Wer begreift noch alle Bürokratieregeln unserer Luftfahrt? Heute: die unsinnige „Sicherheits-Flüssigkeits-Behältnis-Regel“.
Mit Behältnissen die mehr als 100 Milliliter Flüssigkeit enthalten, kommt man nicht durch die Sicherheitskontrollen. Grundproblem: Es geht nicht darum was drinnen ist, sondern nur um die Menge.
95 Milliliter Nitroglyzerin könnte man mitnehmen (nicht offiziell, aber es würde keiner merken), 115 Milliliter Suppe nicht (weil das jede Kontrolle bemerkt). Grundprinzip verstanden?
Ein britischer Wissenschaftler, ein genialer Mediziner, aber leider keine Ahnung von Luftfahrtbürokratie, hatte in seinem Handgepäck Reagenzgläser mit großartig gezüchteten Stammzellen. Die mussten blitzschnell nach Barcelona gebracht werden um einer schwerkranken Frau durch Verpflanzung einer Luftröhre das Leben zu retten. Eine Sensationsoperation.
Und da stand das Wissenschaftlerlein vor dem Counter von Easyjet, hörte von zu viel Flüssigkeit in den Reagenzgläsern und noch mehr von wichtigen Gepäckregeln, wahrscheinlich auch noch etwas von Schuhbombern und Islamisten in Großbritannien die „böse“ Flüssigkeiten an Bord bringen wollten (was sich vor Gericht damals allerdings nicht beweisen ließ) und er das alles doch verstehen müsse.
Dass innerhalb von 16 Stunden, die nach jahrelanger Forschung erarbeiteten Stammzellen unbrauchbar würden und damit die Hoffnung der Frau in Barcelona dahin, das alles steht leider nicht in den Gepäckregeln.
Zum Glück gab es doch noch ein Happyend. Der Mediziner charterte mit Hilfe von Freunden einen Privatjet für die bescheidene Summe von 16.600 Euro und brachte die wertvolle Fracht noch rechtzeitig ins Ziel.
Easyjet, ganz großzügig, erstatte ihm die Kosten für den nicht angetreten Easyjet-Flug.
Sorry, aber diese ganze Flüssigkeitsregel begreift kein normaler Mensch. Mit Ausnahme der Duty free-Industrie. Die verkauft munter alles (wohlgemerkt hinter der Sicherheitskontrolle) an die gefrusteten Passagiere, was man denen vorher abgenommen hat, Wasser, Getränke, Gels, Sprays, Shampoos, Sonnenlotionen, Öle, Zahnpasta usw. Ein gigantisches Konjunkturprogramm, das dem Marktführer Gebr. Heinemann in den letzten zwei Jahren angeblich einen Umsatzzuwachs von 15% bescherte.
Und vor den Kontrollen spielen sich täglich „ergreifende“ Szenen ab, wenn Passagiere zwar in der Regel keine Stammzellen, aber ihre Getränke abgenommen bekommen. Ein Passagier soll angeblich seine Wasserflasche über dem Kopf einer Sicherheitsfrau entleert haben und ein russischer Fluggast wollte partout seine Flasche Wodka nicht abgeben. Also trank er sie vor den Beamten in einem Zug leer.
Eine Klasseleistung. Leider schaffte er es danach nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette, sondern nur vor den nächsten Lufthansa-Schalter. Ausgerechnet dort, und sehr plötzlich, bahnte sich der Wodka wieder den Weg nach draußen.
Das war zwar keine terroristische Tat, aber bis diese „Ungeheuerlichkeit“ protokolliert war, war leider auch der Flieger weg. Der Lufthansa-Schalter ist auch wirklich der falsche Ort, aber über das Innenministerium könnte man ja mal nachdenken.
Aber jetzt kommt Hoffnung. Dem EU-Abgeordneten Stockmann habe man in Köln seine stinkteure Flasche Rotwein abgenommen (die wird jetzt in irgendeiner Müllverbrennung verbrannt, das ist wirklich Sünde). Der will nun zusammen mit einem anderen „Verkehrsexperten“ (weiß der Geier, was der opfern musste), die ganze Sache angehen. „Die jetzigen Methoden sind untauglich und unverhältnismäßig“, meint der Experte.
Hoffen wir mal ausnahmsweise auf die EU. Bestimmt gibt es eine Änderung. Zumindest, dass teurer Rotwein ab sofort erlaubt ist.
(die Originalmeldungen hierzu standen im Spiegel vom 17.11. und in spiegel online vom 21.11.)
Nächste Woche berichten die bissigen Bemerkungen über den unterschiedlichen Wert von „Menschen-Facht“ und Übergepäck. Kleine Quizfrage bis dahin: Was ist pro kg wertvoller?
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