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14.07.2003 Späte Erkenntnisse auch in den Zielgebieten


Mallorca hat die Abschaffung der Ökosteuer beschlossen.
Der italienische Staatssekretär für Tourismus ist zurückgetreten.
Späte Erkenntnisse, aber der Schaden ist in beiden Fällen fast nicht mehr zu korrigieren.


Kommentar Karl Born:

Vor drei Wochen berichteten die BBB über späte Erkenntnisse bei den großen Reiseveranstaltern (siehe BBB vom 23.6.2003) [Link], die als solche zwar erfreulich sind, wodurch aber der angerichtete (Image-)Schaden kurzfristig nicht zu beheben sein wird.

Vergleichbares ist leider auch aus den Zielgebieten zu berichten.
Mallorca gilt inzwischen als Modellfall wie man ein erfolgreiches Zielgebiet systematisch ruinieren kann. Es begann schon im April 2001 mit der Erklärung der Präsidentin des Inselrates Maria Antonia Munar, dass man eine Ökosteuer in Höhe von 4 DM/Tag erheben wolle und man gerne auf jene Touristen verzichten könne, die nicht bereit wären diese Abgabe zu zahlen. Außerdem könne man auch auf die "Ballermänner" verzichten, eigentlich wolle man nur noch den gehobenen Golfer- und Wellness-Urlauber.

Abgesehen davon, dass die "Ballermänner" keine Belastung der Insel, sondern eine fast kultische Attraktion derselben sind, nahmen sich die Touristenbeschimpfung auch jene zu Herzen die nicht gemeint waren und blieben einfach weg. Der Rest an Vertrauen wurde durch die monatelange Diskussion über die Ökosteuer beseitigt, wobei die Dauer der Diskussion noch schädlicher war, als deren tatsächliche Einführung. Das Ergebnis ist bekannt: Die schlechtesten Touristenzahlen seit Jahren mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen.

Jetzt wurde beschlossen, die Ökosteuer ab Oktober wieder abzuschaffen. Der nächste Satz wird vielen nicht gefallen, aber es wird so sein. Im Prinzip ist die Abschaffung der Ökosteuer inzwischen unnötig. Es wird deshalb kaum ein Tourist zusätzlich auf die Insel kommen. Die Abschaffung dieser Steuer ruft nicht das umgekehrte Erlebnis wie ihre Einführung hervor, denn diese Reduzierung wird im Reisepreis schlicht untergehen. Um das zu ändern, müsste man jetzt eine Aktion starten, jedem Mallorca-Urlauber die ersparte Ökosteuer cash im Reisebüro in die Hand zu drücken.
Darüber hinaus wird die Region Mallorca eine erhebliche Geldsumme in die Hand nehmen müssen, um den angerichteten Imageschaden durch eine entsprechende Werbekampagne wieder zu beheben.

Getrau dem Motto "Von Mallorca zu lernen, heißt verlieren zu lernen", schickte sich der italienische Tourismus-Staatssekretär Stefano Stefani an, dieses "Erfolgskonzept" zu kopieren. Mit einem verbalen Rundumschlag, wahrscheinlich um sich bei seinem Ministerpräsidenten "lieb Kind zu machen", gab es eine "Pauschalbeleidigung gegenüber allen Deutschen, die gerne in Italien Urlaub machen" (Zitat: Regierungssprecher Bela Anda). Statt nach der wirklich erfolgreichen Methode zu verfahren, erst ans Schienbein treten und dann sich leutselig entschuldigen, legte der (Anti-)Tourismusminister noch nach. Spätestens nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder, seinen Italien-Urlaub absagte, war der Schaden nicht mehr zu beheben.
Der (angeordnete) Rücktritt des Verbaltäters Stefani, eine späte Erkenntnis, leider zu spät.

Was lernen wir daraus?
Erstens, dass Radfahren nicht immer Job-Sicherheit bietet (siehe Entlassung von Stefani).
Zweitens, dass es einfach traurig ist, immer wieder aufs Neue erleben zu müssen, wir führende Tourismusköpfe durch leichtfertige Äußerungen touristischen Erfolg aufs Spiel setzen.
Drittens, die Genialität unseres Kanzlers zu bestaunen. Was die Tourismusverantwortlichen von Hannover seit Jahren nicht annähernd schaffen, macht er quasi mit links: Hannover in allen Medien in den touristischen Mittelpunkt zu setzen. Während bei einer Umfrage unter Tourismusstudierenden fast 90% seine Entscheidung für falsch hielten, fanden 2/3 der deutschen Bevölkerung dies angemessen. Was den Tourismusstudierenden einen wichtigen Hinweis gibt, wie emotional eben Urlauber sind.

Interessante Beobachtung am Rande. Unser Bundesinnenminister Schily, bekennender Toskana-Fan, machte in einem Interview deutlich, dass er die Worte Stefanis schädlich für den Tourismus nach Italien halte. Und jetzt kommt ein schönes Zitat: "Wenn man sich äußere wie der Tourismus-Staatssekretär, dann müsse man sich darauf einstellen, dass Deutsche nicht nach Dalmatien oder nach Istrien fahren, sondern nach Spanien oder Frankreich".
Hoppla, nicht jeder der eine Zweitwohnung in der Toskana sein Eigentum nennt, weiß auch wo Italien anfängt und wo es aufhört. Oder um beim Thema dieser Kolumne zu bleiben: Dies ist eine sehr "späte Erkenntnis", denn es muss wohl in der Zeit vor Napoleon gewesen sein, als Istrien und Dalmatien zu Venedig gehörten.

Vielen Dank an den BBB-Leser H.B. aus Köln, der auf das Schily-Interview in Yahoo-Nachrichten vom 9.7. [Link] aufmerksam machte. Die BBB sind immer an Hinweisen und Anregungen interessiert.
Das gleiche Schily-Interview war einen Tag später in FTD abgedruckt [Link], mit geändertem Wortlaut zu Istrien und Dalmatien. Frage: Wurde hier nachträglich durch das Ministerium die Wortwahl des Ministers "verbessert"?



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