Fair reisen
„Fair reisen“
Tagesspiegel, 6.3.2018
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Vor ca. 5 ½ Jahren (genau am 11. Nov. 2002) orakelten die Bissigen Bemerkungen „Wann führen die Billig Airlines den Minus-Preis ein?“. Jetzt ist es tatsächlich passiert. Der britische Billigflieger Flybe zahlte 172 Personen jeweils 80 Pfund damit sie mit ihm von Dublin nach Norwich und zurück flogen.
Endlich ist das Tabu gebrochen und der vermeintlich kurze Schritt vom Null-Preis zum Minus-Preis geschafft.
Natürlich gibt es eine Story hinter dieser Story. Im offensichtlich landsmannschaftlich begründeten Größenwahn englischer Billigflieger hatte Flybe dem Flughafen Norwich versprochen, innerhalb eines definierten Zeitraumes 15.000 Fluggäste zu „bringen“. Als der Stichtag nahte waren es, inklusive der für den letzten Flug gebuchten Gäste, aber leider nur 14.828 Fluggäste. So ein Mist auch. Und dummerweise hatte man bei Nichterreichen dieser Zahl eine Vertragsstrafe in Höhe von fast 500.000 Euro akzeptiert. Sehr leichtsinnig!
Was tun? Die vermeintlich cleveren Flybe Manager schalteten eine Anzeige auf der Webseite einer Künstlervermittlungs-Agentur: “Bezahlte Statisten ab 16 Jahre gesucht: Sie werden ein Flugzeug nach Dublin besteigen und anschließend nach Norwich zurückfliegen. Gage: 80 britische Pfund”.
Nun ja, für einen armen Künstler ist das viel Geld und dafür kann man zur Not auch mal mit Flybe fliegen.
Ende gut, alles gut? Leider nicht für Flybe. Dummerweise kennt man auch in Norwich das Internet und schaut da mal ab und zu hinein. Und die Flughafenmanager von Norwich mögen es gar nicht, wenn man sie veralbern will (da kann sich manch anderer Flughafen ein Stück abschneiden). Sie hingen noch dem „altmodischen“ Gedanken an, dass ein Passagier für seinen Flug auch zahlen müsse. Bezahlte Künstler jedoch würden ins Theater gehören und nicht in eine Flugstatistik. Dumm gelaufen. Als günstigsten Normalpreis auf der Strecke Dublin nach Norwich haben die BBBs übrigens für den 10.Mai einen Preis von 1,87 Pfund gefunden!!
Kleiner Rat an die Leser der Bissigen Bemerkungen. Bewerben Sie sich doch (möglichst) unauffällig bei mehreren Billig Airlines. Die BBBs können sich durchaus den neuen Job des „Statistik-Passagiers“ vorstellen. Schließlich muss jede Airline regelmäßig zum Monatsende neue Passagier-Zahlen veröffentlichen und da kann es schon mal „eng werden“. Voraussetzung für diesen neuen Beruf: kurzfristig verfügbar (in der Regel immer zum Monatsletzten), nicht wählerisch hinsichtlich der Flugstrecke und möglichst harmlos aussehen, wie eben ein ganz normaler (gering zahlender) Passagier.
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Leider hat das Volksbegehren “Pro Tempelhof” ganz knapp das Ziel verfehlt. Sehr, sehr schade. Auch hier werden spätestens in 5 1/2 Jahren die BBBs sich wieder selbst zitieren können: Leider recht gehabt, BBI platzt aus allen Nähten und Flugverkehr wandert ab.
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Nochmals kurz darüber nachgedacht “soll es in 5 1/2 Jahren tatsächlich noch die BBBs geben”? Das werden einige als echte Drohung auffassen!
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Die Preise für Billigflüge bei den Billig Airlines fallen schneller als das herbstliche Laub. Auf 19,99 Euro folgten 1,99 Euro und als Steigerung verschenkt Ryanair Tickets für Billigflüge als Werbeaktion. Wann bekommt man endlich Geld cash auf die Hand, als Belohnung dafür, dass man fliegt?
Die Wortprägung „Minus-Wachstum“ hat schon vor längerem Eingang in unseren Sprachschatz gefunden, als euphemistische Bezeichnung für den Abwärtstrend. Was zur Zeit auf dem Sektor der sog. Billig Airlines geschieht, erschließt dem Wahnsinn jedoch eine neue Dimension. Wie sagte schon Nietsche: „Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes – aber bei Gruppen, Parteien, Völkern die Regel.“ Hätte er erst die Billig Airlines und Billigflüge gekannt!
Zweifellos haben die etablierten Airlines mit ihrem Hochpreis-Niveau diese Entwicklung direkt herausgefordert und wie beim Zauberlehrling nehmen die Dinge jetzt ihren Lauf. Als die 19,99 Euro auf den Markt kamen, war den Experten klar, da springt die nächste Billig Airline drunter. Über 16,90 Euro zu 10,90 Euro kamen letztlich als bisheriger Tiefpunkt die 1,99 Euro, soviel kostet z. Z. ein Burger bei McDonalds. Ryanair ist noch konsequenter, die verschenken einen Großteil der Tickets. Angeblich sollen es bis heute schon 900.000 verschenkte Tickets gewesen sein. Die Steigerung kann demzufolge nur noch sein, dass demnächst eine Billig Airline beim Erwerb eines Tickets noch cash Geld auszahlt: Der „Minus-Preis“ wäre geboren! Dieses Wort hätte alle Chancen „Wort des Jahres 2003“ zu werden (die BBB melden jetzt schon die Urheberschaft an diesem Wort an).
Bislang gab es eine (unausgesprochene?) Übereinkunft, dass touristische Strecken von diesem „Treiben“ auszunehmen seien. Auch hier lag es auf der Hand, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis auf der dafür am allerbesten geeigneten Flugstrecke, nämlich nach Palma de Mallorca, der Preiskrieg beginnen würde. Kaum gedacht, schon geschehen. Nach Vertragsabschluß zwischen TUI und Germania, leider haben zu diesem Thema die Fachzeitschriften den „Bissigen Bemerkungen“ schon die Arbeit abgenommen, eröffnet Germania jetzt mit Mallorca eine neue Rennstrecke für die Billig Airlines. Der Preis für diese Billigflüge beträgt einheitlich 55 Euro, gut zu merken, weil gültig zu jedem Termin. Dieser Preis ist „billiger“ als jeder andere bisherige Earlybird, Sunshine, Kleeblattpreis oder sonstige Sonderpreis. Sofort konterte Air Berlin mit 49 Euro. (Frage: Warum muss Air Berlin eigentlich billiger sein als Germania?)
Wenn diese oder andere touristischen Strecken jetzt zum Wettbewerbsfeld der Billig Airlines werden, dann kann man sich noch auf manche Überraschung freuen und dann ist der „Minus-Preis“ in der Tat nicht mehr weit. Erstaunlicherweise macht es noch allen Spaß. In „Fragmente“, den philosophisch-aphoristischen Schriften von Novalis heißt es so schön: „Gemeinschaftlicher Wahnsinn hört auf, Wahnsinn zu sein, und wird Magie, Wahnsinn nach Regeln und mit vollem Bewusstsein.“ Dann „Guten Flug“.
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