Industrie 4.0 auf Düsseldorfer Art
Über das verlängerte Wochenende mal zur Entspannung in den Kurzurlaub entfliehen? Zumindest am Flughafen Düsseldorf gab es vergangene Woche statt Entspannung erstmal bei der Fluggastkontrolle Stress, Frust und Ärger. Am Ende mussten die Fluggäste am Flugsteig C fast anderthalb Stunden warten bis endlich sie und ihr Handgepäck kontrolliert waren.
Den Spruch “das Taxi zum Flughafen ist teurer als der Flug” kann jetzt ergänzt werden: “Die Fluggastkontrollen dauern dafür länger als der Flug.” Weit ist es nicht mehr dahin. Wir geben den Zielgebieten schlaue Ratschläge, wie sie den Overtourismus in Barcelona, Venedig und Rom steuern sollen und produzieren schon vor dem Abflug den ersten “Overtourismus”, allerdings ohne Sehenswürdigkeit und ohne Gelegenheit zum Handyfoto – sonst werden die Damen und Herren Kontrolleure ganz schön sauer.
Eine Geschichte zum Zungenschnalzen
Was war da in Düsseldorf passiert. Eine Geschichte zum Zungenschnalzen. Seit Sommer hat man die Ermittlung der Fluggastzahlen outgesourct. Wenn ich dieses Wort “Outsourcing” schon höre, steigt mein Blutdruck in dringend behandlungsbedürftige Höhe. Outsourcing bedeutet: Kostensparen um jeden Preis, schlechtere Leistung danach und keiner übernimmt Verantwortung.
Konkret: Die Bundespolizei bekommt die zu erwartenden Passagierzahlen nicht mehr vom Flughafen, sondern eben vom angeheuerten IT-Dienstleister. Der haut mächtig auf die Pauke, dass er eine Software für diese Prognose nutzt, damit seien beim Flughafen keine Mitarbeiter mehr notwendig, die die Meldungen der Airlines bislang händisch auswerteten.
Keine Ahnung wie die Weiterleitung der Daten an die Bundespolizei erfolgte – digital, per Fax oder per Brieftaube – und wie zuverlässig diese Daten waren. Dem Mitarbeiter der Bundespolizei kamen die Zahlen jedenfalls laut Medien zu hoch vor und er änderte sie manuell nach unten. Das ist Industrie 4.0 auf Düsseldorfer Art. Statt händisch wird auf digital umgestellt, um dann wieder händisch zu ändern. Wer alles dabei Fehler gemacht hat? Im Ergebnis sei zuwenig Personal bereitgestellt worden, was zu der inakzeptablen langen Warteschlange an der Kontrolle geführt hat. Nehmen wir es so zur Kenntnis.
Ob sich daraus ein Lerneffekt ergeben hat, ist leider bis heute nicht überliefert.
Kaufen statt Komfort
Fast zeitgleich gibt der neue Chef des Flughafens Köln/Bonn, Johan Vanneste, seine eigenen Ãœberlegungen zu Sicherheitskontrollen am Flughafen zum Besten. Die könnten doch deutlich “effizienter und schneller” durchgeführt werden. Das kann man ohne Weiteres unterschreiben.
In seiner Begründung liegt der Leckerbissen. Er fordert dies nicht, damit die Fluggäste nicht unnötig an der Kontrolle herum hängen, sondern damit die Fluggäste die so gewonnene Zeit zum Konsum in den am Flughafen angegliederten Geschäften und Lokalen nutzen könnten. Aber auch dies wiederum nicht zur Erbauung der Fluggäste, sondern weil die “Mietzahlungen dieser Geschäfte für den Flughafen eine wichtige Einnahmequelle sind”. Deutlicher kann man es kaum formulieren, wie egal diesem Flughafenchef seine Kunden sind.
Ich erinnere mich an ein Interview des BDL-Hauptgeschäftsführers Matthias von Randow, oberster Flughafen-Lobbyist, der unter anderem neben “Effizienz” auch eine “kundenfreundliche” Abwicklung der Kontrollen anmahnte.
“Outsourcing” führt zu Kuriositäten
Dazu passt ein eigenes, gerade mal sechs Wochen altes Flughafenerlebnis. Schon am Vormittag konnte man auf Abflugseite von Tuifly sehen, dass der für 15.20 Uhr geplante Flug nach Lanzarote eine Stunde Verspätung haben würde. Beim Check in am Flughafen, einige Zeit später, wusste der outgesourte Tuifly-Abfertiger davon nichts, ebensowenig der Flughafen laut Abflugtafel. Erst eine halbe Stunde vor alter Abflugzeit kam am Gate die Durchsage, Flug verspätet mit Bekanntgabe des neuen Gates.
Es sollte noch besser kommen. Als am neuen Gate die aktuelle Abflugzeit erreicht war, war von der Abfertigungsgesellschaft niemand am Gate zu sehen. Passagiere da, Flugzeug da, aber kein Abfertigungsmitarbeiter. Das Telefon am Gate klingelte mehrfach, wie wir später erfuhren, wollte sich der Purser des anstehenden Flugs erkundigen, wo die Passagiere bleiben.
Kurze Zeit später hat man ihn persönlich mit fragendem Gesichtsausdruck an der Gatetür gesehen. Auf der einen Seite der Purser, auf der anderen Seite die Passagiere, dazwischen eine Glastür und kein Abfertiger der diese Tür öffnet. Dass ich das nach Jahrzehnten Flugreisen auch mal erleben “durfte”. Als sich dann endlich eine Mitarbeiterin mit mürrischem Gesichtsausdruck zur Arbeit bequemte, vergaß sie leider die zwingend notwendige Entschuldigung.
Der Vollständigkeit sei aber noch gesagt, dass die Crew des Tuifly-Flugs, sowohl Cockpit wie auch Kabine, an diesem 30.9. nach Lanzarote zeigte, wie man trotz Verspätung sehr positiv mit seinen Kunden umgehen kann. Eine Kolumne kann auch mal mit “Danke” enden.
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