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“Lufthansa wird airberliniger” und andere Ãœberraschungen

Manchmal gibt es Wochen, da weiß man mangels echtem Knaller wirklich nicht, worüber die Bissigen Bemerkungen berichten sollen (siehe BBB vom 9.2.09 „Albträume in einer Vollmondnacht“). Dann gibt es glücklicherweise wieder Wochen wie diese, da könnte man vor Freude gleich mehrfach zubeißen.

Eine kleine Auswahl gefällig?
1. Fusion von British Airways und Iberia: „Wenn zu einer Behinderung noch eine zweite dazu kommt, wird man nicht gesünder“ oder noch besser „Zwei Flügellahme wollen Jumbo werden“.
2. Angeblich kippt die Steuerermäßigung für Hotels: Das wäre fast Höchststrafe für einen Branchen-Doppelfehler. Zum einen hat sie extrem übertrieben ein nur zur Hälfte gehaltenes Wahlversprechen bejubelt (versprochen waren Steuerermäßigungen für Hotels „und“ Gastronomie). Zum anderen hat sie lauthals einen eigenen Wortbruch verkündet, nämlich die Steuerermäßigung nicht als „dringend notwendige Preisermäßigung“ weitergeben zu wollen, sondern „dringend notwendig für sich zu behalten“ (wofür auch immer).
3. Die Bundesregierung will mal wieder Streber sein und als erstes Land eine neue EU-Richtlinie umsetzen: Steuer auf das Essen im Flugzeug. Bei dem mageren derzeitigen Angebot an Bord kann da nicht viel Steuer anfallen.
4. TUI bietet Schönheits-OPs auf Reisen an und hat erfreulicherweise damit bei sich selbst angefangen: Malus verbessert, mehr Kapazitäten versprochen, Preise gesenkt, mehr „Extrawürste“ eingeführt und das ganze auch noch emotionaler verpackt. Wenn jetzt die Buchungstechnik noch stimmen sollte, wäre das alles eine „schlechte Nachricht“ für einige Reisebüros: Sie bräuchten ein neues Feindbild.

Aber der wirkliche Hammer der Woche war die Überschrift „Lufthansa wird airberliniger“ in Spiegel online. Da wird die Lufthansa-Presseabteilung beim Lesen ziemlich geschluckt haben, das war schon ein kleiner Kommunikationsgau. Aber auch inhaltlich kann dieser Ansatz, zumindest wenn er auch so gemeint sein sollte, nicht aufgehen. Alte BWL-Weisheit: „Wenn man die Konkurrenz kopieren will, macht dies nur Sinn, wenn die Kopie besser wird als das Original“. Wenn man das nicht kann, dann sollte man sich auf seine Stärken besinnen und diese intensivieren.
Kommentar eines Militär erfahrenen BBB-Lesers: „Nie auf das Schlachtfeld begeben, das der Gegner gewählt hat“. Und ein anderer BBB-Freund, mehr Fußball erfahren und offensichtlich auch sonst noch bewandert, gab den Hinweis: „Vermeide Auswärtsspiele (außer in der Liebe)“.

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Frenzel als moderner Kolumbus?

Der 18. März 2008 war ein absehbar harter Tag im Leben des Michael Frenzel, schließlich stand die Bilanzpressekonferenz an und Frenzel musste seinen aktuellen Strategieschwenk begründen. Das Wort „aktuell“ signalisiert hierbei, dass es schon mehrere dieser grundsätzlichen Richtungsänderungen gab. Scharfe Kritiker sprechen von einer gefühlten hohen zweistelligen Zahl von Strategieschwenks.

Die Pressekonferenz selbst erfreute uns mit einigen sprachlichen Schmankerln.
Zur Verdeutlichung, dass er (Frenzel) nicht Getriebener sondern Treiber sei, entschied er sich, diesen Tatbestand durch das Wort „proaktiv“ zu unterstreichen. Bedauerlicherweise hat niemand von Anfang an mitgezählt, sodass wir hier nur eine gefühlte 25fache Verwendung des Wortes schätzen können. Da im aktuellen Duden „proaktiv“ nicht zu finden ist, machten sich die BBBs auf Spurensuche.

Wenig freundlich beurteilt der „Zwiebelfisch“, eine nach eigenen Worten „sprachpflegerische Kolumne“, die regelmäßig in Spiegel online erscheint, dieses Wort. Es sei ein „modisches und ausgesprochen lästiges Blähwort aus der Kunstsprache der Werbung“. Weiter empfiehlt der Sprachpfleger, nicht ganz Ironie frei, von einer Aufnahme dieses Wortes in den eigenen proaktiven Wortschatz abzusehen.
Eher konservativ äußert sich das „Online Verwaltungslexikon“, das „proaktiv“ so erklärt: „Frühzeitiges und differenziertes Vorbereiten auf mindestens zwei unterschiedliche Konstellationen oder bewusstes Gestalten ausgewählter strategischer Tatbestände“. Da haben wir es doch, auf Verwaltung ist eben immer Verlass.

Den nächsten Leckerbissen stellte die Erkenntnis von Michael Frenzel dar, „man könne ein Unternehmen auf Dauer nicht gegen den Markt regieren“. Während die Erkenntnis als solche „nicht gegen den Markt“ sicherlich ungeteilte Zustimmung findet (warum er es trotzdem zwei Monate vorher noch versucht hat, mag dahingestellt bleiben), rief das Wort „regieren“ im Zusammenhang mit „Unternehmen führen“, bei einigen ein leichtes Zucken hervor. Nicht jedoch bei den BBBs, die sich an eine Bissige Bemerkung vom 3.12.2001 erinnerten, als der damalige Kanzler Gerhard Schröder, bei der Einweihung der Preussag-Repräsentanz in Berlin bemerkte: „Teamwork ist, wenn alle sehr engagiert das tun, was Michael Frenzel will“. Die BBBs bemerkten damals hierzu nur: „Honi soit qui mal y pense“. Und dies mag nun auch der Kommentar zum „regieren“ sein.

Unbestreitbar richtig bleibt natürlich Frenzels Lieblings- und Dauerkommentar, dass man als Manager letztlich geänderten Gegebenheiten Rechnung tragen müsse. Um dies zu verdeutlichen stellen sich die BBBs vor, man würde heute Christoph Kolumbus vorwerfen, dass seine Entdeckung Amerikas ein Strategieschwenk gegenüber seiner ursprünglichen Absicht Indien zu entdecken gewesen sei. Die moderne Antwort von Kolumbus würde wahrscheinlich so lauten: „Gegen Meeres- und Windströmung kann man auf Dauer sein Schiff nicht regieren. Da habe ich proaktiv meiner Mannschaft vorgeschlagen, lasst uns lieber Amerika entdecken statt Indien“.

Bleibt noch eine Anekdote nachzutragen. Am Nachmittag der Pressekonferenz war der Autor der BBB zu einem Interview bei SAT1 eingeladen. Die Moderatorin begann das Interview mit der Feststellung: „Als sie vor zwei Monaten bei uns auf Sendung waren [Thema damals Integration TUI AG und Hapag Lloyd], hatte ich zum Abschluss des Interviews gesagt, das wird wohl der letzte Strategieschwenk des Herrn Frenzel gewesen sein. Sie antworteten damals „unterschätzen sie Herrn Frenzel nicht“. Was sagen sie heute dazu?“. Meine Antwort: „Sehen sie, Herr Frenzel ist auf seine Art doch berechenbar“.

Zur Sache selbst muss hier nichts nachgetragen werden. Die professionellen Kommentatoren haben dazu schon alles gesagt, was zu sagen wäre. Nur einer der wichtigsten Hinweise fehlte in fast allen Meldungen. Es wurde nämlich „nur“ eine Grundsatzentscheidung getroffen. Politikerfahrene wissen, damit gewinnt man in erster Linie Zeit. In der Ausgestaltung einer solchen Entscheidung sind dann alle Varianten denkbar.
So schreibt der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe: „Mit dem Geld aus dem Hapag-Lloyd Verkauf könne Frenzel locker ein Gebot für Air Berlin abgeben“. Das wäre dann ein echter (Frenzel-) Schwenk.

Aber wahrscheinlicher ist, dass Michael Frenzel demnächst ein anderes Kaninchen aus dem Hut ziehen wird. Und wundert euch nicht, liebe Leserinnen und Leser, wenn es einen russischen Namen tragen sollte, vielleicht Alexey oder so ähnlich. So eine Art Gazprom für Touristik.

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