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3.3.2003 Helau und Alaaf: Hannover und Oberursel besser als Mainz und Köln


TUI wird Billig-Veranstalter und verkauft künftig über Aldi. Thomas Cook löst die zweite Hierarchieebene auf und streicht die Repräsentationskosten. Die Medien überschlugen sich mit diesen Meldungen, dabei war alles nur ein Faschingsscherz.
Oder etwa nicht?


Kommentar Karl Born:

Die lieblichen Städte Hannover und Oberursel waren bislang nicht gerade als Karnevalshochburgen bekannt. Aber dieses Jahr hatte TUI-Boss Dr. Frenzel ausgerechnet am Faschingssonntag Geburtstag und so dachte er sich einen besonderen Faschingsgag aus. Für ihn war es die Gelegenheit, auch den Rest des trockenen Banker-Images abzulegen und endlich ein „richtiger“ Touristiker zu werden, denen bekanntlich der Schalk immer im Nacken sitzt.

Also gab er der Branchen-Fachzeitschrift Touristik Report ein Interview, in dem er die bislang heilige TUI-Geschäftsphilosophie komplett auf den Kopf stellte. Nicht mehr Qualität, sondern „billig“ sei die künftige Marschroute. Zu den no frills-Flugzeugen kommen die no frills-Hotels. Es wird ein neuer Veranstalter eingeführt, noch unterhalb von 1-2-fly. Hapag-Lloyd-Flug muss mit den Kosten unterhalb der Low-Cost-Carrier gehen, es gibt künftig keine Last-Minute-Preise mehr, sondern Urlaubsreisen werden immer teurer, je näher es zum Abflug kommt. Die Medien überschlugen sich. „TUI stellt Preissystem auf den Kopf“ oder „Frenzel läutet neue Zeitrechnung bei den Veranstaltern ein“ so lauteten unisono die Überschriften quer durch den Blätterwald. Um die Sache noch glaubhafter zu machen, verkündete er, dass Hapag-Lloyd-Flug einen ausgesprochenen Cost-Cutter als neuen Chef bekäme und er lobte ausdrücklich den sagenhaften Erfolg von Hapag-Lloyd-Express und die sensationelle Auslastung der Flugzeuge. Leider war kein Mikrofon in der Nähe und so hörte man nicht, wie er dabei vergnügt den Faschingsschlager „uijuiuiuiui auwauwauwau“ vor sich hinpfiff. Der absolut größte Gag war jedoch, das Gerücht zu streuen, künftig würden TUI-Reisen über Aldi verkauft werden. Diese Meldung raste nicht nur wie ein Wirbelwind durch den Blätterwald, auch Radio und Fernsehen brachten diese Sensationsmeldung. Dummerweise vergaß die TUI-Presseabteilung der Börse vorab Bescheid zu sagen und so sauste der TUI-Kurs an dem der Telekom vorbei, leider in die falsche Richtung.

Das ließ natürlich Frenzels Dauerkonkurrenten Pichler, Chef des zweitgrößten europäischen Touristikkonzerns Thomas Cook nicht ruhen. Er verkündete ein neues Sparprogramm, obwohl nach landläufiger Meinung die Thomas Cook-Zentrale in Oberursel schon fast als kostenfreie Zone gilt. Die Reise- und Repräsentationskosten sollen um weitere 25% gesenkt werden. Auch diese Meldung fand sich quer durch die deutsche Presse wieder. Insider merkten natürlich sofort den Joke, denn bei Thomas Cook diese Kosten um weitere 25% senken zu können liegt auf der Wahrscheinlichkeitsskala auf gleicher Höhe, wie jemanden nach Verlassen des Finanzamtes noch berauben zu können. Außerdem sollen so schöne Titel wie Bereichsvorstand gestrichen werden, das zweithöchste Sakrileg in einer Firma, nur noch zu überbieten, wenn man dem Management Dienstfahrzeuge mit kleinerem Hubraum zumutet.

Um die Sache auf die Spitze zu treiben, gaben dann Frenzel und Pichler der FVW in Hamburg erstmals ein gemeinsames Interview. Demnach würde in der Branche nichts mehr so sein, wie es einmal war. „Die Preiskurve wird umgedreht“, die „Low-Costs sind die Könige“ usw. usw. Große Klasse, dieses Zusammenspiel der beiden Bosse. Kaum zu glauben, dass es vorher nicht eingeübt gewesen sein sollte. Der größte Genuss war jedoch das Titelbild. Frenzel und Pichler parodieren zusammen ein Bild wie vom spanischen Königshof, da haben sich beide übertroffen. Dabei konnte der kundige Betrachter feststellen, dass Frenzels Rolex das letzte TUI-Sparprogramm gut überstanden hat. Leider ist ein entsprechender Rückschluß bei Pichler nicht möglich.

Doch wie immer an Fasching, am Aschermittwoch ist alles vorbei:
TUI wird wieder zum Qualitätsanbieter und wird sicherlich (endlich) verkünden, worin der Mehrwert liegt, klassischen TUI-Urlaub zu buchen. 1-2-fly wird wieder zur preislichen Speerspitze. Hapag-Lloyd-Flug bekommt ein Leistungsprogramm verordnet und Hapag-Lloyd-Express muss Druck machen, damit endlich die Flieger voll werden.
Bei Thomas Cook dürfen doch alle zur ITB, schließlich hat man wieder einen eigenen ITB-Stand. Und der Lieblingsitaliener um die Ecke darf sich weiterhin auf den Besuch der Bereichsvorstände freuen.

Kompliment, die Insider hatten ihren Spaß und die legendäre LTU-Faschingsfete endlich ein Gegengewicht. Vielen Dank an die Initiatoren und Dr. Frenzel hatte garantiert einen schönen Faschingssonntags-Geburtstag (herzlichen Glückwunsch nachträglich).

Der Katzenjammer dieses Scherzes könnte allerdings noch kommen. Nach bislang unbestätigten Meldungen prüft Aldi, angesichts des niedrigen TUI-Aktienkurses, die TUI zu kaufen. Dann werden nächstes Jahr nicht wie fälschlich berichtet die Aldi-Läden TUI-Reisen verkaufen, sondern die TUI-Reisebüros verkaufen dann die Aldi-Produkte. Lassen wir dahingestellt, in welcher Variante mehr Geld verdient wird.



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