ITB-Bemerkungen: Die Branche darf nicht die gleichen Fehler wie 2002 machen und wieso kommt dieses Jahr Knecht Ruprecht schon im März.
Bis vor kurzem noch war zu befürchten, dass die größten ITB-Aufreger die „Neuvorstellungen“ von Gabun, Tadschikistan und Turkmedistan sein würden. Aber da haben wir nicht mit dieser Branche gerechnet, im Guten wie im Schlechten. Kurzarbeit, Kapazitätsreduzierungen, geht TUIfly zu Air Berlin, gibt Air Berlin die LTU ab und kauft REWE jetzt Thomas Cook. Das werden wieder lange Nächte auf dieser ITB.
Wobei die Themen überhaupt nicht lustig sind. Aber das Allerschlimmste ist: die Branche ist dabei ihren historischen Fehler von 2002 zu wiederholen. Erinnern Sie sich noch? Unter dem Schock des 11. September 2001 stehend, von Buchungszurückhaltung anfangs des Jahres 2002 beeindruckt, gab die Branche im Frühjahr das Reisejahr 2002 schlichtweg verloren. Harte Sparmaßnahmen wurden durchgezogen. Lag der aktuelle Buchungsstand um 10% zurück, wurden beispielsweise die Anzahl der Check In-Schalter im Flughafen gleich um 15% reduziert usw. Jene, die noch reisten, traf die „volle Härte der Anbieter“. Zu Lasten der Buchenden wollte man unbedingt das Ergebnis retten. Die Noch-Nicht-Reisenden zum Buchen zu animieren, wurde zu keiner Zeit als ernsthafte Option verfolgt. Das Ergebnis ist bekannt: Die bis dato geltende ungeschriebene Regel „der Deutsche will auf seine Urlaubsreise nicht verzichten“, wurde erstmals und zwar ohne Gegenwehr der Industrie, außer kraft gesetzt.
Und genau das geschieht wieder, das Reisejahr 2009 wird schon heute verloren gegeben. Das fast göttliche „Gebot der Marge“ wird erneut der Börse auf den Altar gelegt. Kapazitätsreduzierungen anzudenken ist eine Sache, dass es die Branche jetzt als „die Nachricht“ verkündet, ist eine andere. Die Nachricht kann höchstens als Botschaft für die Börse von Wert sein, nur die Börse bucht keine Urlaubsreisen. Wer in der Krise zuvorderst die Marge will (muss), schwächt die Zukunft! (Eigentlich müsste hier stehen: „Versündigt sich gegenüber der Zukunft“).
Was ist das aktuelle Problem. In der Urlaubsbranche (anders als im Bereich der Geschäftsreise – man beachte dies bitte), haben wir es im Moment mehr mit Verunsicherung als mit bereits erfolgtem Verzicht zu tun. Da sitzen im Moment Millionen potenzieller Urlauber herum und denken total verunsichert, aber mit Sehnsucht, über Urlaub nach. Wenn potenzielle Kunden verunsichert sind, brauchen Sie „neue Anreize“ um zum Buchen zu kommen. Die gepriesene „Verlängerung des Frühbucherrabattes“ (womöglich noch mit dem Zusatz des „großen Erfolges wegen“) ist kein neuer Anreiz. Wollen wir wetten, dass die Marketing-Budgets der Reiseanbieter schon drastisch runtergefahren sind? Es lebe antizyklisches Verhalten!
Dieses Jahr hat alle Chancen ein Spätbucherjahr zu werden. Wer hat sich dafür mit welchen Mitteln vorbereitet? Alle warten anscheinend nur, wie das Kaninchen vor der Schlange, welcher „Böse“ jetzt den ersten Stein (= gleich Preisschlacht) wirft.
Aber ungestraft lässt man sog. Experten, die ihre Unglaubwürdigkeit bereits bewiesen haben, ihre Schreckenvisionen präsentieren. Ein Norbert Walter, der vor wenigen Monaten noch „gesichertes Hosianna“ verkündete, predigt jetzt mit gleicher Überzeugungskraft sein „Höllenszenario“. Zum Dank darf er dieses auf der ITB präsentieren, damit es noch mehr verbreitet wird.
Im Gegenteil dazu, kommt das Trendbarometer der Dresdner Bank zum Ergebnis, dass die Reiseausgaben der Deutschen in 2009 um 1% sinken werden. Aber diese Zahl 1% wird in der öffentlichen Darstellung mit einem Unterton versehen, nur vergleichbar mit einer 8,5 auf der berühmten Richterskala für Erdbeben.
Aber das ist beileibe nicht das einzige ITB-Thema. Da haben wir noch das grandiose Fluggesellschaft Theaterspiel. Air Berlin-Boss Achim Hunold in der doppelten Knecht Ruprecht-Rolle. Einmal bei TUIfly, da zeigt es bereits Wirkung und jetzt neuerdings in der gleichen Rolle bei LTU. Achtung. Das LTU-Personal ist hartgesottener als das in Hannover. Da wird die Ankündigung nicht genügen, da muss schon die Rute raus (wie immer diese heißen mag).
Und fast hätten wir es vergessen. Das mächtigste Marktverschiebungs-Potenzial steckt in der Geschichte „kauft REWE Thomas Cook?“. Interessant, wie in einem Fachzeitungs-Blog diese Meldung runtergespielt wird. Aber ein Norbert Fiebig verplappert sich nicht so einfach, auch nicht in einem „Hintergrundgespräch“ mit Journalisten.
Sorry liebe Leserinnen und Leser, dass aus den in der letzten Woche angekündigten Geschichten für heute nichts geworden ist. Aber diese Branche tickt eben schneller als im Wochenrhythmus.
Ihr Feedback, Ihre Anregungen, Ihre Meinung ist gern gesehen. (hier klicken)