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Reise-Riesen auf Schrumpfkurs

„Reise-Riesen auf Schrumpfkurs“
Handelsblatt, 30.11.2009

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NATO-Gipfel in Baden-Baden und der unglaubliche Einsatz der deutschen Touristik

Am 3.4 und 4.4. findet der nächsten NATO-Gipfel gleichzeitig in Straßburg, Kehl und Baden-Baden statt. NATO-Gipfel und Baden-Baden? Das passt nicht zusammen.
NATO-Gipfel, das sind Drohungen gegen den Rest der Welt, das sind Geheimagenten und hochdekorierte Militärs, das sind vermummte Demonstranten, brennende Barrikaden, Tausende von Polizisten und Einwohner die ihre eigene Stadt kaum noch betreten können.
Baden-Baden dagegen ist Liebe, bezaubernde Boutiquen, Hotels in denen der Gast noch König ist, Restaurants mit exquisiten Speisen und Getränken, Frauen mit sexy russischem Akzent. Baden-Baden ist auch L´tur, wo man den Urlaub noch so spät buchen kann, dass es fast noch rückwirkend geht.

NATO-Gipfel in Baden-Baden ist wie Luzifer im Garten Eden, wie Boris Becker im Nonnenkloster oder wie Angela Merkel in der Sesamstraße (über letzteres könnte man noch diskutieren).

Ich sehe vor meinen Augen wie der berüchtigte Zaun vom letzten G8-Gipfel von Heiligendamm nach Baden-Baden gebracht und mitten durch die Stadt montiert wird. Familien die es nicht rechtzeitig geschafft haben gemeinsam auf einer Seite zu sein, werden tagelang voneinander getrennt. Der legendäre 8-sitzige Strandkorb von Heiligendamm muss für die 26 NATO-Mitglieder verlängert werden und zieht sich jetzt durch die komplette Fußgängerzone von Baden-Baden. Das berühmte Casino ist durch Militärstrategen belegt, die die Kugel rollen lassen um damit ihre Chaos-Theorie empirisch beweisen zu können. Versehentlich werden alle Leitungen zur L´tur-Hauptverwaltung gekappt. Deutschland ist ohne Last Minute-Angebote und das ausgerechnet in diesem Jahr. Das Management in Deutschlands Hotel Nr. 1, dem Brenners Parkhotel, zittert. Es erinnert sich welcher Aufschwung dem Kempinski In Heiligendamm vor dem Gipfel versprochen wurde und wie das Hotel kurz danach abstürzte.

Am letzten Tag des NATO-Gipfels kommt es zum GAU. Die Wahl des neuen Generalsekretärs platzt. Die deutsche Touristik bietet Hilfe an. Karlheinz Kögel, ex L´tur Vorstandsvorsitzender und Veranstalter des Medienpreises, der Erfahrung im Umgang mit „großen Tieren“ hat, wird vorgeschlagen. Abgelehnt. Wer nachweislich Menschen wie Mandela und den Dalai Lama auszeichnet ist zu friedvoll für die NATO. Die Touristik schlägt Air Berlin-Boss Achim Hunold vor, den Donald Rumsfeld der Fliegerei. Er hat Erfahrung widerspenstige Interessen unter einen Hut zu bringen, zumindest ansatzweise. Abgelehnt. Seine Hybrid-Strategie lässt sich nicht auf die NATO übertragen. Die Touristik legt nach mit Michael Frenzel von der TUI. Gerüchte laufen um, er hätte die berühmte Militärstrategie „flexible response“ erfunden, zumindest wendet er sie fast täglich an. Die NATO ist zufrieden, aber TUI gibt Frenzel nicht frei.
Als letzten Joker schlägt eine touristische Fachzeitschrift ex Arcandor-Boss Thomas Middelhoff vor. Der hat jetzt Zeit. Er präsentiert der NATO-Versammlung eine fantastische Vision für eine überaus erfolgreiche Zukunft der NATO und das in so faszinierenden Worten, dass niemand nach den Realisierungschancen fragt.
So bleibt auf viele Jahre hinaus die NATO mit der sog. „Baden-Badener Vision“ verbunden.

5. April 2009. Der NATO-Gipfel ist zu Ende. 15.000 Polizisten und 25.000 Demonstranten ziehen sich aus der Stadt zurück. Die 50.000 Einwohner von Baden-Baden, in den letzten Tagen zumindest numerisch entweder mit einem Polizisten oder einem Demonstranten verbunden, bauen ihre Stadt wieder auf. Sie werden sie wieder schön machen. Und danach wird Baden-Baden wieder Liebe sein, bezaubernde Boutiquen haben, in den Hotels wird der Gast wieder König sein, in den Restaurants werden wieder exquisite Speisen und Getränke angeboten werden und einige Damen werden wieder ihren sexy russischen Akzent hören lassen. L`tur wird noch mehr Last Minute verkaufen denn je und das Brenners wird wieder Deutschlands Hotel Nr. 1 sein.
Haben Sie es bemerkt? Ich liebe dieses Baden-Baden.

(Speziell zum NATO-Gipfel siehe auch den Blog: L`tur bloggt den Gipfel

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Ein NATO-Gipfel ist schon eine gigantische Sache. Aber innerhalb weniger Stunden zwei neue Großaktionäre für Air Berlin (TUI Travel plc und ESAS Holding) ist auch eine hochinteressante Geschichte. „Ja ist denn schon Ostern?“ würde „der Kaiser“ sagen, angesichts dieser zwei Ostereier im Nest. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe der BBBs.

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Viele Ombudsmänner für die Touristik?

Der Reiseveranstalter FTI beschäftigt ab 2008 einen Ombudsmann, der Streitigkeiten zwischen Reiseveranstalter und seinen Kunden schlichten soll. Eine zweifelsohne gute Idee, zumal viele der sich beschwerenden Kunden nur eine Antwort mit einem Minimum an Sozialkompetenz erwarten.
Ob das Beispiel Schule machen wird, darf allerdings bezweifelt werden.

Dabei hätte dieses Modell sicherlich Potenzial für kreative Weiterentwicklungen.
Beispielsweise:
— einen Ombudsmann für Mitarbeiter bei Vertragsverlängerungen ihrer Vorstände,
— einen Ombudsmann für alle Frühbucher, wenn die Last Minute-Angebote auf den Markt kommen,
— einen Ombudsmann für alle Fuggäste, die freiwillig eine CO2-Agabe zahlen und später merken, dass der Gemeinkostenaufwand bei Atmosfair und Co. größer ist als bei jedem Reiseveranstalter,
— einen Ombudsmann für alle die hoffnungsfroh in einen Single-Club fahren und trotzdem Single geblieben sind,
— einen Ombudsmann für alle All inclusive-Kunden die feststellen mussten, dass auch der Ärger inclusive war.

Wenn Sie weitere Anregungen haben wenden Sie sich vertrauensvoll an die Bissigen Bemerkungen, den Ombudsmann für alle Leitende und Leidende in der Touristik.

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