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Das Trojanische Pferd im Trojanischen Pferd

Die Geschichte vom Trojanischen Pferd ist schnell erzählt. Als das griechische Heer die Stadt Troja nicht einnehmen konnte, zog es sich (scheinbar) zurück und ließ nur ein überdimensionales Holzpferd (angeblich als Besänftigungsgeschenk für die Götter) vor den Stadttoren zurück. Obwohl Kassandra gewarnt hatte (wer hört schon auf Kassandra) zogen die Trojaner das Pferd triumphierend in die Stadt. Als nachts die Trojaner volltrunken in ihren Häusern lagen, kamen griechische Soldaten aus dem Holzpferd gekrochen. Der Rest ist bekannt, es war das Ende von Troja.

Die Bissigen Bemerkungen hatten vor einiger Zeit eine Parallele zwischen dieser Geschichte aus der griechischen Mythologie und der Übernahme englischer Veranstalter durch deutsche Veranstalter gezogen (siehe BBB vom 8.1.2007 „Endlich aufgedeckt: Die Geschichte vom Trojanischen Pferd beim Kauf britischer Touristik-Firmen“). Bissige Pointe in dieser BBB: „Die Briten haben sich gerne von den Deutschen aufkaufen lassen, um dann langsam aber sicher ihre Landsleute an die Führung dieser Gesellschaften zu bringen“. Eine neue Methode von „Merger & Aquisition“: Die indirekte Übernahme anderer Firmen ohne Aufwendung eigener Geldmittel durch die List des „Trojanischen Pferdes“.

Während es für das griechische Drama logischerweise keine Fortsetzung geben kann, sieht dies im Falle unserer Parallelgeschichte, zumindest was TUI betrifft, etwas anders aus. Hier gibt es schon eine überraschende Ergänzung. Unabhängig vom Kauf der Briten durch TUI haben die Briten selbst (teils vorher, teils nachher) skandinavische Gesellschaften aufgekauft. Und jetzt beginnt gerade das „Trojanische Spiel“ erneut zu funktionieren. Schwedische Manager sind auf dem Sprung bei der englischen Mutter die Führung zu übernehmen (Johann Lundgren ist bereits hauptamtlicher Stellvertreter bei TUI Travel) und was noch sensationeller ist, sie übernehmen auch die touristische Führung (durch den Schweden Christian Clemens) in Deutschland, dem eigentlichen Auslöser der „trojanischen Geschichte“.
Also noch mal in Kurzform weil es so unglaublich ist.
Ebene 1: Der deutsche Veranstalter kauft den britischen Veranstalter, aber britische Manager übernehmen die (touristische) Führung: Ebene 2 darunter: Der britische Veranstalter kauft schwedischen Veranstalter und ein schwedischer Manager ist auf dem Sprung beim britischen Veranstalter die Führung zu übernehmen und gleichzeitig auch auf der 1. Ebene die Führung des deutschen Veranstalters.

Alter Schwede, das ist ein echter Hammer! Soweit hatten in 2007 noch nicht einmal die BBBs gedacht. Obwohl, wenn man sich den Schlusssatz der damaligen Bissigen Bemerkungen nochmals durchliest, war da auch schon ein großer Schuss Weitsicht enthalten. Denn dort hieß es über die „Trojanische Übernahme“ (Januar 2007):
„Kompliment an die Insulaner! Aktion voll gelungen. Aber jetzt habt ihr auch alles an der Backe. Jetzt schaut mal, wie ihr da wieder herauskommt.“

Zumindest diese Prognose war ein Volltreffer.

Wer übrigens recht wenig Interesse an griechischer Mythologie hat, sondern sich mehr zukunftsorientiert für Science Fiction interessiert, dem sei in diesem Zusammenhang der SF-Klassiker „Welt am Draht“ (einer meiner Lieblings-SF), von Daniel F. Galouye, empfohlen. Hier machen Manager, die glauben die Fäden einer selbst geschaffenen virtuellen Welt in den Händen zu haben, plötzlich die erschreckende Entdeckung, dass sie selbst Teil einer anderen, einer um eine Hierarchiestufe höheren Welt sind, in der andere die Fäden in der Hand halten (und sie selbst nur Abhängige in diesem System sind). Sehr lesenswert, eine Art Trojanisches Pferd auf Neu.
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Zum Schluss wollen wir jetzt ausnahmsweise mal kräftig loben.
Nachwuchs zu finden ist heute schon schwierig und wird noch schwieriger werden. Die meisten Imagefilme, die um Nachwuchs werben, sind in der Regel peinlich oder sehr peinlich. Der aktuelle Imagefilm zum Beruf der Tourismuskaufleute (früher Reiseverkehrskaufleute) ist nicht nur gut, sondern sogar sehr gut.
Endlich mal ein Werbefílm bei dem alles stimmt:
– das Thema kommt unkompliziert (natürlich) rüber,
– inhaltlich sehr präzise,
– die Filmlänge stimmt und
– das ganze wird von drei „normalen“ sympathischen Darstellern präsentiert.

Kompliment! Das musste mal gesagt werden. Siehe: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=VMW4DbQKBV4

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Der Gipfel, der eine Grube war

Eigentlich darf ich mich ja nicht beklagen. Ich hatte von Ramsauers Rede auf dem BTW-Gipfel nichts erwartet und meine Erwartungen wurden voll erfüllt. Aber das kann eigentlich nicht sein, dass der Verkehrsminister vor der Tourismusbranche spricht und sich überwiegend mit Straßenverkehr, LKW-Maut u.ä. befasst. Zu den wirklich wichtigen Dingen, zu all den Dingen die der Branche auf den Nägeln brennen, fast nur Lächerliches.

Single European Sky? O-Ton Ramsauer: „Das ist eine Sisyphus-Arbeit“.
Natürlich ist sie das. Aber hier könnte man Großes vollbringen für die Branche, Kostensparen und gleichzeitig die Umwelt entlasten. Aber bei ihm hat man nicht den Eindruck, dass „er den großen Stein nach oben rollt, dieser aber leider im entscheidenden Moment immer wieder nach unten rollt“ wie es Sisyphos in der griechischen Mythologie geschieht. Bei ihm hat man eher den Eindruck, dass genau aus diesem Grund er den großen Stein nicht einmal anfasst.

Luftverkehrssteuer? O-Ton Ramsauer: „Meine Erfindung war das nicht. Wenn ich könnte, dann würde ich …“. Auch hier ist er kein Sisyphos (ja nicht anfassen), sondern er macht jetzt einen auf Pilatus „Ich wasche meine Hände in Unschuld“.

Aber die Bahn, die würde ihm am Herzen liegen. Er kontrolliert auch „die Sauberkeit der Bahnhofstoilette in Traunstein“, seinem Wahlkreis. Das hat er wörtlich gesagt, soll wohl Volksnähe bedeuten. Auch ansonsten „liegen ihm die Bahnhöfe sehr am Herzen“. Ramsauer könnte wohl sofort zu „Wetten, dass …“ gehen: Er kann 10 deutsche Bahnhofstoiletten am Geruch erkennen. Toll, Herr Minister.

Etwas unverständlich, wenn er bei der Verabschiedung noch gelobt wird, als einer der Minister, der immer „ein offenes Ohr für die Branche hat“. Was nützt das, wenn in seinem Kopf immer „Durchzug zwischen den beiden Ohren herrscht“. Von ihm hat die Branche auch in Zukunft nicht viel zu erwarten. Diese 40 Minuten waren verlorene Zeit.

Verlorene Zeit war auch, bis zum Schluss ausgeharrt zu haben, zur Verleihung des „Innovationspreis der Deutschen Tourismuswirtschaft“. Der Preisträger heißt: Lufthansa. Dann lauscht man gespannt der Begründung und man lauscht und man lauscht und man lauscht und die Laudatio nimmt kein Ende. Einige Teilnehmer meinten, diese Rede könne nur die Marketing-Abteilung der Lufthansa geschrieben haben. Glaube ich nicht, das sind Profis, die hätten nicht so dick aufgetragen. Und die Begründung: Die besondere Leistung der Lufthansa für ihre First-Class Passagiere. Ist dies das Thema, das die Branche z.Z. bewegt und vorwärts bringt? Nach einer gefühlten halben Stunde hatte ich im Kopf abgeschaltet, aber wenn ich mich im Unterbewusstsein richtig erinnere, wurde auch der Teppich in der First Class lobend erwähnt (kein Scherz). Ich will niemanden persönlich zu nahe treten, aber hatte diese Nummer Lufthansa oder der BTW nötig?

Legen wir auch den Mantel des Schweigens über jede Art der Moderation am ersten Tag. Umso bemerkenswerter wie sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussionen (außer Moderator) angestrengt haben, sich vom generellen Niveau des Tages nach oben abzuheben. Auch die unaufgeregte sachliche Präsentation von BBI war sehr angenehm. Immerhin war nicht der ganze Tag verloren.
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Besonders empfehlenswert sind diese Woche im Reiseradio (www.reiseradio.org) die akustischen Bissigen Bemerkungen. Die wurden nämlich unmittelbar nach dem „Gipfel“ aufgenommen. Da kommt meine Originalstimmung klasse rüber und weitere Kommentare zu den Reden von Wowereit und Gabriel.
Außerdem ist noch mehr Gipfel drin, auch ein Interview mit Dr. Peter Raumsauer. Ich selbst habe es noch nicht gehört, wahrscheinlich werde ich diese Stelle im Reiseradio überspringen. Aber wer nicht in Berlin war, kann es sich ja gönnen.

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