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Aschenputtel bleibt Aschenputtel

Vor drei Wochen bezeichneten die Bissigen Bemerkungen die Tourismusbranche als das Aschenputtel unter den Wirtschaftsbranchen. Inzwischen liegt der Koalitionsvertrag CDU/CSU/SPD vor, die schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. In gerade mal 9 von 8.376 Zeilen wurde das Thema Tourismus gestreift („behandelt“ wäre übertrieben formuliert). Das entspricht 0,1% (also ein Zehntel eines Prozentes) des gesamten geistigen Ergusses im Koalitionsvertrag. Das ist die totale Missachtung einer Branche, die für die Schaffung von Arbeitsplätzen steht, wie kaum eine andere. Da wurde im Märchen selbst Aschenputtel von der bösen Stiefmutter mehr Beachtung geschenkt.

Dabei hatte gerade noch im Juni 2017 der BTW in seiner Studie „Wirtschaftsfaktor Tourismus“ auf fast 3 Mio. Arbeitsplätze(6,8% von allen) und auf eine Wertschöpfung von 100 Mrd. Euro hingewiesen. Jetzt könnte man sagen, Quantität ist nicht alles, auf den Inhalt kommt es an. Aber diese neun Zeilen sind auch unpräzise formuliert. Mit dem ersten Satz: „Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, auch in ländlichen Bereichen.“ wurde schon eine der 9 Zeilen mit einer Feststellung statt Zukunftsvorgaben verschenkt. Wobei die Kürze der nächsten 8 Zeilen beweist, „Tourismus mag wichtig sein, aber nicht für die Regierung“.

Jetzt müsste man annehmen, ob dieser politischen Geringschätzung wäre ein Aufschrei der Entrüstung durch die entsprechenden Branchenverbände erfolgt. Weit gefehlt. Der DTV in der Person von Reinhard Meyer spricht von einem „guten Verhandlungsergebnis für den Tourismus“. Wie bitte?

Und der BTW-Vorsitzende Michael Frenzel spricht von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Ich weiß nicht, im letzten Koalitionspapier war der Tourismus immerhin doppelt so stark erwähnt. Immerhin hat er in seiner Stellungnahme eingeschränkt, da würde er voraussetzen, dass die angekündigte „Tourismusstrategie“ tatsächlich einen „ganzheitlichen wirtschaftspolitischen Ansatz“ beinhalten würde“.

Allein der DRV äußert sich kritisch: „Dürre Aussagen über den Tourismus lassen den wirtschaftspolitischen Sachverstand vermissen, Problemlösungen fehlen“. Darüber hinaus habe ich aber keinen krachenden Aufstand feststellen können.

So hat diese Branche auch nicht Besseres verdient. Wo bleibt die Aufschreikampagne #SchlaginsGesichtderTourismusbranche“ oder so ähnlich.

Bei der Recherche zum Thema Politik und Tourismusbranche bin ich auf eine Pressemeldung des DRV zu einer Zusammenkunft von DRV und TUI Group mit den tourismuspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der vier im Bundestag vertretenen Parteien getroffen am 30.5.2017. Gut gemeint wahrscheinlich, auch vom Datum her, aber nicht gut gemacht. DRV und TUI Group sind nicht die gewünschte „eine Stimme“ der Branche und der Einfluss der  tourismuspolitischen  Sprecher auf die Wirtschaftspolitik der Regierung hält sich sehr in Grenzen (ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen).

Schon die Überschrift der Pressemeldung „Wachsende Bedeutung des Tourismus“, ist unglücklich. Der Tourismus ist wirtschaftspolitisch schon immer sehr bedeutend gewesen und kein Newcomer.“ Unverändert gravierende Bedeutung des Tourismus“ wäre besser gewesen. Auch die weiteren Statements in diesem Papier, leider habe ich es schon oft erwähnen müssen, haben keine politische Schubkraft. Da wurde postuliert:

–In den wichtigen Sachfragen viel Übereinstimmung

–In einer Sache waren sich alle einige: Der Tourismus sollte in der Politik ein Stellenwert zukommen, der angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung angemessen ist.

–Es soll wieder einen eigenen Tourismusausschuss geben, der in seiner Bedeutung gestärkt werden sollte.

–Staatssekretär nur für Tourismus

Was soll man dazu sagen: Der zweite Teil der Überschrift in der Pressemeldung hieß: „Experten aus dem Bundestag wollen Tourismuspolitik aufwerten“. Dies ist spätestens durch die minimalistische Behandlung im Koalitionsvertrag „als nicht geschafft“ widerlegt. Auf den Tourismusausschuss, der in seiner Bedeutung gestärkt werden soll, möchte ich hinsichtlich der Besetzung der Vorsitzenden Position nicht eingehen.

Was könnte noch einmal politischen Rückenwind für den Tourismus bringen? Ein 100%-Staatssekretär für Tourismus (und keine Halbtagsstelle), sonst kann man die im Koalitionspapier angesprochene nationale Tourismusstrategie vergessen.

Eine Köstlichkeit in der Koalitionsvereinbarung möchte ich noch zum Besten geben. Im Abschnitt Luftverkehr steht: „Alle Beteiligten sind aufgefordert an einer zügigen Fertigstellung des neuen Hauptstadtflughafens BER mitzuwirken“. Welcher Märchentitel würde hier gut passen?

Des Kaisers neue Kleider (nur heiße Luft, die sind ja nackt) oder

Rumpelstilzchen („ach wie gut, dass niemand weiß“, dass ich zu einem Drittel für die Misere verantwortlich bin).

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Wer stoppt endlich diesen Schwachsinn?

Man mag unterschiedlicher Meinung sein, ob die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen eine Glanztat der Regierung war oder nicht. Sie ist nun Fakt und offensichtlich hat die weit überwiegende Anzahl der Hoteliers dies genutzt zu Preisreduzierungen und Investitionen. Das Vertrauen auf Rechtsicherheit verbietet, dass nun einzelne Städte diese Maßnahme für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Hotels durch die Einführung eigener Zusatzsteuern konterkarieren.
Es ist zudem scheinheilig, wenn einige Kommunalpolitiker sich negativ zu den Protesten zu Stuttgart 21 äußern („politische Entscheidungen müssen akzeptiert werden“), aber gleichzeitig durch die Erhebung dieser Zusatzsteuer genau das gleiche gegenüber der Entscheidung durch den Bundestag tun.

An diesem Wochenende hatte ich (nach meiner ersten Begegnung mit einem Bodyscanner) wieder „ein erstes Mal“ durch die Konfrontation mit der Bettensteuer. Zum Glück traf mich das Schicksal in Dortmund. Denn wie der Hotelangestellte sofort messerscharf erkannte war ich beruflich unterwegs und Geschäftsreisende müssen in Dortmund keine Bettensteuer zahlen. Den Befreiungsantrag legte der Hotelmitarbeiter unaufgefordert dazu, ein prima Kundendienst zumindest vom Hotel. Die Bettensteuer wird übrigens unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Bettes erhoben. Ein Pärchen im Doppelzimmer, das glaubhaft machen könnte nur eines der beiden Betten genutzt zu haben, müsste beispielsweise trotzdem die volle Gebühr entrichten.

In Köln nennt sich die kommunale Wegelagergebühr „Kulturförderabgabe“ und gilt sowohl für Privat- und Geschäftsreisende. Die Verwaltung macht hierbei dem Ruf der Stadt als Karnevalshochburg alle Ehre. Schon die Berechnung ist eine absolute Frechheit. Die Kulturförderabgabe wird auf den Hotelpreis plus Mehrwertsteuer erhoben, das bedeutet in Köln ist auch die Mehrwertsteuer Kulturabgabe pflichtig. Und für die so errechnete Kulturförderabgabe ist wiederum Mehrwertsteuer (7%) aufzuschlagen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Großzügigerweise unterstützt die Stadt Köln eine Klage gegen sich selbst hinsichtlich der Zulässigkeit der Kulturförderabgabe. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass die Abgabe unzulässig ist, kann sich der zu Unrecht geschröpfte Hotelgast die Abgabe erstatten lassen, vorausgesetzt er hat nach Entrichtung der Abgabe einen entsprechenden Antrag auf Erstattung gestellt. Hierzu gibt es einen amtlichen Vordruck der Stadt Köln (!). Hierauf sind schon Gründe von der Stadt vorgegeben, warum man die Steuer für rechtswidrig hält. Zum Beispiel kann man ankreuzen:
— die Übernachtung war geschäftlich veranlasst. Auf geschäftliche Übernachtungen kann rechtlich eine solche Abgabe nicht erhoben werden
oder
— die Übernachtung diente touristischen Zwecken. Urlaubsreisen gehören zum normalen Lebensstandard und können rechtlich nicht als besonderer Aufwand besteuert werden.

Ist Köln jetzt besonders kundenfreundlich oder glaubt die Stadt selbst nícht an die Rechtmäßigkeit ihrer Kulturabgabe? Eines steht schon fest. Die Aktiven des Kölner Karnevals dürften es dieses Jahr schwer haben, den „Humor“ ihrer Stadtverwaltung zu toppen. Noch ein kleines Extra gefällig? Flussschiffe die in Köln anlegen müssen auch Bettensteuer zahlen. Aber das wird sich schnell ändern, denn künftig legt niemand in Köln mehr an (Tolles Geschäft für die Stadt).

Die Stadt München, die sich auch mit dem Thema Bettensteuer befasst hatte, bekam vom der Regierung Oberbayern eine saftige Klatsche. Die Begründung hätte auch die DEHOGA nicht schöner formulieren können:
– die Steuer sei ungerecht, weil Gäste einer Jugendherberge und eines Luxushotels gleichermaßen belastet würden
– auch sei nicht zu rechtfertigen, dass es keinen Unterschied zwischen Touristen und Geschäftsreisenden gäbe
– außerdem stände die Steuer den übergeordneten Interessen den Tourismus zu fördern entgegen.

Gut gebrüllt Ihr Oberbayern!
Angesichts dieser Klarheit in der Begründung ist es umso bedauerlicher, dass als erster Verband „Der Deutsche Tourismusverband (DTV)“, sich auf seiner Tagung nicht mit Entschlossenheit gegen die Steuer gewandt hatte. Die entsprechende Einlassung des DTV-Präsidenten ist nicht nachvollziehbar und man fragt sich welches Teufelchen ihn da wohl geritten hatte.

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Das Reiseradio (www.reiseradio.org) befasst sich diese Woche mit der Stadt Saida in Marokko, dem geheimnisvollen Bhutan und Wellness in Ungarn. In den akustischen bissigen Bemerkungen geht es um die heftigen Sicherheitsüberprüfungen unserer amerikanischen Freunde, die in Deutschland als sexuelle Belästigung strafbar wären. Außerdem um die erfolgreiche Lobbyarbeit der Frachtbranche, die möglichst ohne größere Kontrollen ihre Päckchen schnell versenden will. Notfalls zu „Lasten der Passagiere“.

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