Was soll man von einer Stadt halten, deren größte Attraktion
schief steht? Wenig. Ein entsprechend schiefes Licht wirft die
PISA-Studie (auch wenn die Namensgleichheit nur zufällig
ist) auf einige europäische Länder. In Deutschland muss
der Wissens-Schiefstand schon früher begonnen haben, wenn
man die geografischen Kenntnisse einer Partei-Generalsekretärin
zugrunde legt. Dies ist besonders ärgerlich, weil darunter
die Touristik-Industrie leiden könnte.
Kommentar Karl Born:
Man konnte es kaum noch ertragen, wie im Verlaufe der Fußball-WM
die Politiker immer mehr den Fußball und die Fußball-Sprache
für sich einnahmen. Kurz vor der WM wurden die Fußballstars
noch als Raffkes beschimpft, weil sie keine Abstriche an ihren
Gehältern infolge der Kirch-Krise hinnehmen wollten. So äußerte
sich beispielweise der spätere Fußballgott
Kahn: Ich sehe es grundsätzlich nicht ein, auf vereinbartes
Geld zu verzichten. Die Beschäftigten vieler Firmen,
die mit teilweisem Gehaltsverzicht versuchten ihren bescheidenen
Obolus zur Rettung ihres Arbeitsplatzes beizutragen, müssen
es mit Grimmen vernommen haben.
Aber Fußball-WM heißt auch kollektiver nationaler
Wahnsinn. Bei der großen Begrüßungsfeier am Frankfurter
Römer winkte die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra
Roth so heftig, dass man glaubte sie sei Spielführerin der
deutschen Damen-Fußballnationalelf nach gewonnenem Weltmeistertitel.
Dabei winkte sie nur stellvertretend für das Gebäude
auf dessen Balkon man stand. Noch heftiger winkte der unmittelbar
dahinterstehende grauhaarige Herr. Nach dem vor dem geistigen
Auge alle Ehrenspielführer der deutschen Nationalelf und
danach die Mitspieler aller Nationalmannschaften zurück bis
1908 (1. Länderspiel gegen die Schweiz, 3:5 verloren, just
for info) ergebnislos durchliefen, wurde dieser strahlende
Sieger letztlich als der Hessische Innenminister Bouffier
(Schreibweise ohne Gewähr, da bis dato unbekannt) identifiziert.
Man geht nicht fehl in der Annahme, dass er am nächsten Tag
wegen Erschöpfung frei hatte und vom Arzt sein entzündetes
Handgelenk wegen Überbelastung behandeln ließ.
Wohltuend davon hob sich, auf den ersten Blick, die wenige Tage
zuvor gemachte Äußerung von Frau Cornelia Pieper, FDP-Generalsekretärin
(und beinahe Kultusministerin von Sachsen-Anhalt!) ab, die im
Viertelfinale Deutschland die Daumen drückte, weil
es das letzte europäische Team sei (lt. Berliner Morgenpost
vom 26.6.). Endlich mal jemand, der über den deutschen Tellerrand
blickte, wenngleich die Einengung auf Europa letztlich doch noch
Defizite im Globalisierungsdenken aufwarf. Aber welch ein Schreck,
wenn man nachsah, wer da noch im Viertelfinale mitspielte. Zum
einen die Türkei. Da kann es mit der EU natürlich nichts
werden. Und dann spielte im Viertelfinale auch noch Spanien mit.
Au weia, wie peinlich. Und damit ist natürlich auch der Touristen-Rückgang
für Spanien erklärt. Wenn alle Deutschen glauben, das
sei ein Fernstreckenziel? Wer will schon so solange im Flugzeug
sitzen, bis er in fernen Landen ankommt?
Also liebe TUI und Thomas Cook und Jahn-Reisen und Alltours und
wie ihr alle heißt, allfällige Beschwerden über
die schlechte Spanien-Saison 2002 bitte an Frau Pieper richten.
Wie sagte schon das ewige Fußball-Talent Andi Möller:
Mailand oder Madrid Hauptsache Italien. Aber
was konnte man schon von einem erwarten, der von Dortmund nach
Schalke wechselte. Wer so etwas für möglich hielt, wundert
sich wahrscheinlich auch nicht über Gysi als Berliner Wirtschaftsminister,
Katharina Reiche im Stoiber-Kompetenzteam und Hartz-Vorschläge
im SPD-Wahlprogramm.
Jemanden vergessen zu beißen? Ja, die Grünen, die vergisst
man in letzter Zeit öfters. Aber lohnt es sich Frau Roth
( nicht die Winke-Roth von Frankfurt, sondern die zumeist schalbewehrte
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth) zu beißen? Wer zum
Christopher-Street-Day geht und zu den Festspielen nach Bayreuth,
überdehnt sogar den Begriff des hybrid paradoxen Konsumenten.
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