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Bücher von oder mit Beiträgen von Karl Born: Abschied von der Spassgesellschaft | Der integrierte Touristikkonzern | Kundenorientierung im Touristikmanagement | Kundenmanagement als Erfolgsfaktor


24.11.2003 Kundensofortbetreuung im Schneckentempo


Wenn es um Beschwerdemanagement geht steht die Reiseindustrie im
Rampenlicht der Medien. Dabei ist sie im Vergleich mit anderen Branchen eher vorbildlich. Im Kampf um einen Spitzenplatz in der späten Beantwortung eines Briefes belegt eine Versicherungsgesellschaft, die Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG, einen Top-Platz. Selbst nach mehr als vier Monaten wird der Brief eines Kunden nicht beantwortet. Die zuständige Abteilung hat aber einen tollen Namen: Kundensofortbetreuung.


Kommentar Karl Born:

Am 12.7. schreibt der Versicherungsnehmer an die Hamburg-Mannheimer und bittet um Aufklärung, weil innerhalb kurzer Zeit zwei Schreiben des Unternehmens eingingen mit unterschiedlichen Angaben zum Versicherungsstand.

Nach 52 Tagen geht ein Zwischenbescheid ein, ausgerechnet am Geburtstag des Versicherungsnehmers. Ein schönes Geburtstagsgeschenk: Einen verspäteten Zwischenbescheid statt Geburtstagskarte, soviel zum Thema „den Kunden kennen“.

Den Inhalt des Zwischenbescheides der Hamburg-Mannheimer muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Bissigen Bemerkungen streben bekanntlich an, die Ereignisse mit der „ihr eigenen Ironie zu Wort kommen zu lassen“, weil das wahre Leben jede Fantasie noch übertrifft. Aber dieser Zwischenbescheid geht noch weiter: Er enthält Phrasen pur in einer Hardcore-Variante, dass man im ersten Moment eher an einen Scherz von der Marke „Vorsicht Kamera“ glaubt.

Hier einige Auszüge:
„Betr.: EDV-Systemumstellung“
Kommentar: Man befürchtet zu recht, da kann nichts gutes kommen.

Etwas weiter dann „diese Systemveränderung wird uns künftig in die Lage versetzen, schneller, umfassender und serviceorientierter auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse zu reagieren“
Kommentar: Der Phrasenschaum beginnt sich aufzublähen.

„Dies betrachten wir –als einer der großen und finanzstarken deutschen Versicherer- als unsere Verpflichtung Ihnen gegenüber.“
Kommentar: Sich einmal selbst gelobt, aber noch immer nichts Konkretes für den Kunden.

„Wir bitten daher um Ihr Verständnis, dass es derzeit zu längeren Bearbeitungszeiten kommen kann“
Kommentar: Eine in etwa Angabe, was unter „längeren Bearbeitungszeiten“ zu verstehen ist, wäre besser gewesen.

„Umfassender Kundenservice besitzt für die Hamburg-Mannheimer eine sehr hohe Bedeutung“
Kommentar: Auch diese Phrase hilft dem Kunden nicht wirklich weiter.

„Diesen Anspruch zu erfüllen – das liegt uns am Herzen. In Ihrem Sinne. Und für Ihre Zukunft.“
Kommentar: Vom katastrophalen Deutsch mal abgesehen, wer diesen Phrasenmist ohne Übelkeit schlucken kann, muss schon ein harter Typ sein. Einen solchen Unsinn ernsthaft als Zwischenbescheid anzubieten, bedeutet seine Kunden zu beleidigen.

Aber die Krönung für einen Zwischenbescheid nach 52 Tagen ist der Absender: Hamburg-Mannheimer Kundensofortbetreuung.
Kommentar: Da möchte man nicht der Normalbetreuung in die Hände fallen.


Der Versicherungsnehmer, nachdem er seine Übelkeit überwunden hat, wartet weiter geduldig auf eine Antwort auf seinen Brief. Einen weiteren Monat später ist die „Kundensofortbetreuung der Hamburg-Mannheimer“ noch immer in ihrem Geschwindigkeitsrausch gefangen. Der Versicherungsnehmer schreibt nun eine Erinnerung an die Gesellschaft und macht parallel den Vorstand auf das firmeneigene Tempo aufmerksam. Wer jetzt endlich eine Antwort erwartet hatte, wird wiederum enttäuscht.

Zwischenbilanz heute: Nach mehr als vier Monaten (exakt 134 Tagen) noch immer keine Antwort auf einen Kundenbrief.
Aber das Schlechte hat ja immer auch etwas Gutes: Es kann als abschreckendes Beispiel dienen.

Eines weiß ich jetzt schon, sollte ich eines Tages merken, dass „das Ende naht“, werde ich versuchen die Gesellschaft im voraus über mein Ableben zu informieren, damit die Erben auch noch etwas vom Geld haben. Und sollte es für meine Kinder zeitlich knapp werden mit der Auszahlung, dann haben vielleicht die Enkel noch eine Chance.

Just for info, falls jemand von der Hamburg-Mannheimer diese BBB liest. Dies sind die Grundregeln für ein effektives Beschwerdemanagement:
1. Soziale Kompetenz
2. Die Antwortzeit ist entscheidend
3. Eine zeitnahe Beschwerdestatistik auf den Tisch der Verantwortlichen
4. Briefe an die Geschäftsführung auch über die Geschäftsführung beantworten
5. Die Beschwerdeursache auch beseitigen
6. Den Kunden aktiv um seine Meinung bitten




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