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06.01.2003 - “Top of the World” oder “Flop of the World”


Der Kurdirektor von St. Moritz, Hanspeter Danuser, Spitzname „Alpendino“, bemängelt in einem Interview im Schweizer Reiseratgeber „Destination“, dass nur ca. 15% des örtlichen Hotelpersonals dienstleistungsmäßig engagiert seien. Ein aktueller persönlicher Test in St. Moritz hatte zum Ergebnis, dass selbst diese 15% sich noch versteckt halten. Trost nach dieser leidvollen Erfahrung: Nur 60 Km entfernt von St. Moritz befindet sich das „Paradies“.

Kommentar Karl Born:

St. Moritzer Hotelpioniere haben Geschichte geschrieben. Der Kurdirektor von St. Moritz, ein rühriger und kreativer Typ, versucht auf dieser Tradition aufzubauen. Seinen größten Coup landete er 1986. Er ließ St. Moritz als Wortmarke schützen und führte mit dem Brand „St. Moritz – Top of the World“ den weltweit ersten Label für einen Ferienort ein. Chapeau für diese Idee.

Was die Hardware von St. Moritz betrifft, ist diese Positionierung fast ein Selbstläufer. Aber in der Dienstleistung kennen wir auch den Begriff der Heterogenität. Dies bedeutet, dass Dienstleistungen zum größeren Teil persönliche Leistungen sind und demzufolge die gleiche Leistung von verschiedenen Menschen und an verschiedenen Orten unterschiedlich erbracht werden kann. Genau das macht es schwierig, Dienstleistungen auf „Markenniveau“ zu bringen. Hier zählt nicht „Gastfreundschaft hat bei uns Tradition“, sondern nur, ob das Versprechen „Top of the World“ auch täglich gelebt wird.

Die ortsansässige Geschäftswelt hat diese Botschaft verstanden. Unbestrittenerweise macht es Spaß in St. Moritz einzukaufen. Dieser Spaß ist zwar finanziell mit einem „Höhenzuschlag“ belastet, aber die Freundlichkeit dafür auch inklusive.

Allgemein bekannt ist allerdings auch, dass die örtliche Hotellerie den Begriff „Top – of the World“ nur für die Höhe der Arroganz gegenüber den Kunden verstehen will. Wenn in einem sog. Spitzenhotel, wie z. B. dem traditionsreichen Badrutt`s Palace-Hotel, man sich an der Rezeption weigert, einen im Hotel befindlichen Gast anzurufen, dann als Ausgleich beim Mittagessen gleich zweimal hintereinander die Menübestellung „verschlampt“, dann weiß man, dass in der Tat der Kurdirektor recht hat, wenn er meint, dass „das Potenzial der Mitarbeiter bei weitem nicht ausgeschöpft sei“. Also unternehmen wir einige Zeit später einen weiteren „Potenzial-Test“. Der Ober schöpft erneut sein Arroganz-Potenzial bis zum Rande aus. Die Suche nach einem „geeigneten“ Tisch, obwohl viele frei, erweist sich als sehr unlustig. Die Garderobe soll vor dem Restaurant auf zwei Stühlen abgelegt werden, obwohl der Kleiderberg bereits Engadiner Bergniveau erreicht hat. Nein, Danke. Da kann man die gerade (freundlich) erworbene Jacke gleich auf der Straße verschenken. Wie heißt es (leicht arrogant) auf der Homepage dieses Hotels: „Schließlich wurde hier das elektrische Licht eingeführt, als in der Schweiz die meisten noch buchstäblich im Dunkeln tappten.“ Hallo Aufwachen! Dies ist heute kein USP mehr. „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen“, dann trägt der Ober nur deshalb die Nase noch so arrogant hoch, weil dem Hotel das Wasser bis dahin steht.

Dummerweise ist jetzt noch jemand in der Kurdirektion auf die fast wahnsinnige Idee gekommen, während der Hauptsaison, im Februar 2003, die Alpine Ski-Weltmeisterschaft nach St. Moritz zu holen. Es werden jetzt schon Wetten angenommen, dass bei dieser praktizierten Unfreundlichkeit, danach das Label heißen wird: „St. Moritz – Flop of the World“.

Aber lieber Tourist, der Du noch Wert darauf legst, als Kunde behandelt zu werden. Gönne Dir 60 km Fahrt in das Unter-Engadin in den kleinen Ort Ftan. Dort findest Du das „Paradies“. Das Hotel heißt nicht nur so, es ist auch das Paradies. In einem Punkt ist es sogar noch besser: Für die Kundschaft wird kein Apfel gereicht, sondern ein Sternemenü geboten und das besonders freundliche Personal hat reichlich vom Baum der Erkenntnis (über eine vorzügliche Dienstleistung) gegessen.

Die Folgerung daraus zu ziehen „small is beautiful“ wäre falsch. Richtig muss es heißen: „customer orientation is beautiful“. Übrigens: Nur ein Schelm würde diesen Gedankengang auf die FVW-Marktanteilsstatistik 2002 übertragen.



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