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5.7.2004 Wenn Hamann, Jeremies und Kollegen eine Fluggesellschaft leiten…


Um die Leerkapazitäten des überdimensionierten Flughafens Hannover zu füllen, verhandelt der neue Flughafen-Chef Hille mit der englischen Fluggesellschaft EasyJet. Das missfällt dem bisherigen Homecarrier Hapag-Lloyd Express so sehr, dass er mit der Verlegung seines Standortes nach Hamburg oder Bremen droht. Die Muttergesellschaft TUI verstärkt den Druck, indem sie zusätzlich mit dem Abzug der Fluggesellschaft Hapag-Lloyd Flug droht. 1.100 Arbeitsplätze am Flughafen stehen somit auf dem Spiel. Der Flughafen-Aufsichtsrat stärkt dem Flughafen-Chef den Rücken.
Der Ärger von TUI/Hapag Lloyd Express ist verständlich, aber ist die Reaktion auch strategisch klug?
Der Lernerfolg aus dem missglückten Angsthasen-Auftritt unserer Fußball-Nationalmannschaft bzw. dass nur die Umsetzung einer klaren Strategie zum Erfolg führt, hat sich offensichtlich noch nicht bis in die Führungsetagen der Touristik herumgesprochen.


Kommentar Karl Born:

High Noon am Flughafen Hannover, fast wie im Western.

Auf der einen Seite, der neue Boss des Flughafen Hannover, der die Leerkapazitäten, seines unter EXPO-Träumen etwas zu groß geratenen Airports füllen muss. Das ist der Job, der ihm aufgetragen wurde. Er weiß, da hilft nur Offensive. Der Colt ist bereits gezogen, rot auf weiß blinkt am Schaft die Schrift „EasyJet“. Ob damit sein Problem gelöst werden kann, ist sehr ungewiss.

Auf der anderen Seite, der Boss der Low-Cost-Fluggesellschaft Hapag-Lloyd Express. Er hat viel Geld investiert, sehr viel Geld, wenn nicht sogar zuviel Geld. Das Weideland will er mit keinem Konkurrenten teilen. Auch er hat den Colt gezogen, schwarz/gelb blinkt am Schaft die Schrift „Wenn ich mich weiter ärgern muss, haue ich ab“. Und seine Verwandtschaft ruft im Chor: „Wir auch“.

Jeder Drehbuchautor, würde damit seinen Job verlieren.

Leider sind wir nicht beim Film, sondern im realen Wirtschaftsleben.
Analyse 1:
Der Airport-Boss hat in der Tat ein Problem, er braucht mehr Kundschaft. Den gibt es in der Regel durch mehr Wettbewerb. EasyJet und Ryanair leiden unter dem Ruf, dass sie nur kommen, wenn sie mit dicken Subventionen „gerufen“ werden. Eine solche Entscheidung, würde ein Happy end für den Airport-Chef ausschließen. Gehen wir davon aus, dass er das weiß.

Analyse 2:
Dass Billigfluggesellschaften Konkurrenz am gleichen Airport gerne meiden, ist eine Binsenweisheit. Drohgebärden für Verhandlungen aufzubauen ist taktisch immer geschickt, sie öffentlich zu machen weniger. Zusätzlich mit dem großen Bruder und mit der Mutter zu drohen, ist ein Eingeständnis, dass man allein zu schwach ist.

Analyse 3:
Wäre ein Weggang (faire Wettbewerbsbedingungen vorausgesetzt) strategisch überhaupt sinnvoll. Die Antwort ist ziemlich eindeutig „Nein“.
a) Es ist davon auszugehen, dass HLX den Standort Flughafen Hannover gewählt hat, weil dieser bessere Bedingungen (technisch, geografisch und kaufkraftmäßig) bietet, als die anderen norddeutschen Flughäfen. Warum sich freiwillig verschlechtern und den besseren Standort konkurrenzlos an Easyjet abgeben.
b) Den eigenen Winterflugplan (aus Trotz) noch nicht freigeschaltet zu haben, schadet nur der eigenen Tasche und freut die Konkurrenz!
c) Ein Weggang würde den bisher gewonnen sog. „First-Mover-Vorteil“ verspielen, also den Wettbewerbsvorteil, den immer der erste Anbieter am Markt erzielt. Also besser diesen nutzen (z.B. mit dem eigenen Flugplan Positionen besetzen, am Flughafen sich die besten Plätze sichern, sich mit Werbung im Kopf der Verbraucher platzieren usw.) und mit den bisherigen örtlichen Konkurrenten Allianzen gegen die neue Konkurrenz bilden (siehe in Berlin Air Berlin und Germania).
d) EasyJet hat inzwischen eigene Probleme. Die Ergebnisvorhersagen mussten schon zweimal korrigiert werden, der Aktienkurs brach letzten Monat ein. Sollte Easyjet nach Hannover kommen und die bisherigen Anbieter ziehen weg, müsste der Flughafen EasyJet künftig unter allen Umständen stützen. Kommt EasyJet im Konkurrenzkampf mit den bisher Etablierten in Schwierigkeiten, sieht dagegen der Flughafen alt aus.
d) Wenn HLX jetzt mit Druck Easyjet verhindert, was geschieht wenn sich künftig Fluggesellschaft X, Y oder Z bewirbt?

Und vor allem liebe HLX, warum habt ihr überhaupt angst vor Easyjet?
Erstens ist es gegenüber eurem obersten Konzernboss ein taktischer Fehler. Der denkt ohnehin ziemlich anglophil und glaubt die Briten können alles besser. Mit eurer Angst vor EasyJet bestärkt Ihr ihn auch noch darin.

Zweitens gibt es überhaupt keinen sachlichen Grund sich vor Easyjet zu fürchten. Der künftige Wettbewerb, auch unter den Billigfluggesellschaften, wird eben nicht mehr allein über den Preis ausgetragen werden. Marke und Qualität werden daneben wieder wichtiger werden (siehe Entwicklung in USA).

Drittens kramt nochmals von SWF3 den Test über die Billigfluggesellschaften aus. Dort belegten die Fluggesellschaften Air Berlin (165 Punkte), Germanwings (164 Pkt. und Hapag-Lloyd Express (163 Pkt.) die ersten Plätze. Die ausländischen Airlines wie der KLM-Ableger Buzz (154 Pkt.), EasyJet (132 Pkt.), Ryanair (126 Pkt.) und die von Easyjet übernommene Go (115 Pkt.) landeten weit abgeschlagen. Über Hapag-Lloyd Express wurde geurteilt: „Man merkt nicht im Billigflieger zu sitzen, Sicherheit und Preis Superklasse. Einziger Haken, die Flugziele, da bieten andere mehr!“
Eben!

Zitieren wir zuletzt den Europameister unter den Trainern, Otto „Rehakles“. Er würde in dieser Situation vor der Belegschaft stehen und sagen:
„Männer (auch zu den weiblichen Beschäftigten), wer sind diese Briten? Wir brauchen erstmals eine starke Abwehr und eine klare Strategie. Jeder macht was er kann und im Billigfluggeschäft ist alles möglich!“


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