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Ohrfeige des Jahres für den Flugverkehr

Die Lage bei der Deutschen Bahn ist so verheerend, dass Konzernchef Richard Lutz einen Brandbrief an seine Führungskräfte schickte. Mehr unpünktliche Züge, höhere Schulden und womöglich bald die nächste Gewinnwarnung, so hart geht selten ein CEO mit seinen Führungskräften öffentlich ins Gericht. Das ganze Ausmaß der Bahnkatastrophe ist der Öffentlichkeit über den Sommer weitgehend verborgen geblieben.

Da stellt sich die Frage „warum eigentlich?“. Bahnchef Lutz hat darauf eine verblüffende Antwort. Die schlechte Performance der Airlines in diesem Sommer hat die schlechte Performance der Bahn überlagert. Frei übersetzt: „Danke liebe Airlines, dass ihr soviel Mist gebaut habt“.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, die Deutsche Bahn, üblicherweise der Inbegriff in Deutschland für schlechten Service, lästert über die Schlechtleistung des Luftverkehrs. Klatsch, eine schöne Ohrfeige. Eine solche Bemerkung wäre noch vor wenigen Jahren absurd gewesen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, dem man eine zu große Autonähe nachsagt, hat inzwischen gemerkt, dass auch der Flugverkehr zu seinem Ressort zählt. Und er macht jetzt das, was Politiker immer gerne machen, wenn sie merken, man kann das Problem nicht mehr kleinreden, er lädt zu einem Spitzentreffen ein, man könnte es auch Fluggipfel nennen. Gipfel klingt immer toll, schafft schöne TV-Bilder für den einladenden Politiker/in, Gipfel-Versprechungen zeigen, man hat sich gekümmert, konkrete Ergebnisse werden erfahrungsgemäß nicht folgen (erwartet man üblicherweise auch nicht).

Der eingeladene Kreis ist jetzt schon so groß, dass der Fotograf für das obligatorische Teilnehmerbild Mühe mit einem vollständigen Bild haben wird. Eingeladen sind Vertreter von Airlines, Flughäfen, Deutsche Flugsicherung, Verkehrsministerium von Bund und Länder. Das soll aber noch nicht alles sein. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert vehement die Teilnahme der Verbraucherverbände, die Fluglotsengewerkschaft hat ebenfalls ihre Teilnahme gefordert. Mein Vorschlag: Bitte dringend Vertreter der Bodendienstleister und der Flughafensicherheit einladen, dann hat man weitere Vertreter des Chaos am Tisch (nur der Vollständigkeit halber).

Auch führende CDU-Politiker wollen jetzt noch das Thema entern. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hat inzwischen festgestellt und teilte publikumswirksam per BILD am Sonntag mit: „Nicht wenige Fluggesellschaften behandeln ihre Kunden leider allzu oft schlicht unwürdig, daher gehöre eine Verschärfung der Fluggastrechte auf die Tagesordnung“. „Schlicht unwürdig“, das ist schon hart, wenn man es wörtlich nimmt.

Sind „nicht wenige Fluggesellschaften“ in diesem Sommer so tief gesunken? Wird der Hamburger-Gipfel zu einer Anklagebank? Bangt Bahnchef Lutz schon um sein Feigenblatt für 2019?

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Prosit Neujahr – alles wird besser

Sorry, aber das war natürlich nur ein kleiner BBB-Scherz in der Überschrift. Nichts wird besser. Es sei denn es wird draußen wärmer. Dann hat die Bahn keine Probleme und die Flughäfen auch nicht. Es ist aber auch wirklich ärgerlich, wie überraschend es jedes Jahr Winter wird und vor allem wie wörtlich der Winter sein Versprechen „Winter“ nimmt.

Über das Zugfahren hat sich die Medienwelt schon ausreichend ausgelassen. Wobei bei den vielen „klugen Ratschlägen“ manchmal vergessen wird, dass die Bahn pro Tag 27.000 Fahrten abspult. Rein zahlenmäßig müsste der Winter bei den Flughäfen leichter zu bewerkstelligen sein. Wie pflegte Radio Eriwan zu sagen: „Im Prinzip ja, aber…..“ Die Flughäfen oder besser gesagt die entsprechenden Abfertiger für die Enteisung (wie z.B. GlobeGround Berlin) haben natürlich vorgesorgt. Sagen sie zumindest. Sie haben die Lager vergrößert und vor allem tolle Verträge für ausreichende Nachlieferungen geschlossen. Aber die liebe Globalisierung hat dafür gesorgt, dass bei den Lieferanten für Enteisungsmittel kein Wettbewerb mehr herrscht. Und die Schlaumeier dort (wie z.B. Clariant) haben natürlich auch schon etwas von „just in time-Lieferung“ gehört und wenden es auch an. Und wenn dann einmal ein einziger Bestandteil dieses Enteisungsmittels fehlt, dann wird es verdammt eng. Und jetzt fehlt Glykol!
Ja, das gute alte Glykol, das die Österreicher mal vor Jahren in ihren Wein geschüttet haben damit sich die Aromastoffe besser entfalten? Genau. Übrigens ist der Skandal damals aufgeflogen weil ein Winzer auffällig große Mengen von Frostschutzmittel in seiner Steuererklärung geltend machte. In den Glykol-Skandal war auch der Berliner Wirtschaftssenator Pieroth verwickelt, der im Neben- (Hauptberuf?) Chef einer großen Weinfirma war, die ebenfalls große Mengen Glykol in ihren Wein schütteten. Von „zuviel Glykol“ wie bei dem damaligen Wirtschaftssenator träumt nun die Berliner GlobeGround.

Ok, was ist zu tun? Glykol muss her. Und wo gibt es genügend? In den USA! Liebe Fluggäste, die Ihr zur Zeit gerade in den USA seid. Bitte auf dem Rückflug soviel Glykol mitbringen wie ihr tragen könnt und in Eure Koffer passen. Das kann man dann bei uns zu einem ordentlichen Preis an die Enteiser-Fuzzies verkaufen.

Der Scherz mit „alles wird besser“, betrifft natürlich auch das große Wahlversprechen „mehr Netto vom Brutto“. Ab sofort wird vieles richtig teurer. Die sog. Flugabgabe (von 8 – 45 Euro), die Krankenkassenbeiträge, die Tabaksteuer, die Spritpreise an den Tankstellen, die Strompreise und als Konsequenz weiterer Aufgabenverlagerungen an die Kommunen auch viele kommunale Abgaben. Und warum? Nur weil bei der Weitergabe des Merkelschen Versprechens „Wir wollen intelligent sparen“ an die Mitarbeiter der Bundesverwaltung ein klitzekleiner Schreibfehler passierte. Statt „wir wollen intelligent sparen“, stand da geschrieben „wir wollen Intelligenz sparen“. Noch nie zuvor wurde mit so großer Begeisterung eine Aufforderung befolgt.
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In eigener Sache.
Dann loben wir uns mal selbst, denn in 2010 sind die Rekorde nur so gepurzelt.
429.000mal wurden die BBBs gelesen (keine Klicks, sondern auf der Seite gewesen, entweder bei den 3.841 Newsletter-Abos oder direkt auf der Homepage!). Danke an die lieben Leserinnen und Leser.
Und was steht 2011 an? Am 1.3.2011 werden die BBBs 10 Jahre alt. Nicht zu fassen, aber es stimmt: 10 Jahre BBBs. Dann denkt schon mal über ein nettes Geschenk nach.

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Im Reiseradio (www.reiseradio.org) geht es diese Woche in den Norden. Island, Finnisch Lappland und die teuerste Kreuzfahrt der Welt, sind die Ziele. Und dann noch etwas Traumschiffschelte. In den akustischen Bissigen Bemerkungen wird dann über das Traumschiff auf andere Art abgelästert. Außerdem geht es wie so oft um unser Lieblingsthema Sicherheit beim Flug.

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Wenn der schärfste Gegner einer Branche „Bundesregierung“ heißt…..

Damit hatte die Luftverkehrsbranche nicht gerechnet, dass sie quasi als einzige Branche von den Sparbeschlüssen getroffen wird (die Kernenergieunternehmen werden ja nicht echt belastet, sie müssen nur von evtl. künftigen Gewinnen etwas abgeben). Nicht die Unberechenbarkeit des Marktes ist das größte Problem der Airlines und es ist nicht die harte Konkurrenz. Selbst die Schwankungen auf dem Treibstoffmarkt bekommen die Airlines einigermaßen in den Griff. Der Hauptgegner der deutschen Airlines heißt: Bundesregierung.

Zuerst wurde die Branche durch einen unfähigen (oder unwissenden) Verkehrsminister zu tagelangem Nichtstun verdammt und erlitt dadurch Verluste in dreistelliger Millionenhöhe (schlimmer als die Situation nach dem Attentat vom 11.September 2001). Jetzt schlug die Regierung kalt mit einer Luftverkehrsabgabe zu. Statt ehrlich zu sagen, wir „haben einen Dummen gesucht, dem man noch Geld aus der Tasche ziehen kann und da ist unsere Wahl auf die Flugpassagiere gefallen“ (denn die Fluggesellschaften werden diese Kostenerhöhung weitergeben an Ihre Kunden, zumindest an jene die noch von Deutschland aus fliegen), umgibt sie die böse Tat mit dem Deckmäntelchen „ökologisch“. Was ist daran ökologisch? Hier wird keine bestehende Abgabe nach ökologischen Gesichtspunkten umgebaut, sondern es gibt nur einen „oben drauf“. Die Einführung dieser neuen Abgabe wurde schließlich im Rahmen des „Spar“-Paketes beschlossen. Wobei auch der Begriff „Sparen“ hier Hohn ist, denn die Regierung spart ja nicht, sie versucht nur dreist ihre Einnahmen zu erhöhen.

„Ein schwarzer Tag für den Luftverkehrsstandort Deutschland“ lautete der Kommentar der Lufthansa und Germanwings sprach „von einem Förderprogramm für ausländische Airlines und Flughäfen“. Dass es sich bei der vorgebrachten Kritik nicht um typisches Gejammer von Branchenvertreter handelt, zeigt das Beispiel Amsterdam. Die Regierung der Niederlande war mit einer ähnlichen Abgabe ziemlich auf die Nase gefallen. Statt wie erhofft Mehreinnahmen von 300 Mio. Euro zu generieren, verursachte die folgende Abwanderung von Fluggästen (lustigerweise nach Deutschland) einen wirtschaftlichen Verlust von 1,3 Mrd. Euro, was zu einer baldigen Aufhebung der Gebühr führte.

Wie stolz war Air Berlin, dass zur Feier des 30. Geburtstages dieser Airline, die Kanzlerin ihr „die Ehre ihres Besuches gab“. Vielleicht hätte Air Berlin besser Herrn Westerwelle einladen sollen. Frei nach dem Motto: „Von Hoteliers lernen, heißt Siegen lernen“.

Kein Problem mit dieser Mehrbelastung hatte fast erwartungsgemäß (Nicht-) Verkehrsminister Ramsauer. Sein Kommentar „diese Mehrkosten für die Flugpassagiere sind sowohl für Urlaubs- als auch für Geschäftsreisen vertretbar“. Besser wäre gewesen „diese Kosten fallen für mich persönlich ja nicht an“.
Wenig überraschend war, dass von Wirtschaftsminister Brüderle hierzu nichts zu hören war. Vielleicht sollte ihm endlich mal jemand sagen, dass er für die wirtschaftliche Entwicklung des Standortes Deutschland verantwortlich ist.
Etwas überraschender dagegen die Reaktion von Alltours-Chef Verhuven. Er meinte: „Die durch die Abgabe entstehenden Mehrkosten seien bei einem zweiwöchigen Urlaub zu vernachlässigen“. Wenn dem so wäre, dass dieser Betrag keine Rolle spielen würde, fragt man sich, warum er nicht schon die ganze Zeit seine Preise genau um diesen Betrag erhöht hat. Tatsächlich ist die Anzahl der Zwei-Wochen-Reisen in den letzten Jahren stark gesunken. Warum wohl? Weil die Kunden mit jedem Euro rechnen müssen.

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Im Reiseradio (www.reiseradio.org) sind diese Woche etliche Interviews rund um die Internationale Luftfahrtshow in Berlin zu hören. Der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Fluggesellschaften, Ralf Teckentrup, äußert sich „zum Strafzoll der Bundesregierung für Fluggäste, die mit deutschen Fluggesellschaften ab deutschen Flughäfen fliegen“. In den akustischen Bissigen Bemerkungen geht es diesmal um die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika und warum es normal ist, dass sowenig deutsche Touristen hingeflogen sind.

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