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Demoscham statt Flugscham

Von den angekündigten vierteiligen Bissigen Bemerkungen zur aktuellen Politik hier nun, speziell zum Thema „Fridays for future“,

Teil 3.

Diesen hier etwas aktualisierten Beitrag findet man auch in der interessanten aktuellen Jubiläumsausgabe von touristik aktuell.

Fridays for future, CO2-Steuer, Overtourism, jedes dieser aktuellen Themen ist eine Auseinandersetzung wert. Besonders bei Fridays for Future klaffen Anspruch, medialer Hype und Wirklichkeit besonders auseinander.

Den Klimawandel heute noch zu leugnen ist dumm oder ignorant. Aber Fridays for Future trägt nicht wesentlich zur Lösung bei. Was mich daran besonders stört: Fridays for Future agiert eindimensional und hat sich mit der feindseligen Einstellung zum Flugverkehr einen sehr kleinen Hebel zur Rettung des Klimas ausgesucht, spätestens hier ist auch der Tourismus betroffen.

Eindimensionaler Ansatz

Fridays for future hat als Ziel die Einhaltung (inhaltlich und zeitlich) der Klimaziele. Dass dies ganz oben auf der Agenda steht, ist ok. Falsch ist, dass alle anderen Themen explizit als unwichtig bis unnötig betrachtet werden. Der Politikwissenschaftler Straßner sieht bei Fridays for future in der kompromisslosen Haltung eine Vorstufe extremistischen Denkens. Man müsse aber Streitgespräch als Lebenselixier der offenen Gesellschaft pflegen, statt anderslautende Meinungen diskussionsunwillig unter Generalanklage stellen.

Genauso wird der Flugverkehr mit weniger als 3%-Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß als „Feind“ und nicht als ein Teilthema gesehen. Sich den Flug als Hauptthema aussuchen, weil es am einfachsten ist? Das macht Fridays for Future unglaubwürdig.

Wir können die Lösung anderer Zukunftsproblemen nicht einstellen. Genauso wie wir weiter nach intelligenten Lösungen statt Verbote suchen müssen. Zukunft und Fortschritt sind sehr selten aus dem Mainstream entstanden, sonst würde es auf vielen Gebieten keine Start-ups geben.

Und wenn die Regierung in hektischer Reaktion auf Fridays für future weitere völlig undifferenzierte Belastungen für die Bevölkerung „draufsattelt“, statt eine große Umstellung des Steuersystems mit echter Steuerungsfunktion auf den Weg zu bringen, dann wird das „politische Klima“ schnell umschlagen.

Nach der Demo im Flughafen Stuttgart „Attacke, Attacke – fliegen ist kacke“ sehe ich Fridays for future nicht mehr als seriös an. Spätestens jetzt denke ich, wird es Zeit für den Begriff „Demoscham“.

Direkt entsetzt war ich, aktuell Bilder zu sehen, wie sich Greta Thunberg von Vermummten geführt, den Hambacher Forst anschaut. Das geht gar nicht. Bei der hohen Hintergrundprofessionalität von Fridays for Future sind solche Bilder nicht unabsichtlich. Sehen wir demnächst freitags auch den Schwarzen Block bei den Demonstrationen? Demoscham.

Der echte globale Ansatz fehlt

Dass es die Fridays for Future in vielen Ländern gibt ist noch kein echter globaler Ansatz. Unter einem globalen Ansatz würde ich verstehen, dass man neben den kleineren Hebeln für die Erreichung der Klimaziele (3% Anteil CO2 Ausstoß der Fliegerei) besonders nach den ganz großen Hebeln greift.

Der Weltklimarat (IPCC) hat in seinem 2019-Bericht u.a. auf die Brandrodung im brasilianischen Regenwald hingewiesen. 11% des Co2-Ausstoßes sind darauf zurückzuführen. Vor allem für riesigen Soja- und Palmölplantagen wird der Regenwald abgeholzt. Bundesentwicklungsminister Müller war jetzt gerade in Brasilien. Er musste eine Viertelstunde auf ein Gespräch mit dem brasilianischen Umweltminister warten und gestand dann ein, dass er außer „interessantes Gespräch“ nichts erreichen konnte. Jetzt ist es sicherlich schwer, den brasilianischen Präsidenten und Mini-Trump Bolsonaro von diesem Problem zu überzeugen. Aber es kann nicht sein, dass wir dem auf diesen gerodeten Flächen gepflanzte und geerntete Soja durch ein neues Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten bessere Handelschancen in Europa bieten. Kompensationsgeschäfte des Flug-Ablasshandels wirken lächerlich, wenn täglich ein Vielfaches davon in Brasilien abgeholzt wird. Wenn man es wirklich ernst mit der Demo meint und sich nicht nur den plakativen Flug heraussuchen will, müsste dieses offensichtliche Thema mit einer ungleich höheren Hebelwirkung ganz vorne auf der Agenda von Fridays for future in Deutschland und Europa stehen. Und das ist nur ein Beispiel.

Bei globalem Ansatz, denke ich in etwa ähnliches wie die KSZE-Konferenz und deren Schlussakte in 1975. Im kältesten kalten Krieg hatten sich 35 höchste Repräsentanten aus 35 Nationen getroffen und unterzeichneten ein Schlussdokument mit der Absicht, konkrete (auf „konkret“ lag der Fokus) Maßnahmen für Menschenrechte, Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt umzusetzen. Das war keine Show-Veranstaltung wie G20, sondern echtes Wollen (und Können) um die Welt besser zu machen. Dafür könnte Fridays for Future weltweit kämpfen. Sonst ist alles andere nur ungenügendes Stückwerk.

Schlussbemerkung

Den Schuh „Klimafeind“ sollten wir uns als Touristikbranche nicht anziehen. Die emotionale Sprache der Fridays for Future kann man nicht nur mit den vorzeigbaren Fakten der Touristik bekämpfen, Emotionen kann man nur mit Emotionen besiegen. Die Branche darf und muss sich wesentlich offensiver und aggressiver in die gesellschaftliche Debatte einbringen und für das begeistern wofür Touristik und Fliegerei steht: Menschen zusammenbringen.

In ca. 10 Tagen erscheint der vierte Teil über Overtourismus.

 

 

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BBBs for future

Ich bin Airliner und Touristiker aus Leidenschaft. Zukunftsideen und Weltoffenheit faszinieren mich seit jeher. Beides ist für mich verbunden mit Reisen. Gerade bin ich wieder auf Hannah Arendt aufmerksam geworden worden: „Denken ohne Geländer“. Genauso entstehen besondere Zukunftslösungen. Zukunftsideen und Fortschritt sind sehr selten aus dem „medialen Mainstream“ entstanden. Normalerweise bemühe ich mich, mit meinen Bissigen Bemerkungen nicht zu politisch zu werden. Es ist schließlich ein Tourismusblog und das seit 18 Jahren, dieses hier ist die 799. Ausgabe der BBB.

Aber irgendwann ist auch bei mir „Schluss mit Lustig“. Seit langem kann man erkennen, wie unterproportional die Bedeutung von Tourismus und Flugverkehr auf der politischen Agenda ist. Und die Betroffenen haben das zu lange einfach so hingenommen. Wenn ich sehe, wie die Politik beim Klimaschutz, erst viel zu wenig tut und dann alles überstürzt, ist das für mich das Gegenteil einer langfristig angelegten Politik.

In einer vierteiligen Serie werde ich mich jetzt in den BBBs den aktuellen Themen widmen und bissig sein und das ausnahmsweise mal nicht in Richtung Branche, sondern für diese Branche und für Zukunftslösungen, die diesen Namen verdienen. Als Ergänzung zu dieser Bissigen Bemerkung erscheint in wenigen Tagen eine BBB speziell zum Thema Flug und Umwelt. In ca. 10 Tagen sollen weitere Bissige Bemerkungen zu Fridays for future folgen. Und noch kurze Zeit später Bissige Bemerkungen zu Overtourism.

Teil 1:

Immer stärker wird der völlig undifferenzierte Verteufelungswahn von Flugreisen durch polemische Klimaaktivisten. Den Klimawandel heute noch zu leugnen ist dumm oder ignorant. Aber bei Fridays for Future klaffen Anspruch, medialer Hype und Wirklichkeit besonders auseinander. Die Einhaltung der Klimaziele wird als einziges Ziel gesehen, alle anderen Zukunftsthemen werden explizit als unwichtig bis unnötig bezeichnet. Aber wir können die Lösung anderer Zukunftsproblemen nicht aufschieben oder gar einstellen.

Der Politikwissenschaftler Alexander Straßner sieht bei Fridays for future in der kompromisslosen Haltung eine Vorstufe extremistischen Denkens. Man müsse aber Streitgespräch als Lebenselixier der offenen Gesellschaft pflegen, statt anderslautende Meinungen diskussionsunwillig unter Generalverdacht zu stellen. Schon bei unserer Kanzlerin hat mich immer geärgert, wenn ihre Beschlüsse“alternativlos“ waren. Jetzt dachte ich das ist bald vorbei, plötzlich will man auch an anderer Stelle wissen, was alternativlos ist. Sorry, nichts ist alternativlos. Es gibt immer eine Alternative. Frage ist nur, ob sie besser oder schlechter ist.

Unsere Regierung will jetzt „wir haben verstanden“ zeigen. Die CO2-Bepreisung steht an. Im Prinzip der langfristig richtige Weg. Aber wie es aussieht, soll eine zusätzliche Steuer draufgesattelt werden. Das kann nicht sein, wir haben ohnehin mit die höchste Abgabenlast der Welt. Denn was jetzt kommt wird für immer bleiben, das lehrt nicht zuletzt Erfahrungen aus der uralten Sektsteuer und neuerdings dem Soli.

Da wird ein bisschen CO2-Steuer hingeworfen und alles ist wieder gut. Ist es leider nicht. Unsere Umweltministerin twittert, dass die CO2 eigentlich europaweit eingeführt werden müsste, aber solange könne Deutschland nicht warten. Wir fangen schon mal an. Den Glauben hören wir auch von Klimaaktivisten: was Deutschland vormacht, können andere kopieren. Pustekuchen, nichts gelernt aus der Energiewende? Da wurde genauso argumentiert, aber unsere Nachbarn bleiben unverändert bei ihren Atomkraftwerken und Polen z.B. hat nicht die Absicht den Braunkohleabbau einzustellen. Aber alle freuen sich, wenn sie uns in Engpasszeiten Strom zu ordentlichen Preisen zuliefern können.

Dann gibt es noch die vielgepriesenen Kompensationsangebote, um das evtl. schlechte Gewissen nach Flügen zu beruhigen. Dieser Ablasshandel bringt nur den atmosfair, myclimate und anderen Geld in die Kasse. Global gesehen ist der Effekt z.B. angesichts der Brandrodungen des Regenwaldes lächerlich. An die ganz großen Stellschrauben für die Erreichung der Klimaziele gehen die Aktivisten nicht ran.

Spätestens nach der Demo am Stuttgarter Flughafen „Attacke, Attacke – Fliegen ist kacke“, sehe ich „Fridays for Future nicht mehr als seriös an. Hier geht es nur darum, gegen etwas zu sein.

Wir können nur unter Einsatz aller hellen Köpfe die Ziele 2050 erreichen. Dafür muss aber auch an den ganz großen Stellschrauben bei der Industrie und absolut global gearbeitet werden. Es muss eine Bewusstseinsänderung auf allen Ebenen erfolgen, nur dann kann es funktionieren. Das ist verdammt schwer. Aber machbar.

 

 

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