ITB 2018: Tourismus zwischen „Digital und Analog“
Das war sie also, die ITB 2018. Es kam wie befürchtet, technische Begriffe verdrängten zumindest in der medialen Betrachtung das eigentliche Urlaubserlebnis. Schade. Wieder mal eine Chance vertan.
„Der Urlauber wird immer digitaler.“ Das ist schon sprachlich Unsinn. Ich bin gleich zum Spiegel gerannt um zu schauen, ob ich noch ein Mensch oder schon ein Binärcode bin.
Oder: „Der Tourismus wird immer digitaler“. Das ist genauso unpräzise. Nicht der Tourismus wird digitaler, sondern die „Touristik“, also das Business vom Tourismus wird digitaler. Digitalisierung ist nur ein Werkzeug und kein moderner Urlaub. Das eigentliche Urlaubserlebnis ist überwiegend „analog“ (um etwas ironisch den gegenteiligen Begriff zu digital zu verwenden).
Mein Urlaubshotel, egal ob vorgebucht oder online ausgesucht und virtuell angeschaut, ist sehr „körperlich“. Auch mein Hotelbett, eines der häufigsten Beschwerdethemen, in das ich hoffentlich abends glücklich sinke, ist sehr „analog“. Das Essen im Urlaubshotel, die Aussicht auf das Meer oder in die Berge, auch die Urlaubsflirts, die Luft in der Südsee, das sind die Erlebnisse, die primär entscheidend sind, ob der Urlauber zufrieden war und diese Zufriedenheit anderen erzählt und daraus dann neue Buchungen resultieren können.
Letztens wurde ich gefragt: „Ist Freundlichkeit in Zeiten der Digitalisierung noch zeitgemäß?“ Nicht nur, dass das zwei unterschiedliche Dinge sind, auch der Gedankengang, der sich dahinter verbirgt, ist erschreckend. Früher habe ich meinem Vortrag über Kundenorientierung „Sie sind heute so freundlich, geht es Ihnen nicht gut?“ in den Zeiten von permanenten Umstrukturierungsmaßnahmen damit begonnen „die Kosten sind jetzt in Ordnung, leider sind die Kunden weg“. Wahrscheinlich werde ich demnächst das Wort Umstrukturierungsmaßnahmen durch das Wort Digitalisierung ersetzen.
Wenn Digitalisierung Abläufe schneller macht, ist das vollkommen in Ordnung. Und viele Informationen in Echtzeit bringen dem Urlauber zusätzliche nützliche Urlaubsfreude. Das ist ein Urlaubs-Mehrwert. Aber der Urlauber wird dadurch nicht generell digitaler, er nutzt nur digitale Möglichkeiten.
Wenn aber der „Costcutter“ in der Firma der Treiber der Digitalisierung ist, dann wird es gefährlich, nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Urlauber. Das „Aber“ hat letzte Woche Prof. von Dörnberg (Hochschule Heilbronn) so formuliert: „Digitaler Wandel heißt auch, der Kunde übernimmt mehr Arbeiten vom Anbieter ohne Gegenleistung.“ Das ärgert auch mich schon lange.
Es gibt fast jedes Jahr ein beherrschendes Thema, das in den Medien für die jeweils aktuelle ITB steht. Wobei nicht immer klar ist, ob die Unternehmen die Medien treiben oder umgekehrt.
Besonders lustig wird es, wenn sich dann auch Politiker in die Diskussion einmischen und dabei unfreiwillig ihr Nichtwissen offenlegen. So meinte der NRW-Wirtschaftsminister von NRW, Andreas Pinkwart, auf der ITB, dass die Digitalisierung in der Tourismus-Branche noch nicht angekommen sei. „Wenn man unterwegs ist, ob in New York oder NRW“, so der Kosmopolit weiter, „erlebt man, dass sich viele lieber hinter der Rezeption oder noch lieber in dem Raum dahinter verschanzen statt die Zeit für den Kunden zu nutzen“. Tourismus-Bashing vom Feinsten und das als der für Tourismus zuständige Minister. Aber Pinkwart legte noch nach: „Die Unternehmen müssten ihre Mitarbeiter digital aufrüsten. Er sei überzeugt, dass die Digitalisierung insgesamt zu einer weiteren Zunahme von Reisen führen werde. Diese Reisen hätte dann deutlicheren Event-Charakter“.
Das muss man alles nicht verstehen, es sei denn, man ist überzeugt, dass der Minister „Digitalisierung im Tourismus“ überhaupt nicht verstanden hat. Kleiner Trost, zumindest sein Auftritt hatte deutlichen Event-Charakter.
Natürlich durfte auch das Thema Türkei-Buchungen auf der ITB nicht fehlen. Interpretation von Statistiken ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. So sollen die Türkei-Buchungen per Februar im Vergleich zum Vorjahr um 50% gestiegen sein. Alles prima? Wenn sie in den Vorjahren aber um 70% gesunken waren, bedeutet das, dass sie immer noch um 55% unter den Ausgangswerten lagen. Alles klar? Wenn dann der DRV-Vorsitzende Fiebig für 2018 voller Freude vom Comeback der Türkei spricht, klingt das super. Doof nur, dass der DRV nur wenige Tage vorher, Ende Februar, seine Jahrestagung in der Türkei abgesagt und nach Italien verlegt hat. Passt toll zusammen, nicht wahr?
Ich komme nochmal auf das „analoge“ Urlaubserlebnis zurück. Urlaub soll in erster Linie Freude, Spaß und glücklich machen. Entscheidend ist für die Mehrzahl der potenziellen Urlauber, dass sie im Urlaub glücklich sind. Marketingexperten empfehlen generell den Kunden dringend einzureden, dass sie mit dem Produkt XY glücklich sein werden. Warum nicht mal eine Marktforschung zur ITB anfordern, „wie glücklich Urlauber sind“.
Eine ITB-Überschrift: „Noch nie waren Urlauber im Urlaub so glücklich wie zur Zeit“, würde der Branche mehr bringen als „noch nie war die Branche so digital wie heute“.
Also hoffen wir auf Besserung für die ITB 2019.
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