Der Deutsche ReiseVerband sollte seine Jahrestagung in der Türkei absagen – und zwar sofort
Wo darf der deutsche Tourist aus moralischen Gründen keinen Urlaub machen? Auf diese Medien-Lieblingsfrage habe ich immer geantwortet, „wo Kanzlerin und Minister hinfahren, darf auch der deutsche Urlauber seine Ferien verbringen“. Warum soll er moralischer sein als die Polit- und Wirtschaftsdelegationen?
Insofern hatte ich mir vor vier Wochen auch keine Gedanken über das Thema Türkei-Urlaub gemacht. Wer will, warum nicht? Auch die Gefahr, Opfer eines Attentates in der Türkei zu werden, hatte ich nicht überbewertet. Statistisch gesehen habe ich einen Antalya-Urlaub sicherer gesehen als eine Autobahnfahrt.
Ein Attentat ist immer „nur“ eine punktuelle Gefahr, aber die „Gefahr Erdogan“ seit dem Putsch ist flächendeckend. Pauschale Verhaftungen in inzwischen 5-stelliger Anzahl zeigen, hier wird nicht zuerst die individuelle Schuld geprüft, sondern pauschal verhaftet. Es trifft nacheinander immer neue Berufsgruppen. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis es die ersten Hotelmanager trifft. Auch nur der leiseste Verdacht irgendeiner Verbindung zur Gülen-Bewegung, mag er auch noch so weit hergeholt sein, ist ein Verhaftungsgrund. Das kann auch „versehentlich“ deutsche Touristen treffen.
Früher hätte das Auswärtige Amt bei einer „versehentlichen“ Verhaftung eines deutschen Touristen, sofort alles in Bewegung gesetzt, um ihn in kürzester Zeit frei zu bekommen. Auf eine solche Initiative des Auswärtigen Amtes oder sogar der Kanzlerin kann man aktuell nicht hoffen. Dem „Flüchtlingsdeal“, der nicht gefährdet werden darf, würde auch ein „Einzelschicksal“ untergeordnet werden.
Dieses Szenario ist im Moment noch theoretisch, aber meines Erachtens alles andere als abwegig. Wer die aktuelle politische Entwicklung in der Türkei verfolgt und nicht die Parallelen zu unserer Vergangenheit sieht, ist entweder blind, unwissend oder ignorant. Für die Bundesregierung könnte man hinzusetzen „oder ist erpressbar“. Eine ganz schlimme Situation.
Und in diesem Umfeld will der Deutsche ReiseVerband seine Jahrestagung in der Türkei abhalten? Das geplante positive Zeichen für den Türkeitourismus kann im Moment nicht mehr aktuell sein.
Wie kann ein Szenario für diese Tagung aussehen:
Erdogan macht daraus eine Jubelveranstaltung für seine Politik. Die offiziellen türkischen Redner werden Reden halten, bei denen man nur verschämt auf den Boden schauen kann. Wie reagiert der DRV-Präsident? Er ignoriert? In den Interviews mit der türkischen Presse wird das nicht einfach sein. Er kommentiert und korrigiert? Das wäre nicht nur gefährlich, sondern würde genau das Gegenteil bewirken, was man mit dieser Veranstaltung ursprünglich erreichen wollte.
In der Vergangenheit hat oft die Politik versucht auf political correctness ihrer Bürger und speziell der Touristen einzuwirken. Im Moment ist es gerade umgekehrt, wir müssen auf unsere Politik einwirken. Tut sich der DRV eventuell mit der Absage deshalb so schwer, weil er unter Druck des Auswärtigen Amts steht, unbedingt diese Tagung in der Türkei abzuhalten?
Wer immer im Moment als Urlauber in die Türkei reisen will, kann das gerne tun, wenn er weiß und akzeptiert, wie er sich dort zu verhalten hat. Es liegt mir fern, das zu bewerten. Aber für einen Tourismusverband gelten vollkommen andere Anforderungen. Da erwarte ich politische Einsicht.
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