretend für das Gebäude auf dessen Balkon man stand. Noch heftiger winkte der unmittelbar dahinterstehende grauhaarige Herr. Nach dem vor dem geistigen Auge alle Ehrenspielführer der deutschen Nationalelf und danach die Mitspieler aller Nationalmannschaften zurück bis 1908 (1. Länderspiel gegen die Schweiz, 3:5 verloren, just for info) ergebnislos durchliefen, wurde dieser „strahlende Sieger“ letztlich als der Hessische Innenminister Bouffier (Schreibweise ohne Gewähr, da bis dato unbekannt) identifiziert. Man geht nicht fehl in der Annahme, dass er am nächsten Tag wegen Erschöpfung frei hatte und vom Arzt sein entzündetes Handgelenk wegen Überbelastung behandeln ließ.
Wohltuend davon hob sich, auf den ersten Blick, die wenige Tage zuvor gemachte Äußerung von Frau Cornelia Pieper, FDP-Generalsekretärin (und beinahe Kultusministerin von Sachsen-Anhalt!) ab, die im Viertelfinale „Deutschland die Daumen drückte, weil es das letzte europäische Team sei“ (lt. Berliner Morgenpost vom 26.6.). Endlich mal jemand, der über den deutschen Tellerrand blickte, wenngleich die Einengung auf Europa letztlich doch noch Defizite im Globalisierungsdenken aufwarf. Aber welch ein Schreck, wenn man nachsah, wer da noch im Viertelfinale mitspielte. Zum einen die Türkei. Da kann es mit der EU natürlich nichts werden. Und dann spielte im Viertelfinale auch noch Spanien mit. Au weia, wie peinlich. Und damit ist natürlich auch der Touristen-Rückgang für Spanien erklärt. Wenn alle Deutschen glauben, das sei ein Fernstreckenziel? Wer will schon so solange im Flugzeug sitzen, bis er in fernen Landen ankommt?
Also liebe TUI und Thomas Cook und Jahn-Reisen und Alltours und wie ihr alle heißt, allfällige Beschwerden über die schlechte Spanien-Saison 2002 bitte an Frau Pieper richten.
Wie sagte schon das ewige Fußball-Talent Andi Möller: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien“. Aber was konnte man schon von einem erwarten, der von Dortmund nach Schalke wechselte. Wer so etwas für möglich hielt, wundert sich wahrscheinlich auch nicht über Gysi als Berliner Wirtschaftsminister, Katharina Reiche im Stoiber-Kompetenzteam und Hartz-Vorschläge im SPD-Wahlprogramm.
Jemanden vergessen zu beißen? Ja, die Grünen, die vergisst man in letzter Zeit öfters. Aber lohnt es sich Frau Roth ( nicht die Winke-Roth von Frankfurt, sondern die zumeist schalbewehrte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth) zu beißen? Wer zum Christopher-Street-Day geht und zu den Festspielen nach Bayreuth, überdehnt sogar den Begriff des hybrid paradoxen Konsumenten.



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