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Offener Brief an BILD: Betrifft Urlaubs-Mängel

Liebe BILD-Zeitung,
ihr fangt an zu schwächeln. Beweis: Eure halbe Seite „Urlaubs-Mängel“ in der Ausgabe vom 11.August. Ich habe dabei folgende Mängel zu vermelden:

1. Ihr seid langsam geworden. Zum 11.8. hat meines Erachtens bereits die Hälfte aller Deutschen Urlaub gehabt. Über solch grundlegende Erkenntnisse über die Möglichkeiten sich zu beschweren sollte man schon Anfang Juli informieren. Was sollen die armen Urlauber denken, die in den letzten Wochen ohne Eure Hilfe nichtwissend den Urlaubsmängel ausgeliefert waren.

2. Ihr habt Geld verschenkt. Was soll der Hinweis „zuerst ohne Anwalt“ sein Glück beim Reiseveranstalter zu suchen. Hier wäre Cross-Marketing mit der Anwaltskammer angebracht gewesen. Der gegenteilige Hinweis, nämlich immer und sofort einen Anwalt einzuschalten, hätte nicht nur einigen unterbeschäftigten Anwälten Arbeit gegeben, zusätzlich wäre die Anwaltskammer bestimmt bereit gewesen dafür Honorar zu zahlen. Dieses Geld hätten natürlich nicht die Autoren des Artikels einstreichen sollen, sondern dafür hätte man ein Hilfswerk für „nicht entschädigte Urlauber“ gründen können.

3. Eure Beschwerdehinweise sind nicht perfekt. Es ist zwar richtig, dass man die Mängel fotografieren soll. Aber zum Beispiel bei Kakerlaken ist dies wenig hilfreich. Eine fotografierte Kakerlake wirkt überhaupt nicht ekelerregend. Da muss man schon härtere Geschütze auffahren. Ein Dutzend lebende Kakerlaken in einen Schuhkarton, mit Luftlöchern und Futter versehen –damit es keinen Ärger mit Tierschützern gibt- und ab an den Reiseveranstalter. Wenn diese Tierchen über den Schreibtisch des Sachbearbeiters klettern ist schnelle Bearbeitung des Vorgangs sichergestellt.

4. Ihr weckt falsche Hoffnungen. Da steht in Eurer Tabelle „Kein Gepäck an 5 bis 12 Reisetagen = 30% pro Fehltag“. Der normale, gutgläubige BILD-Leser rechnet doch dann bei 10 Fehltagen mit 30% x 10 Tagen = 300% vom Reisepreis. Ich vermute mal, dass diese Summe auch mit Anwalt nur schwer durchzusetzen sein wird.

5. Bestimmte schwerwiegende Mängel fehlen in Eurer Liste. Ich bin seit wenigen Tagen selbst in Urlaub auf einer Kanarischen Insel. An den ersten Tagen schwamm ich morgens zu einer ca. 150 m vom Strand entfernten kleinen Insel und wieder zurück. Am 3. Urlaubstag war die Insel morgens verschwunden. Fotografieren war hier sinnlos, denn wie soll man etwas im Bild festhalten was nicht mehr da ist. Also beschwerte ich mich bei der Reiseleitung. Die faselte etwas von Ebbe und Flut. Ich habe nachgesehen, im Katalog steht kein Wort von Ebbe und Flut und schon gar nichts davon, dass dieses Phänomen in der Lage sei, ganze Inseln verschwinden zu lassen. Wieviel Prozent Minderung werde ich da verlangen können?

6. Es gibt auch noch härtere Urlaubsmängel. Ich habe gehört, dass ein Urlauber an seinen Veranstalter geschrieben hätte: „Ich hatte eine Woche Urlaub gebucht. Die ersten sechs Tage hat es geregnet. Zu meinem Entsetzen herrschte am Abreisetag schönes Wetter“. Was bekommt man für „Entsetzen“? Werden sich da die Veranstalter mit höherer Gewalt herausreden?

7. Ihr bereitet Eure Leser falsch auf den Urlaub vor. Meines Wissens ist Vorfreude ein wesentlicher Punkt für ein gelungenes Urlaubserlebnis. Außerdem gilt auch im Urlaub der Spruch „Wie man sich selbst verhält, kommt es zumeist auch zurück“. Keines von beiden kann gelingen, wenn ich den ganzen Tag mit Eurer Reklamationstabelle rumlaufe und mich dann noch ärgere, weil ich nicht auf 100% komme. Warum wird jedes Jahr immer aus Neue auf diesem Thema „herumgeritten“? Warum habe ich z.B. noch nie bei Euch eine gleichgroße Story gelesen „Lieber Leser: Dein Recht beim Kühlschrankkauf“ oder ähnliches.

8. Und außerdem sollte man berücksichtigen, dass übertriebene Beschwerden Panikreaktionen beim Personal hervorrufen können. Nach der Landung eines JetBlue-Flugzeuges in New York wies der Flugbegleiter eine Passagierin darauf hin, dass sie noch sitzenbleiben müsse „bis das Flugzeug die Endposition erreicht habe“. Der Flugbegleiter wurde danach von der Passagierin auf das übelste beschimpft und bekam einen Koffer an den Kopf. Daraufhin drehte der „arme“ Flugbegleiter durch, löste die Notrutsche aus, schnappte sich noch schnell ein Dosenbier und verließ mit den Worten „Das war`s“ das Flugzeug über die Rutsche.
Liebe BILD-Zeitung, seid Euch Eurer Verantwortung bewusst. Wenn wir ähnliche Geschichten demnächst aus Urlaubshotels hören sollten, dann könnte sein, dass Euer Mängelartikel irgendwie schuld daran sein könnte.

Nächstens ruft Ihr mich vorher an, bevor Ihr so ein Zeug schreibt.

Karl Born
der zur Zeit gutgelaunt und ohne Frankfurter Tabelle seinen Urlaub genießt.

Diese Bissigen Bemerkungen wurden vorab am 11.8. an die BILD-Zeitung geschickt, mit der Bitte zur Weitergabe an Kai Diekmann

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Du bist Deutschland

„Du bist Deutschland“ ist eine Kampagne für den Standort Deutschland. Im Ergebnis sollte man sich mit erfolgreichen typischen Deutschen identifizieren. Die Beispiele passen perfekt in die Zeit: „Du bist Schumacher“ oder „Du bist Porsche“. Na, ja?
Leider fehlt in der Kampagne der deutsche Tourist. Dabei ist er im Ausland die lebende Werbung für Deutschland und außerdem noch (Reise)Weltmeister, was man von Schumacher nicht mehr und von Klinsmann noch nicht sagen kann.
Also, lieber deutscher Tourist: „Du bist Deutschland“. Und hier noch einige hilfreiche Ratschläge, damit man dich auch sogleich als „Deutschland“ erkennt.

Lieber deutscher Pauschalreisender: „Du bist Thomas Cook“. Das wäre ein schöner Titel, aber leider war der Erfinder der Pauschalreise ein Engländer. Bleibt als Alternative: „Du bist Neckermann“. Und wie repräsentiert ein solcher Typ, stellvertretend wohlgemerkt, seine Spezie?

Der deutsche Tourist outet sich als solcher, in dem er frühmorgens (im Zweifel sehr früh morgens) als wichtigste Tagesarbeit seinen Liegestuhl reserviert. Dies geschieht vorzugsweise mit einem Handtuch, wie inzwischen die ganze Welt weiß. Der Reiseprofi reserviert aber nicht nur einen Liegestuhl, sondern mindestens zwei, weil bekanntlich im Laufe des Tages die Sonne wandert. Wer die Verbindlichkeit einer solchen Reservierung missachtet, kann sich schnell auf dem „Boden der Tatsachen“ wiederfinden. Dummerweise ist nicht allen deutschen Richtern diese Weltgewandtheit bekannt, denn anders ist es nicht zu erklären, dass dieser Tage ein 76-jähriger (also erfahrener) deutscher Tourist verurteilt wurde, weil er eine auf dem „besetzten Liegestuhl“ ruhende Dame dadurch verletzte, dass er einfach den Liegestuhl (mit Dame) umkippte.

Spätestens beim folgenden Nichtstun auf den Liegen zeigt der deutsche Tourist, dass er nie ohne seine Bibel verreist – die geheimnisvolle „Frankfurter Tabelle“. Ursprünglich als Hilfe für Frankfurter Richter gedacht, um Reisebeschwerden möglichst ähnlich zu entscheiden, ist sie inzwischen zu einer der meist gelesenen Gebrauchsanweisungen in deutscher Sprache geworden. Urlaubshoteliers, die einen deutschen Touristen mit diesem Papier und mit kriminalistischem Spürsinn durch ihr Hotel wandeln sehen, wissen woher der Begriff „deutsche Gründlichkeit“ stammt.

Wer noch mehr über den deutschen Tourist erfahren will, dem sei empfohlen an einer Urlauber-Busfahrt teilzunehmen. Der Verteidigungskampf jener, die durch einen Spurt zum Bus sich die ersten Sitzreihen sicherten, gegen die später kommenden älteren Urlauber und Behinderten, die auf ihre Anrechte auf Sitzplätze in den ersten Reihen beharren (und zwar nachhaltig) macht immer wieder Freude. Die nach hinten rücken müssenden ehemals Ersten, werden sich im Verlauf des Ausflugs noch mehr ärgern, wenn sie feststellen, zu welchen Gehleistungen Alte und Behinderte fähig sind, wenn sie nur gefordert werden. Kein Weg, kein Pfad, mag er von der Reiseleitung als noch so schwierig und steinig geschildert werden, ist fortan von unseren Erst-Reihen-Sitzern sicher.

Wobei diese sportliche Leistung ohne jeden Konditionsmangel abends am Buffet wiederholt wird. Die Drängelei am Buffet (kleine Faustformel: je älter, desto drängelnder), wird durch die Übereinkunft „hier geht rechts vor links“ mit deutscher Regelungswütigkeit geklärt. Dann wird, insbesondere zu Beginn des Urlaubs, auf den Teller aufgeladen. Wobei die Höhe des Aufgeladenen oft mit dem deutlich erkennbaren Bluthochdruck korrespondiert.

Abends an der Bar, kann man erstmals Angst um Deutschland haben. Angesichts der erzählten Bedeutung, wie wichtig man im Betrieb ist oder war, lässt den zuhörenden Barkeeper fürchten, die Industrieproduktion in Deutschland könnte in den nächsten Tagen nun total zum Erliegen kommen. Wenn dann auch noch deutlich gemacht hat wird, wie preiswert man gebucht hat („Ich bin ja so clever“), muss man befürchten, dass deutsche Reiseveranstalter nie mehr ein positives Ergebnis ausweisen werden.

Spätestens jetzt, werden unsere ausländischen Freunde Angst um Deutschland haben. Sie werden sich um den Standort Deutschland bemühen. Entweder werden sie als Gastarbeiter die Arbeitnehmerseite stärken oder als „Heuschrecke“ unseren Unternehmern zeigen, was sie vom Durchsetzungswillen deutscher Touristen gelernt haben.

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