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Rennschnecke DRV

Sie haben es getan. Der Deutsche ReiseVerband (DRV) hat seine Jahrestagung in der Türkei abgesagt. Die BBBs haben schon vor fünf Wochen diese Absage gefordert (siehe BBB vom 25.7. „Der Deutsche Reiseverband sollte seine Jahrestagung in der Türkei absagen – und zwar sofort“), jetzt endlich hat sich der Verband dazu durchgerungen. Und er hat sich unerklärlicherweise schwer damit getan. Noch vor einer Woche antwortet der DRV auf eine Anfrage des Branchenblattes touristik aktuell mit Sätzen, deren Heißluftpotenzial auch einem Minister de Maiziere oder Minister Steinmeier zur Ehre gereicht hätte: „Wir bitten noch um etwas Geduld“, „Man beobachte alle Entwicklungen sorgfältig, einschließlich der möglichen Auswirkungen und gegebenenfalls der erforderlichen Maßnahmen“ bis hin zur absoluten sprachlichen Krönung „Angesichts der Komplexität der Entscheidung und der vielfältigen Aspekte….“. Bla, bla, bla – die Chance ein Zeichen zu setzen hat der DRV vertan. Seine Mitglieder haben ihm die Gefolgschaft verweigert. Nachdem sich nur ca. 1/3 der üblichen Teilnehmer angemeldet hatten, war selbst diese Zahl seit Wochen stark rückläufig. Der DRV lief Gefahr in Kusadasi quantitativ nur noch eine erweiterte Vorstandssitzung abzuhalten. Reaktion statt Aktion.

Spätestens als Mitte August die Meldung „Türkei lockert Verbot von Sex mit Kindern“ durch die Medien tickerte (immerhin eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichtes, also höchstrichterlich) wartete ich stündlich auf eine Reaktion des DRV. Schon 2011 hatte der DRV einen Verhaltenskodex zum Kinderschutz unterschrieben, der vom BTW 2005, im Beisein von Königin Silvia, nochmal medienwirksam bekräftigt wurde. Gerade weil von türkischer Seite der (eigentlich unzweifelhafte) Gehalt dieser Entscheidung sofort in Frage gestellt wurde, hätte man zumindest eine Stellungnahme des DRV in der aktuellen Einschätzung der Entwicklung der Türkei erwartet. Stattdessen ist der DRV abgetaucht.

Auch ansonsten gibt es kein Kommentar des Reiseverbandes zur problematischen Entwicklung in der Türkei.

Der „Cirque du Soleil“ hatte schon vorher seinen für nächsten Monat geplanten mehrwöchigen Auftritt in der Türkei abgesagt. Da hätte man doch locker unter der Überschrift „Zirkus in der Türkei abgesagt“ mitsegeln können.

Parallel dazu waren Reaktionen aus der deutschen Wirtschaft eindeutiger. Die „Deutsche Messe AG“ beispielsweise sagte ihren türkischen Messeableger „Cebit Bilsim Eurasia“, mit über 1.000 internationalen Firmen eine der wichtigsten Messen in Eurasien, die Anfang Oktober in Istanbul stattfinden sollte, ab. Sie soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Nun soll die DRV-Jahrestagung zum gleichen Zeitpunkt in Berlin stattfinden. Da Vorstandswahlen anstehen, kann nur eine ausreichende Beteiligung an einer solchen Tagung eine Legitimation des zu wählenden Vorstandes garantieren.

Auch die so drängende Frage „Neue EU-Pauschalreiserichtlinie“ wird dann wahrscheinlich der zentrale Punkt der Diskussion sein. Auch hier hat sich der Verband nicht mit Ruhm bekleckert. Ein großes Aufschreien jetzt, nachdem der Entwurf vorliegt, wird erfahrungsgemäß nicht mehr viel bewirken. Es ist eine Binsenweisheit, dass erfolgreiche Lobbyarbeit zu einem Zeitpunkt wirken muss, bevor ein erster Entwurf vorgelegt wird. Sicherlich hat der DRV mit genügend Menschen in der Politik gesprochen, leider nicht mit den richtigen „Entscheidern“. Nachdem bekannt wurde, dass im Unterschied zu Deutschland, ändere Länder wie z.B. Niederlande und Österreich, die fragwürdige Brüsseler Novelle ablehnten, muss man sich noch mehr ärgern. Ich frage mich, wer hat Deutschland zur Zustimmung beeinflusst?

Diese unsinnige Gesetzesänderung trifft in erster Linie die deutschen Reisebüros. Entgegen aller Unkenrufe haben sie sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder erneuert und dadurch überlebt. Was das Internet bislang noch nicht geschafft hat, besorgt jetzt die Bundesregierung. Ein Drama. Als Verbandsverantwortliche eines Verbandes, in deren Ägide diese Entscheidung fällt, würde ich mich da richtig schlecht fühlen.

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