Person | Interviews | Vorträge | Veröffentlichungen | Kontakt

Air Berlin – Tod einer Airline

Am 15.8.2017 ist Air Berlin gestorben. Sie ist 38 Jahre alt geworden. Zu jung, um eines natürlichen Todes gestorben zu sein. Was war die Todesursache, wer waren die Täter?

Mord war es nicht, Juristen würden sagen, da fehlen die typischen Mordmerkmale. Tod durch unterlassene Hilfeleistung trifft es auch nicht. Es wurde eher zuviel geholfen, allerdings mit falschen Mitteln. Bleibt nur fahrlässige Tötung.

Täter? Es war weniger die böse Konkurrenz, Politik war nicht immer hilfreich, es waren nicht die Kunden. Es waren auch nicht die Mitarbeiter, die ihrer Airline fast sektenhaft verbunden waren und selbst gegen Ende noch vollen Einsatz zeigten.

Also wer bleibt im Ausschlussverfahren übrig? Täter müssen im wesentlichen die eigenen Vorstände gewesen sein, insbesondere die zuletzt im Turbotempo wechselnden CEOs.

Hoch-Zeit oder Anfang vom Ende?

Die Stunde des größten Erfolgs ist oft der Beginn des Niedergangs. Diese große Stunde war bei Air Berlin der 11. Mai 2006 als (im zweiten Anlauf) der Gang an die Börse klappte. Der enorme Kapitalzufluss des erfolgreichen Börsengangs und danach einige relativ einfach gelaufenen Geldaufnahmen am Kapitalmarkt haben bei den damalig Verantwortlichen das falsche Gefühl aufkommen lassen, „Geld würde auf den Bäumen wachsen, man müsse es nur pflücken“.

Das führte letztlich dazu, mal richtig shoppen zu gehen. Für dba, LTU, Belair u.a. wurde zu viel und damit mehr Geld als nötig rausgefeuert. Vollkommenes Unverständnis herrschte in der Branche, als Einzelheiten aus dem in 2009 geschlossenen „TUI-Deal“ bekannt wurden. Die TUI hatte bei den (Nicht-) Kündigunsfristen eindeutig den Air Berlin Vorstand über den Tisch gezogen (dazu gehören eigentlich immer Zwei). Zu diesem Zeitpunkt muss man rückblickend Air Berlin als nicht mehr rettbar bezeichnen.

Hunold und die „Titanic“-Parallelen

2009 sprach Bundeskanzlerin Merkel etwas überraschend auf der 30-Jahrfeier von Air Berlin. Hunold wies in seiner Dankesrede an sie darauf hin, wie selten es doch sei, dass sie bei einem solchen Auftritt nicht mit Geldhilfen für die veranstaltende Firma belästigt worden sei. Als er die Kanzlerin danach umarmte, hat sie wohl ihren Auftritt bereut.

Vieles erinnerte bei Air Berlin damals an die Titanic. „Ich bin unsinkbar, volle Kraft voraus, Eisberg gehe aus dem Weg“. Und die Musik bei Air Berlin spielte wie auf der Titanic, bis zum Schluss das Lied „Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf“.

Mehdorn

Im November 2011 trat Hartmut Mehdorn die Nachfolge von Achim Hunold an. Als der „Eisberg“ direkt vor Air Berlin wirklich nicht mehr zu übersehen war, präsentierte er noch im selben Jahr den Retter-Vertrag mit Etihad. Für Air Berlin fühlte sich das an wie Börsengang reloaded. In Wirklichkeit sollte sich im Laufe der Zeit zeigen wie hochgradig vergiftet auch dieser Vertrag war.

Mehdorn machte bei Air Berlin da weiter, wo er bei der Bahn aufgehört hatte. Ein Sparprogamm jagte das nächste, wobei deren Namen immer sensationeller wurden, was im Gegensatz zum realen Erfolg stand. Seine Amtszeit war mit 14 Monaten deutlich unspektakulärer.

Fast hätte ich vergessen seinen Nachfolger Prock-Schauer zu erwähnen, bei dem man bis heute nicht ganz sicher ist, ob er als CEO oder als 1. Buchhalter beschäftigt war. Den Mitarbeitern wird er mit einer temporären 5%igen Gehaltskürzung in Erinnerung bleiben.

In dieser Zeit verkaufte Finanzvorstand Hüttmeyer, ein echter „Dealmaker“, auch die letzten Flugzeuge und leaste sie zurück. Jeder einzelne Deal rettete kurzfristig, verbaute jedoch auch die letzte kleine Hoffnung auf langfristige Rettung. Ein Hauch von Thomas Middelhoff und dessen Verkauf der Karstadt-Häuser lag nahe.

Das „enge“ Europa

Anfang 2015 wurde Stefan Pichler, bis dato CEO von Fuji Airways, CEO von Air Berlin. Das war insofern überraschend, als er dies in einem Interview ein Jahr vorher noch mit den Worten „Ich glaube nicht, dass ich in diese Welt hineinpasse. Dazu ist mir Europa mittlerweile ein bisschen eng“ ausschloss.

Keine Ahnung, ob Europa in der Zwischenzeit weiter geworden war oder ob James Hogan, CEO von Etihad, ihm alle Freiheiten versprochen hatte. Leider trifft beides nicht zu. Pichler musste sehr schnell erfahren, wie vergiftet in Wirklichkeit die Geldspritzen von Etihad waren. Es ging Etihad nie um eine echte Rettung von Air Berlin, sondern nur um die Durchsetzung der eigenen Strategie. James Hogan zeigte jeden Tag mehr, wer der „wahre CEO“ für Air Berlin war. Nach 23 Monaten war auch für Pichler von jetzt auf nachher Schluss.

Der bestbezahlte Bestatter

Anfang 2017 trat Ex-Lufthanseat Thomas Winkelmann, den Job bei Air Berlin an – ohne echte Zukunftsperspektive. Eigentlich konnte es nur noch darum gehen, den Sargdeckel für Air Berlin zuzumachen. Durch die weit in die Zukunft reichende sonderbare Gehaltsabsicherung durch Etihad, dürfte er der zur Zeit bestbezahlte Bestatter dieser Republik sein.

Klar, was sollte der arme Mann auch machen, wenn seine Zeit erkennbar bei Air Berlin schnell vorbei sein sollte? Wer nimmt noch so jemand? Ich erinnere mich an den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Er sagte damals (höchst umstritten) den Schlecker Frauen eine problemlose „Anschlussverwendung“ voraus. Winkelmann hat „überraschenderweise“ auch eine solche „Anschlussverwendung“ bei der Logistikfirma Zeitfracht bekommen, nur ein paar Hundert Meter von Air Berlin entfernt. Dafür hat er auf einen Teil seiner „Etihad Absicherung“ verzichtet. Ich möchte ehrlich gesagt, gar nicht wissen, wie klein dieser Teil war.

„Potenzielle“ Mittäter

Aus Platzgründen kann hier keine vollzählige Aufzählung der „potenziellen Täter“ stehen, um im bildhaften Vergleich zu bleiben. So könnte man auch über Dr. Hans-Joachim Körber nachdenken, der sechs Jahre als Vorsitzender im Board der plc viel mehr Einwirkungsmöglichkeiten gehabt hatte als ein normaler Aufsichtsratsvorsitzender in Deutschland.

Ein sehr bekanntes wöchentliches Nachrichtenmagazin hat vor kurzem mit einem „investigativen“ Bericht dargestellt, wie sehr sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr um die Rettung der Air Berlin bemühte. Als er dann zum Schluss noch zitiert wurde, dass er auch Bürger dieses Landes sei, und er als solcher begrüße, dass die Bundesregierung den Flugbetrieb der Air Berlin eine Zeitlang weiterfinanzierte und dass deshalb die Interessen der Lufthansa zurückstehen mussten, sind mir die Tränen der Rührung über das Gesicht gelaufen.

Es wäre schön gewesen, wenn die Redaktion ähnlich investigativ recherchiert hätte, wie Lufthansa (sicherlich mit politischer Rückendeckung) alles tat, um einen Betriebsübergang (mit Personal) zu vermeiden.

Epilog

Wie immer trifft eine solche Insolvenz die Mitarbeiter, die von jetzt auf nachher arbeitslos wurden, am härtesten. Es war mehr als erstaunlich, was sie für einen Arbeitseinsatz zeigten, selbst als die Kündigungen nach der Insolvenz bereits ausgesprochen waren und sie sich vom Management verlassen fühlten. Air Berlin Mitarbeiter gelten als sehr qualifiziert und bei den verschiedenen Jobmessen bewunderten Fremdfirmen die noch immer vorhandene hohe Leistungsbereitschaft.

Quer durch die Massenmedien wird nun gehandelt, dass 85% von den Ex-Mitarbeitern inzwischen einen neuen Job gefunden hätten. Keiner Redaktion war es wert mal zu überprüfen, wo und mit welchen nachprüfbaren Fakten diese Zahl entstanden ist, die ich schlichtweg extrem bezweifle. Aber die Medien (vielleicht auch politisch gewollt), haben ihr (vermeintliches) Happy End, als wäre alles nur halb so schlimm.

Aber der Tod der Air Berlin kennt kein Happy End.

———————————————————————————————————-

Dieser Beitrag erschien auch am 13.8.2018 bei airliners.de als Gastbeitrag im Rahmen der Themenwoche: Ein Jahr Insolvenz Air Berlin

Ihr Feedback, Ihre Anregungen, Ihre Meinung ist gern gesehen. (hier klicken)