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Auf den Spuren der Korruption

Der Tourismus sei nicht innovativ? In Tschechien wird jetzt eine kreative Variante von Stadtführung angeboten. Die Firma „Corrupt Tours“ bietet in Prag Touren zu „Schauplätzen der Korruption“ an. Und weil das offensichtlich ein echtes Thema in Tschechien ist, gibt es diese Tour bereits in vier Varianten. „Nester der Korruption“ lautet der Titel einer Tour, bei der vor allem Lobbyisten-Villen und das Hauptbüro der Stadtverwaltung (mit entsprechender Kommentierung) besichtigt werden können. Eine dieser Stadtführungen mit Namen „Goldener Zauber von Prag“ wird sogar in deutscher Sprache angeboten.

Jetzt will Firmengründer Sourek seine Idee internationalisieren. Und raten Sie mal liebe Leserinnen und Leser, welches Land er als erstes im Auge hat? Richtig geraten, Deutschland. Dann kommen wir zur zweiten, etwas schwierigeren Frage: Was hat Deutschland mit Somalia, Sudan, Kosovo und Ukraine gemeinsam? Das sind einige der wenigen Staaten die die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) von 2003! noch nicht ratifiziert haben. Von den G20-Staaten haben neben Deutschland nur Japan und Saudi-Arabien nicht ratifiziert. Ach ja, und nicht zu vergessen, Tschechien hat auch noch nicht ratifiziert. Aber alle anderen Länder um Deutschland herum (und weltweit 160 Staaten) haben das Abkommen inzwischen auch als nationales Gesetz umgesetzt.

Und jetzt die dritte Frage: Woran scheitert die Ratifizierung in Deutschland vor allem? Antwort: Am Thema Abgeordnetenbestechung und das ist leider kein Scherz!!

Bundestagspräsident Norbert Lammert platzte schon im Dezember der Kragen als er forderte: „Die Abgeordneten dürfen sich nicht länger um eine Regelung herumdrücken“. Dabei müsste man eigentlich nur die strengen Bestimmungen für Beamte auf Abgeordnete übertragen. Aber die Reaktion aus den Reihen der Mehrheitsfraktion lautete, leider ernst gemeint, “man könne an Abgeordnete nicht so strenge Maßstäbe anlegen wie an Amtsträger, also Beamte, Bürgermeister usw“.
Es ist eine peinliche Geschichte, die Deutschland zunehmend international isoliert.

Jetzt kann man den Gedankengang des Tschechen Sourek nachvollziehen, warum er als nächstes Land ausgerechnet auf Deutschland kam. Und die Bissigen Bemerkungen wollen dem kreativen Städteführer gleich noch ein wenig zur Hilfe kommen. Als Berater für die Ausgestaltung dieser neuen Form von Städteführung bieten sich einige Bundestagsabgeordnete an, die dann noch „zusätzliche Kohle“ aus ihren Schandtaten machen könnten.

In der Tourismuslehre gibt es den Begriff von „Dark Tourism“, Reisen zu dunklen Stätten der Geschichte, wie z.B. zu Ground Zero, Tschnernobyl, Konzentrationslagern oder auch in „milderer Form“ zu berüchtigten Gefängnissen wie Alcatraz. Jetzt kann die Lehre um ein weiteres Kapitel ergänzt werden: Schauplätze der Korruption.

Eigentlich passt dazu auch, dass jetzt das Rederecht der Bundestagsabgeordneten begrenzt werden soll (weil auch hier Lammert sich vor kurzem normal, aber nach Meinung einiger Spitzenpolitiker zu weit, vorgewagt hatte). Ohne das Thema hier vertiefen zu wollen, darf wenigstens noch eine letzte Frage erlaubt sein: Warum brauchen wir dann in Bundestag noch 620 Abgeordnete (z.Vgl. das US- Repräsentantenhaus hat nur 435 Abgeordnete)?
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Korrektur:
In den Bissigen Bemerkungen vom 26.9.2011 wurde über ein Experiment in Genf berichtet, dem zufolge sog. Neutrinos, ultraleichte Elementarteilchen, in einem Experiment schneller flogen als das Licht. Daraus hatten wir die BBBs „Neutrino-Witze für die Reisebranche“ gemacht. Leider alles April, April, Albert Einstein hat immer noch recht. Als Grund für das fehlerhafte Ergebnis des Experiments, wurde ein Kabel genannt, dessen Verbindung offenbar nicht richtig befestigt war.
Fazit: Unser tägliches Kümmernis kann auch hoch bezahlte Forscher ereilen. Just for Info: Der Chef des renommierten Instituts ist daraufhin zurückgetreten. Manchmal stehen für gravierende Fehler auch Chefs gerade. Manchmal.

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Westerwelle kann auch nicht „Reisewarnung“

Diese Ansprache von Westerwelle hat niemand geholfen. Wirklich nicht. Natürlich waren die Bilder aus Kairo, Alexandria und Suez dramatisch. Natürlich wollte jeder, der konnte, raus aus diesen Städten. Und kein vernünftiger Mensch käme da auf den Gedanken hinzufliegen.

Aber 500 km südlicher am Roten Meer sah die Welt schon ganz anders aus. Nicht nur für die Touristen, sondern auch für die dort arbeitenden Ägypter. Westerwelles staatsmännisch getragene Ansprache war aus mehreren Gründen daneben. „Die Reiseveranstalter sollen keine neuen Kunden mehr an das Rote Meer fliegen, aus Sicherheitsgründen, und weil die Versorgung eventuell gefährdet sei“. Aber eine knallharte Reisewarnung, die bedeutet hätte, dass die Veranstalter evakuieren müssten, sprach er nicht aus. Also, hin darf man nicht, aber dort bleiben darf man. Logik verstanden? Ich leider nicht.

Aber es gibt noch eine andere Seite. BILD-Kommentator Dirk Hoeren hat es so schön unsinnig beschrieben. „Auf dem Weg in die Freiheit ohne Fundamentalismus brauchen die Ägypter jetzt unsere Unterstützung. Aber nicht Cocktail schwenkende Touristen, die fragen wann das nächste Büfett geöffnet wird“. Rate doch mal lieber BILD-Schreiber von was die Zehntausenden dort leben? Richtig, vom Tourismus! Und, rate mal weiter, warum dort niemand an Fundamentalismus denkt? Weil im Unterschied zu den Menschen in den Großstädten, die für den Tourismus Arbeitenden wenigstens ein Minimum (zugegeben nicht viel) an Einkommen haben. Und wenn Westerwelle jetzt den weiteren Zustrom an Touristen stoppen lässt, dann macht er genau das Gegenteil von dem, was er an anderer Stelle sagt: „Wir unterstützen Ägypten“. Na klar, „am besten“ machen wir das, wenn wir auch den Letzten dort noch Arbeit und Einkommen nehmen.

Nett auch, wie TV und schreibende Journalisten versuchten den heimkommenden Urlaubern und auch jenen vor Ort möglichst aufregende oder unglückliche Kommentare zu entlocken. Objektivität sieht anders aus. Man muss es einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Hauptstädte und die Touristenzentren in vielen Tourismusdestinationen getrennte Welten sind. Natürlich muss man das nicht gutheißen, aber der Tourismus ist für diese Länder eine der wichtigsten Einnahmequellen. Deshalb hatte das Auswärtige Amt in der Vergangenheit neben der überragenden Sicherheitsfrage auch immer die Bedeutung des Tourismus in die Entscheidung einbezogen.

Spätestens jetzt werden die üblichen Tourismuskritiker laut aufgejault haben, für die ausgerechnet die Touristen die deutsche Moral hochhalten sollen. Die deutsche Politik scheint jedenfalls vollkommen überrascht worden zu sein. „Ägypten ist nicht demokratisch? Das haben wir nicht gewusst.“. „In Ägypten herrscht Unterdrückung? Ach was, hätten wir von dem netten Herrn Mubarak nicht erwartet“. „In Ägypten ist Korruption allgegenwärtig und ohne Bakschisch läuft gar nichts?“ Ach was.
Haben Sie die Bilder gesehen wie Westerwelle bei seinem Antrittsbesuch in Kairo neben „Herrn Mubarak“ vor Stolz fast geplatzt ist? Wie unsere Kanzlerin vor 1 ½ Jahren Herrn Mubarak als „großen Freund“ in Berlin begrüßte? Ägypten steht in der Liste der korrupten Ländern auf Platz 111 von 176 Ländern (je weiter hinten man steht, desto korrupter ist ein Land) und das schon seit Jahren. (Just for info, in dieser Tabelle ist Deutschland gerade auf Platz 16 abgerutscht. Gemessen an der vorgegebenen „deutschen Korrektheit“ auch kein Ruhmesblatt).

Wollen wir hoffen, dass die Ägypter ihre Revolution friedlich „hinbekommen“. Dem sympathischen Volk mit dieser unglaublichen Tradition ist es von Herzen zu gönnen. Um den künftigen Tourismus nach Ägypten mache ich mir die wenigsten Gedanken. Sobald die Lage sich beruhigt hat (und die Politik nicht weiter hindert) werden die Touristen sehr schnell in bisheriger Größenordnung wieder kommen. Dafür ist Ägypten einfach zu interessant und schön.

Wenn wir schon beim Thema Sicherheit sind, kann man sich eine Bemerkung zum „Auftritt“ unseres Innenministers de Maizière nicht verkneifen. In großer staatsmännischer Pose „Ich wende mich an das Deutsche Volk“ (das hatte schon Westerwelle-Niveau) verkündete er, dass „die Sicherheitsstufe“ jetzt zurückgefahren werden könnte, wenngleich „kein Anlass zur Entwarnung bestehe“. Ja, was nun? Vor dem Reichstag bleibt übrigens die Sicherheitsstufe auf alter Höhe, „einige sind eben gleicher als andere“.
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Im Reiseradio (www.reiseradio.org) gibt es ein Statement vom Hauptgeschäftsführer des DRV, Hans-Gustav Koch, mit seiner Meinung zur Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Außerdem wird über den Veranstalter Windrose berichtet, dessen Kunden durchschnittlich 4.600 Euro pro Reise ausgeben (also keine typischen Gäste für das Rote Meer). Das Thema Ägypten steht natürlich im Mittelpunkt der akustischen Bissigen Bemerkungen und wem man besser kein Mikrofon vor die Nase halten sollte.

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