Reiseversicherer in Nöten: Sie wollen noch mehr Reiserücktrittskosten-Versicherungen
verkaufen, aber Reiserücktritte sollen vermieden werden.
Kommt jetzt die Prügelstrafe für reiseunwillige Urlauber?
Kommentar Karl Born:
Bei Deutschlands Reiseversicherern sollen angeblich die Nerven
blank liegen. Schien es bislang so, als sei diese Branche auf
Gewinn abonniert, so sieht es seit September letzten Jahres anders
aus. Die Schadensfälle sind deutlich gestiegen.
Der Schuldige ist auch schon ausgesucht. Angeblich stellen die
deutschen Ärzte zu leicht und zu oft Gefälligkeitsgutachten
aus. Deshalb soll Storno künftig wehtun. Wobei noch offen
ist, ob die Prügelstrafe die reiseunwilligen Urlauber oder
die attestfreudigen Ärzte treffen soll.
Dass hierbei das Vorurteil über Versicherungen wieder mal
bestätigt wird (flink beim Prämien kassieren und jammern
beim Zahlen), ist fast nur der kleinere Teil des Geschehens. Schlimmer
ist die Kundenbeschimpfung: Storno muss wehtun!
Da hat wohl jemand auf der Website manager-magazin.de
die Ankündigung für ein neues Marketingbuch gelesen
mit dem Titel: Quälen Sie ihre Kunden die mögen
das. Nur, der Vordenker von der Versicherung hätte
weiterlesen müssen, wer das Buch geschrieben hat: Stephen
Brown, University of Ulster in Nordirland. In Nordirland haben
die (leider) ein anderes Verhältnis zu Gewalt, als der brave
deutsche Tourist.
Gleichzeitig hört man von den Versicherern, dass sie die
Abschlussquote für Reiserücktrittskosten-Versicherungen
von derzeit 30% auf zwei Drittel erhöhen möchten. Da
muß jemand sehr lange vorher im Wirtshaus gesessen haben,
um Wehtun und Abschlusssteigerung in eine
Reihe zu bringen. Die Touristen werden nicht mitspielen und wer
nicht bucht, schließt auch keine Versicherung ab. So einfach
ist das.
Deshalb müssen die Veranstalter genau den anderen
Weg gehen und ein neues Verhältnis für die Stornierungen
finden. Moderate Prämien und für einen Teil der Stornierungsgebühr
einen Reisegutschein ausstellen. Nur so kann das Vertrauen der
Kunden zurückgewonnen und Kundenbindung aufgebaut werden.
Das ist natürlich keine gute Nachricht für die Versicherer
und deshalb hat der Chef einer Versicherung auch vorausschauend
erklärt, dass entsprechende Aktionen hektisch
und Reisegutscheine für die Branche grottenschlecht
seien. Achtung liebe Reisebranche! Mit einer solch hilfsbereiten
Botschaft stand auch der kreidefressende Wolf vor dem Haus der
sieben Geißlein. Und wenn jemand behauptet, Unternehmen,
die jetzt an dieses Thema herangingen, hätten in ihrer
Not das Thema nicht zu Ende gedacht, so ist es wohl gerade
umgekehrt: Diese Unternehmen haben es von Anfang an richtig gedacht,
nämlich vom Kunden her. Und auf längere
Sicht gesehen, ist das immer die erfolgreichere Variante (zugegebenermaßen
vielleicht nicht für die Reiseversicherer).
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