Die Filmfreunde erkennt man heute morgen an den rotgeränderten
Augen, weil sie vergangene Nacht die Übertragung der Oscar-Verleihung
live gesehen haben.
Die Focus-Leser erkannte man auf der ITB daran, dass sie entweder
strahlten wie eine frisch gebohnerte Treppe oder vor Ärger
Pickel im Gesicht hatten.
Und wer auf der ITB betont gelangweilt dreinschaute, war bestimmt
Gast der Eröffnungsveranstaltung gewesen.
Könnte man nicht aus dem zusammen eine prickelnde Veranstaltung
machen?
Die Verleihung des Touristik-Oscars als Highlight am Vorabend
der ITB.
Kommentar Karl Born:
Es war wie immer. Keiner hält die blöde
Focus-Liste der Top-Reisemacher für wichtig, aber alle reden
darüber. Die einen, die winners, lächeln
leicht verschämt vor sich hin mit der Bemerkung ist
ja nicht so wichtig. Die anderen, die loosers,
sagen überraschender Weise fast den gleichen Satz ist
ja nicht wichtig, nur mit anderer Betonung.
Dabei kann fast keiner der Genannten richtig sauer sein. Erstens,
man ist drin. Das ist ja wohl das Wichtigste. Zweitens, das wie
ist sekundär. Dass Ralf Corsten vom letztjährigen Spitzenplatz
zur Fußnote von Frenzel heruntergestuft wurde, wird ihn
wenig kümmern. Er lebt in Frankreich und welch heiße
Feger es bei Nouvelles Frontiers gibt, wissen wir spätestens,
seit wir Houllebecqs Plattform gelesen haben. Selbst Heiner Berninger,
Herausgeber des Touristik Reports, wird sich nicht grämen,
immerhin erreicht er mit vier Erwähnungen einen
Spitzenplatz. Auch LH-Boss Weber kann die Rückstufung leicht
verkraften, denn die wahre Auszeichnung für ihn versteckt
sich an anderer Stelle. Zwei der drei Aufsteiger aus der 2. Reihe
(die Bezeichnung Nachwuchsstars verbietet sich hier wohl) entstammen
bester LH-Schule. Frenzel wird eines noch viel mehr geärgert
haben, als seine Rückstufung um einen Platz. Da hat er Millionen
für das neue Preussag-Image ausgegeben, selbst unter Einsatz
seines eigenen Konterfeis, und da knallt ihm dieser Focus-Mensch
das alte Preussag-Stahl-Signet unter das Bild. Wow!
Die Mittelplätze der Rangliste sind von Kögel, Öger,
Verhuven und Kastner, den üblichen Verdächtigen
wenn es ums Strippenziehen geht, belegt, die auch gut damit leben
können. Und selbst Volker Böttcher wird, wenn man die
Focus-Sprache in die Oscar-Sprache übersetzt, den Oscar für
den besten Nebendarsteller gerne entgegennehmen. Für einen
Newcomer eine stolze Leistung. Nur einer blickte etwas zurückhaltend
in die Landschaft. Der überraschend mit Platz 1 gekrönte
Pichler weiß, dass besser als der eigene AR-Chef eingeschätzt
zu werden, sich lebensgefährlich auswirken kann.
Soweit so gut und schon vergessen. Die Tourismus-Branche müsste
das ganze selbst in die Hand nehmen und richtig professionell
aufziehen, analog zur Oscar-Verleihung. Trotz Internet und TV,
die Filmbranche ist in aller Munde und die Oscar-Verleihung ist
unverändert eines der weltweit größten Medienereignisse.
Was brauchen wir? Einen fixen Verleihungstermin, das kann nur
der Vorabend der ITB sein und damit steht auch Berlin als Ort
fest. Das geeignete Hotel zu finden, ist kein Problem. Dann brauchen
wir einen schönen roten Teppich, für das walk-in.
Um dieses ordentlich zu zelebrieren, fehlt der Branche allerdings
noch einiges: Sie hat keine Touristik-Luder, keine Skandale (zumindest
keine szenischen) und für die Vielzahl von McKinsey-Klone
stellt sich kein Zuschauer an. Selbst die Branchen-PR-Leute sind
etwas luschig gegenüber früher und gegenüber
anderen Branchen sowieso. Hier besteht also der größte
Handlungsbedarf, der nur mit einer grundsätzlich anderen
Einstellungspolitik behoben werden kann.
Die Jury muss ausgewogen besetzt werden mit den Touristikexperten(-innen)
der großen Wochenmagazine Spiegel und Focus und der überregionalen
Zeitungen wie SZ, FAZ und Welt. Auf keinen Fall darf die taz fehlen,
weil sie es so schön niederschreiben wird. Hinzu kommen Vertreter
der großen Fachzeitschriften wie fvw und Touristik Report,
und der kleineren wie touristik aktuell, touristik management
und andere. Travel talk muss auch dabei sein, damit wir am anderen
Tag lesen können, was so in den Hotelzimmer passierte. Natürlich
sind jetzt einige Experten sauer, in welchem Umfeld sie erwähnt
werden, aber im Sinne der großen Sache kann auf solche persönlichen
Befindlichkeiten keine Rücksicht genommen werden. Natürlich
gehören in die Jury noch mindestens zwei Professoren, um
der Sache einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Zuletzt
fügen wir noch ein paar Ahnungslose dazu, also Analysten.
Was wir nicht brauchen sind Kunden. Die würden dann zu sehr
im Mittelpunkt stehen, das tun sie z.Z. sonst auch nicht. Herrn
Eichel könnten wir stattdessen noch in die Jury setzen und
natürlich einen Unternehmensberater. Von welcher Firma dieser
kommt, spielt keine Rolle, da bekanntermaßen alle Berater
gleichzeitig bei allen Firmen sind.
Als nächstes benötigen wir einen eloquenten Host (Gastgeber)
der mit Charme, Witz und notfalls bissigen Bemerkungen durch das
Programm führt. Da die Idealbesetzung hierfür allgemein
bekannt ist, können wir uns jetzt den einzelnen Kategorien
zuwenden. Am aufregendsten sind natürlich die Entscheidungen
zum besten Hauptdarsteller bzw. Hauptdarstellerin. Während
für erstes die bekannten Branchenlöwen in Frage kommen,
fällt auf, dass für die Hauptdarstellerinnen in dieser
Branche wenig Namen gehandelt werden (auch die Focus-Liste zeigt
hier einen unverzeihlichen Mangel). Hier wäre natürlich
zuerst die DZT-Chefin Ursula Schörcher zu nennen, die natürlich
mit einem entsprechenden Auftritt und Outfit (à la Madonna),
für einen Paukenschlag sorgen müsste. Da an den Hochschulen
zur Zeit fast 90% der Tourismus Studierenden junge Damen sind,
wird es auf den Chefetagen demnächst ohnehin einige Veränderungen
geben.
Angesichts der zur Zeit dominanten Touristik-Chefs dürfte
der größte Andrang bei der Entscheidung für die
besten Nebenrollen herrschen. Um die beste Regie streiten sich
die AR- Chefs und der Preis für den besten Schnitt bekommt
die Firma mit dem besten Ergebnis. Die Reihe lässt sich sicherlich
erweitern. Jedes Jahr wird dann noch der Touristik-Oscar
für das Lebenswerk verliehen, eine nicht so sehr geliebte
Auszeichnung, weil sie immer ein Zeichen dafür ist das
war`s. Erster Anwärter wäre Friedel Neuber, ein
bisschen Pate gehört schließlich auch dazu.
Einen Sonder-Oscar könnte man Charles Gurassa verleihen für
seine Verdienste um die deutsch-englische Freundschaft.
Höhepunkte jeder Oscar-Verleihung sind die Dankesreden. Das
wäre in unserem Fall nicht anders. Schließlich hat
der Forscher Levicky vor wenigen Tagen in der Zeitschrift Psychologie
heute dargelegt, warum auf den Führungsetagen der Wirtschaft
viele gestörte Persönlichkeiten zu finden
seien. Ursache seien dominante Mütter. Das muss ein Spass
sein, wenn die Top- Manager ihre Dankesrede halten und ihren dominanten
Mütter in der ersten Reihe dabei in die Augen sehen müssen.
Einer der Manager, der aufgrund der aktuellen Entwicklung wohl
nicht mehr als Preisträger in Frage kommt, sehe ich direkt
vor mir, wie er bei der Dankesrede in seine Hosentasche greift,
einen Zettel hervorzieht, Danke abliest und den Zettel
wieder einsteckt (übrigens bedankte sich vor kurzem auch
Michael Jackson so, als er einen der unzähligen Lebens-Awards
erhielt, allerdings standen bei ihm drei Worte auf dem Zettel).
Wer denkt, das sei alles unrealistisch, möge sich den sensationellen
Erfolg vor Augen halten, den Karlheinz Kögel jährlich
mit seinem Deutschen Medienpreis erzielt. Da Kögel inzwischen
die Großen dieser Welt schon geehrt hat (und fast keiner
mehr fehlt) , könnte man ihn alternativ bitten, seinen Medienpreis
in den deutschen Touristik-Oscar umzuwandeln. Dann wäre auf
jeden Fall professionelles Handling gewährleistet.
Zum Schluß noch einen Trost an alle hervorragenden Touristiker
beiderlei Geschlechts, die in diesem Bericht nicht namentlich
erwähnt wurden. Richard Burton, Greta Garbo, Charlie Chaplin,
Alfred Hitchcock, Marilyn Monroe, Cary Grant u.a. haben nie einen
Oscar bekommen und waren trotzdem begnadete Könner.
Zu allerletzt noch ein Oscar-Vorkommnis, von dem Spötter
meinen, dass es zum Branchen running gag werden könnte. Als
1974 der Präsentator David Niven zum Mikrofon ging, lief
hinter ihm ein nackter Mann, ein sogenannter Flitzer, auf die
Bühne. Niven drehte sich herum, musterte kurz den splitternackten
Mann und sagte spöttisch in das Mikrofon: Ist es nicht
faszinierend, dass der einzige Lacher, den dieser Mann ernten
wird, daher rührt, dass er sich auszieht und aller Welt seine
Mängel zeigt?
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