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Die Geschichte des Reiserechts muss umgeschrieben werden – dank Sigmar Gabriel

Er ist schon ein richtiger Tausendsassa, unser Außenminister. Er ist kein Diplomat wie sein Vorgänger Steinmeier. Gabriel ist schnell, manchmal so schnell, dass nicht alle Gedanken hinterher kommen.

Seit fast Jahrzehnten galt in Deutschland: Das Auswärtige Amt befasst sich mit der Gefahrenlage für Deutschen im Ausland in zwei Varianten:

Reisehinweise und Reisewarnungen.

Reisehinweise soll heißen: Achtung, aufpassen, es gibt Probleme, also eine Art Gefahren-Ampel, die auf Gelb steht.

Reisewarnung soll heißen: Nichts geht mehr. Das Zielgebiet ist zu gefährlich, die Gefahren-Ampel steht auf Rot. Konsequenz: Der Veranstalter darf keine Touristen hinbringen und muss jene, die vor Ort sind, schnellstens zurückbringen. Wer für dieses Zielgebiet schon seinen Urlaub gebucht hat, darf kostenfrei stornieren.

Gabriel hat dieses eingeübte Verfahren erweitert.

Dritte Variante: Reisewarnung, die aber Reisehinweis heißt

Im Juli gab das Auswärtige Amt, lt. Gabriel auf seinen besonderen Druck, eine sehr heftige Reisewarnung für die Türkei heraus (Gefahr willkürlicher Verhaftungen usw.), nannte sie aber “modifizierten Reisehinweis”. Oder, um im obigen Beispiel zu bleiben: Die Ampel ist rot, wir sagen aber, sie sei weiterhin gelb (na ja, vielleicht ein etwas dunkleres Gelb). Damit konnten die deutschen Reiseveranstalter gut leben. Auch der Deutsche Reiseverband wurde nicht müde, das schöne Gelb der Ampel zu loben. Nach dem Motto: Alles bestens, nur in einem Punkt Vorsicht: Solltet ihr eventuell Erdogan auf der Straße sehen, wechselt vielleicht sicherheitshalber die Straßenseite.

Jetzt gibt es neu sogar eine vierte Variante: Die rote Ampel, die man nur in der Provinz sehen kann.

Der umtriebige Gabriel hat noch einen draufgesetzt. Von seinem Wohnort Goslar aus ließ er die Öffentlichkeit wissen, dass er von Reisen in die Türkei warne oder abrate oder wie auch immer formuliert. Da kamen seine Beamten im Auswärtigen Amt aber ins Rotieren, die Blutdrucksenkungsmittel sollen in Minuten verbraucht gewesen sein. War bestimmt nicht einfach Herrn Gabriel darauf hinzuweisen, dass diese Äußerungen nicht ganz konform mit den „modifizierten“ (schöne vernebelnde Beschreibung) Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes seien. Ergebnis, seine neue Verlautbarung sei seine private Meinung. Wenn er am Montag wieder im Büro sei, dann gelte natürlich seine offizielle Meinung. Was wiederum nicht so ganz einfach ist. Unsere Bundeskanzlerin wird nicht müde zu betonen, dass sie immer im Dienst sei, auch wenn sie in der Uckermark sei. So wird also (im Normalfall) auch Gabriel (immerhin Außenminister und Vizekanzler) behaupten, dass er immer im Dienst sei. Insofern könnte es schwierig sein, im Dienst, gezielt seine Privatmeinung in die Presse zu lancieren. Unbestätigten Meldungen zufolge soll sich Gabriel wie folgt aus der Affäre gezogen haben. Wenn er in Goslar privat auf die Gefahren-Ampel schaue, sehe er Rot. Bei anderen Lichtverhältnissen in Berlin zeige die gleiche Ampel aber Dunkelgelb.

Dann ist doch alles klar, oder doch nicht? Was ist, wenn ein Kunde nun vor Gericht klagt, dass er nicht kostenlos stornieren darf und sich dabei auf Gabriel bezieht (m.E. genügt dafür schon der letzte sog. modifizierte Reisehinweis). Er wird bis zur obersten Instanz gehen müssen. Aber aussichtslos ist es nicht. Kein Wunder, dass die Branche nervös ist.
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In eigener Sache:
Ja, es gibt sie noch, die BBBs. Inzwischen haben eifrige Leser (Danke!) gefragt, warum keine BBBs mehr erschienen seien. Die BBBs haben einfach nur noch Pause gebraucht. Die Realität ist zur Zeit ohnehin besser als jede Satire. Der Außenminister stellt die Regeln des Auswärtigen Amts auf den Kopf, der Bundestag verabschiedet nachts um 1 Uhr (ganz leise, damit es vielleicht keiner merkt) ganz miese Europäische Pauschalreiserichtlinien, der BER ist noch immer nicht eröffnet und Wöhrl macht mal wieder PR-Welle (sein Buch steht zur Veröffentlichung an). Braucht es bei diesem realen Wahnsinn BBBs? Ja, gerade jetzt. Die BBBs wird es weitergeben, wenn auch unregelmäßig. Und ich nehme mir die Freiheit auch nicht alles beißen zu müssen, was gerade so durch die Gazetten getrieben wird, um kleine PR-Lüftchen nicht größer zu machen als sie sind.

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