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12.08.2002
Neue Gefahr für deutsche Touristen


In den kommenden drei Wochen will Jürgen Möllemann (FDP) rund 80 Mal über deutschen Feriengebieten abspringen. „Es wird uns kein Tourist entgehen“, drohte Möllemann (Zitat lt. Spiegel online vom 5.8.).

Kommentar Karl Born:
Ob man sich auf Politiker verlassen kann, ist eine häufig gestellte Frage, besonders in der aktuellen Vorwahl-Diskussion. Generell möchte man diese Frage mit "Nein" beantworten. Wenn es aber um das Thema „Reisen“ ging, dann war in der Vergangenheit auf unsere Politiker (unabhängig von der politischen Richtung) eigentlich immer Verlaß. Um zu sehen, wie afrikanische Länder ihre Verkehrsprobleme lösen, wie in Südamerika mit der Bildungspolitik umgegangen wird oder wie Australien das Liebesleben der Kängurus regelt, unsere Politiker wollten darüber nie nur theoretisch informiert werden, sondern, wissensbegierig wie sie erfreulicherweise sind, sich alles auch genau vor Ort ansehen. Und so kennen wir diese Bilder, wie unsere Berliner Heroen vor der Skyline von Sydney stehen, beschäftigt am Copacabana- Strand entlanggehen oder in den Nationalparks Afrikas nach Verkehr suchen. Und neben der Bestätigung, dass unseren Gewählten kein Weg zu weit ist (die Bonusmeilen lassen grüßen), war es für das gemeine Volk auch immer Anreiz, diese Orte ebenfalls zu besuchen. Vor diesem Hintergrund wurden die Deutschen zum Reiseweltmeister. Einige, besonders herausgehobene Politiker, verwendeten sogar ihren privaten Urlaub dafür, um vor der Fahne deutscher Reiseveranstalter zu posieren. Glückliche deutsche Reiseindustrie!
Ausgerechnet in diesem schwierigen Jahr 2002, wo die Touristik-Industrie die Hilfe der Politiker dringender benötigt als je zuvor, werden sie von der Politik im Stich gelassen.
Beispiel 1: Unser lieber Kanzler Gerhard Schröder. Wir haben ihn immer für einen echten Freund der deutschen Reiseveranstalter gehalten, aber was macht er dieses Jahr? Er bleibt zuhause. Schlimm genug, dass es keine Bilder von Positano oder von anderen herrlichen südländischen Urlaubsorten gab, um unser Fernweh anzuheizen, er setzt noch einen drauf und lässt sich beim Heckenschneiden vor dem eigenen Haus fotografieren. Das Volk, das ihn liebt, macht sich dies sofort als neuen Trend zu eigen. Laßt uns dieses Jahr „den Schröder machen und zu Hause bleiben“, wurde zur neuen Parole, auch in jenen Familien, die keine Hecke zu schneiden hatten.
Beispiel 2: Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, berichtet über seinen Urlaub auf Mallorca. Im Prinzip war es schön, dass er dorthin gereist war, denn damit konnte der bisherige Rückgang deutscher Urlauber auf Mallorca von ca. 500.000 gegenüber Vorjahr etwas vermindert werden. Die Motive für seinen Mallorca-Urlaub sind nicht näher bekannt, wahrscheinlich wollte er großem Trubel ausweichen und etwas alleine sein. Im Jahr 2000 ging man, wenn man alleine sein wollte auf die EXPO, in diesem Jahr geht man aus dem gleichen Grund nach Mallorca! Soweit so gut, wenn er seine dortigen Erlebnisse für sich behalten hätte. Nein, er muss laut tönen, dass sein Bier am Strand sechs Euro kostete (was kostet eigentlich ein Bier bei Veranstaltungen von MCC und MCV?). Darüber hinaus beklagte er sich: „Wenn man in einem 5- Sterne-Hotel bei Regen ankommt, und es dauert sehr lange, bis man die Koffer in die Halle getragen hat, dann fragt man sich schon, wie es um die Gastfreundschaft und den Service steht“. Doppelfehler, lieber Herr Beck. Erstens hat er damit verraten, dass es auf Mallorca ebenfalls regnet, was somit auch noch jene erfahren haben, die in letzter Zeit kein TV schauten und zweitens hat er offenbar gemacht, dass sich die Servicequalität auf der Insel proportional zum Rückgang der Touristen verringert hat. Überrascht hat nur, dass dieser hohe Qualitätsanspruch von jemand kam, der als Verwaltungsratsvorsitzender das ZDF zu verantworten hat.
Beispiel 3: Der CSU-Abgeordnete Hinsken, gleichzeitig Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Tourismus und somit per Definition Freund des Tourismus. Aus diesem „Freund-Verhältnis“ kommt der Spruch: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Er lässt sich in der heißen Urlaubsphase darüber aus, „dass viele Betriebe nur zur Hälfte ausgelastet seien“. Damit weiß auch der letzte Urlauber, dass er sich dieses Jahr nicht schämen muss, wenn er auf seine Auslandsreise verzichtet, sondern er sich in bester Gesellschaft befindet, wenn er überhaupt keine Urlaubsreise unternimmt. Hinskens Nachsatz in jenem Interview „die (deutschen) Unternehmen müssen die Qualität der Angebote verbessern“, bestätigte dann auch noch, dass die Nicht-Reise genau die richtige Entscheidung war.
Beispiel 4: Jürgen Möllemann. Wer jetzt noch den Leichtsinn begehen sollte, trotz aller Warnungen in Urlaub zu fahren, dem droht in den nächsten Wochen die Höchststrafe: Jürgen Möllemann will 80 mal mit dem Fallschirm abspringen, "damit ihm kein Tourist entgeht". Schlimmer konnte es wahrlich nicht kommen. Spätestens jetzt sollten die deutschen Reiseveranstalter das Touristikjahr 2002 endgültig als verloren abhaken.

Nachtrag: Eine rühmliche Ausnahme machen dieses Jahr die Grünen. Waren sie früher noch eine Gefahr für den Tourismus, weil sie Auslands-Urlaubsreisen verteufelten und Steuerbelastung für Flugbenzin forderten, gehen Sie dieses Jahr, was Fliegen betrifft, mit gutem Beispiel voran. Eine schönere Promotion z.B. für Thailand hat man schon lange nicht gesehen. Liebe Grüne, lasst euch dieses Tourismus-Engagement nicht durch die BILD-Zeitung vergällen. Und wenn die Bonusmeilen alle sind, helfen bestimmt TUI und Thomas Cook aus. Ihr habt es Euch verdient.

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