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Direct4you in den Sturzflug

Es war einmal eine wunderbare Airline. Kunden, Mitarbeiter, fast eine ganze Nation waren stolz darauf. Ok, man war einst Staatsbetrieb. Dementsprechend „gut ausgestattet“ mit Personal, Einrichtungen, Hierarchien, Doppel-Abläufen usw. stürzte man sich in den Wettbewerb und merkte nicht (oder besser gesagt, man wollte nicht merken) wie sich der Wettbewerb veränderte. Hinzu kam, dass der vorherige Vorstandsvorsitzende in den damals „klassischen“ Fehler verfiel, sich stärker zu „internationalisieren“ und einige „Fußkranke“ des Marktes aufkaufte. Aber aus „Lahmen“ wird leider kein Leistungssportler, wenn man nur das Dach Lufthansa drüberstellt. Ausnahmen, siehe Swiss, bestätigen die Regel.
Dabei sollte man aber nicht nur den Vorstandsvorsitzenden hinterfragen, sondern auch jene, die dort „Aufsicht“ führten und noch führen. Die zu hinterfragende Liste ist nicht kurz.
Leider hat man sich auch nicht ausreichend gewehrt, als unsere Regierung eine Belastung nach der anderen den Airlines aufbürdete. Vielleicht weil man glaubte es würde die Konkurrenz stärker belasten?

Auf die Bremse tritt man zumeist erst dann, wenn man sieht, dass die Uhr auf „Fünf vor Zwölf“ steht. Wenn man Pech hat, dann geht diese Uhr auch noch nach.

Aber der neue Vorstandsvorsitzende „will“ nun. Prima. Aber wie in vergleichbaren Fällen (entsprechende Namen kennt jeder) kommt die Ebene darunter, vor allem dann wenn es dort wenig „Kreative“ aber viele „Nachmacher“ gibt, auf absurde Ideen.

Kranke Idee Nr. 1: Wir „machen uns noch billiger“ als unsere billigste Konkurrenz.
„Direct4you“ als neuer Billigableger. Ja tickt Ihr noch richtig? Direkt4you, das ist billigste unterste Online-Schublade. Das sind jene pop-ups, die man findet, wenn man im Internet nach billigen Schuhen o.ä. sucht. Das sind jene Firmen, bei denen man die AGBs dreimal liest bevor man bucht. Das ist so schlimm wie der Schlecker-Claim „FOR YOU. VOR Ort“, nur auf Airline gemacht. Dabei hat man doch schon einen Preiswert-Ableger mit Germanwings. Ein Namen, der perfekt zu Lufthansa passt. Diese Airline etwas kapazitätsmäßig „aufgeblasen“ und für den Wettbewerb „schärfer positioniert“? Aber das wäre Arbeit und Mühe. „Direct4You“, selbst wenn es nur ein Arbeitstitel sein sollte, das ist die „falsche Denke“.

Kranke Idee Nr. 2: Wir verärgern unsere besten Kunden.
Die kurzfristige Umgestaltung der Miles & More-Regelung trifft die Lufthansa-Edelkunden. Waren das nicht jene, die im Fokus des LH-Marketings standen? Und wenn es stimmen sollte, was man in der financial times lesen konnte, dass es eine LH-interne Email geben soll mit dem Inhalt: „Die Kommunikation an die Kunden erfolgt ab dem 20. Dezember, nicht zu früh, damit die Kunden nicht vorab noch viele Tickets mit den günstigeren Meilenwerten buchen“ dann kennt man die wahren Gedanken über die Kunden. Gab es nicht schon einmal das Gerücht, bei LH würde hinter manchem Kundennamen „RAL“ stehen, für besonders nervige Kunden. Ausgeschrieben soll das eine Bezeichnung sein, die mit „Riesen…“ beginnt, dann kommt ein „A“ und es endet mit „..loch“ (siehe BBBs vom 28.11.2011).

Kranke Idee Nr. 3: Wir verärgern unseren stationären Vertrieb.
Genau jetzt, in der kritischen Umbauphase verärgere ich auch den stationären Vertrieb und kippe die Service Charge. Das gibt zwar mächtig Ärger, aber die Reisebüros werden kurz schreien und dann sich wieder beruhigen. Wie immer. Mit Letzterem, hat LH vielleicht sogar recht.

Kranke Idee Nr. 4: Jetzt demotivieren wir nachhaltig unser Personal
Unbestritten muss auch an dieser Stelle etwas getan werden. Aber der BILD-Artikel „die Hälfte des Personals wird gefeuert“ und „die verbliebene Hälfte wird in eine neue Gesellschaft ausgegliedert“ ist entweder ein gedanklicher GAU der Personalabteilung oder ein Kommunikationsgau, wahrscheinlich beides.

Schreck Nr. 5: Der Brief vom Passagevorstand Carsten Spohr an die Mitarbeiter
Abgesehen davon, dass ausgerechnet im Brief des Vertriebsvorstands das Wort Kunde nur einmal, und da nur en passant vorkommt. Der Schocker war ein anderer Satz: „Wenn möglich wollen wir kein Flugzeug älter als 25 Jahre einsetzen“. Oh weh. Über diese Marketingvorlage wird man sich bei Air Berlin, TUIfly u.a. angesichts derer junger Flotte so richtig gefreut haben.

Fazit:
Wie schrieb Carsten Spohr am Ende seines Briefes an die Mitarbeiter: „Das alles hat nur Erfolg, wenn es Ihnen gelingt unsere täglich 170.00 Gäste zu überzeugen, dass ihre Entscheidung für Lufthansa richtig war, ist und bleibt“.

Eine echte Herausforderung für diese Mitarbeiter:

Aber jedem, der einmal Lufthanseat war, blutet das Herz, wie hier eine Marke in den Sturzflug getrieben wird. Aber die Liste vergleichbarer Markenvergehen lässt sich locker fortsetzen.

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Lufthansa und „direct4you“ war schon das Thema der Woche. Deshalb mussten zwei andere Geschichten verschoben werden.

Ramsauer interpretiert den ihm u.a. anvertrauten Flugverkehr so, dass kein Minister soviel fliegt wie er. Was er von einzelnen Zielen lernen kann, bleibt
(s)ein Geheimnis. Aber vielleicht kann er überall dazulernen.

Und dieser Anblick darf nicht unerwähnt bleiben. Vollsperrung der Autobahn zwischen Hannover und Wolfsburg. Warum? Weil Frau Merkel mit dem chinesischen Staatspräsidenten im Bus von Hannover nach Wolfsburg gefahren ist. Die Bilder der Harmonie und des gegenseitigen Verstehens zwischen Merkel und dem chinesischen Staatspräsidenten („Merkozy light“) auf der Messe Hannover und die Fahrt mit dem Bus und ca. 20 Limousinen als Geleitschutz auf einer gesperrten Autobahn???? Alles normal? Wenn mir jetzt noch jemand kommt, liebe Leserinnen und Leser, Sie wissen schon was ich meine, und mir über Menschenrechte und Tourismus Vorhalte macht, dann drehe ich total durch. Versprochen.

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Billigflieger pfeifen auf EU-Gesetz

„Billigflieger pfeifen auf EU-Gesetz“
Focus, 10.11.08

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Spuck oder Spuk und andere Irrungen

Da hat sich manche Leserin und mancher Leser der Bissigen Bemerkungen leicht verwundert die Äuglein gerieben, dass in den BBBs von letzter Woche die Ryanair Spucktüte grammatikalisch etwas fragwürdig als Spuktüte bezeichnet wurde. Die Erklärung ist relativ einfach: An Bord der Ryanair gibt es überhaupt keine Spucktüten, also kann man nur von Spuktüten sprechen (zugegeben, da hat Freud etwas den Autor gelenkt). Vielen Dank für Hinweise aus der Leserschaft plus entsprechender Schilderung, wie schwierig es an Bord ist, wenn jemand wirklich “muss“ („da bleibt nur der Kaffeebecher“). Ein davon Betroffener drückte es so (drastisch) aus: „An Bord der Ryanair kann man nicht einmal richtig kotzen“.

Aber Ryanair wird in Kürze noch mehr zur Spuk-Airline. Vom 22. Februar ab 22 Uhr bis 25. Februar um 23 Uhr wird Ryanair seine Buchungszentrale abstellen. Während dieser Zeit geht praktisch garnichts. Die Kunden können keine Tickets über das Internet buchen (normalerweise 90% des Buchungsaufkommens), können keine Buchungsabfragen starten und keinen Online-Check-In durchführen. Hintergrund dürfte ein Eingreifen der britischen Wettbewerbsbehörde sein, die von Ryanair mehr Transparenz bei der Preisgestaltung fordert. Endlich!!

Wer nun denkt, dass die ansonsten „laute“ Airline ihre Kundschaft auf diese Tatsache genügend aufmerksam macht, der irrt. Auf der Homepage ist nur ein lapidarer Hinweis in absoluter Minigröße zu lesen: „Ryanair.com Systembuchungszentrale aus-22. bis 26.Feb 08“. Das hat einen Hauch von „Deutsch für Beginner“.

Umso größer, mehr als 20x so groß, steht drüber die übliche Ryanair-Werbung „Garantiert die günstigsten Tarife ab 5€“. Und daneben öffnet sich ein Pop-up-Fenster mit dem Text “Keine versteckten Gebühren“. Ist das nicht putzig, wenn ein Anbieter bei der eigenen Sonderwerbung bescheinigen muss, dass diesmal das Publikum nicht „beschissen“ wird?

Wie schrieb die Fachzeitung fvw sehr treffend: „Schluss mit lustig bei Europas größtem Billigflieger“. Vielleicht ist demnächst auch „Schluss mit undurchsichtiger Preisgestaltung“. Das wäre für die Verbraucher besonders lustig.

Eine andere Meldung aus der Welt der Fliegerei bleibt noch nachzutragen. Mit Bissigen Bemerkung vom 14.1.2008, „Mein Knut heißt Tempelhof“, berichteten wir über das in seiner Art einmalige Berliner Volksbegehren „Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen“. Zu diesem Zeitpunkt hatten 137.000 Bürger (bei 170.000 notwendigen) unterschrieben. Zitat aus den BBBs: „Das wird zwar knapp bis zum Ende der Frist am 14. Februar, aber man kann es noch schaffen“. Und wie!!! Die Berliner haben einen famosen Endspurt hingelegt und am Stichtag 14.2. waren es genau 203.408 Unterschriften. Da mögen nach Prüfung noch einige herausfallen, aber reichen wird es allemal.
„Un nu“, Herr Wowereit, wann steigen wir ab vom hohen Ross?

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