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Thomas Cook: Erfinder und Bestatter der Pauschalreise

Seit mehr als 175 Jahren gibt es die Pauschalreise. Vor drei Jahren wurde noch Thomas Cook, als Erfinder der Pauschalreise abgefeiert. Überall war die Geschichte von der legendären ersten Pauschalreise im Juli 1841, mit einem gecharterten Zug zu einer Veranstaltung gegen Alkoholmissbrauch, zu lesen. Gelobt sei der legendäre Thomas Cook.

Am 5.7.2016, schrieb ich eine Jubiläums-BBB (5.Juli 1841 – 5. Juli 2016: 175 Jahre Pauschalreise). Jetzt im Nachhinein mutet es wie ein schlechtes Omen an, was ich im 3. Absatz damals geschrieben habe.

Zitat: Neuere Untersuchungen sind aber der Meinung, dass die erste Pauschalreise schon drei Jahre vor 1841 stattgefunden hätte, nämlich zu einer Hinrichtung nach Boldwin. Aber auf diesen früheren Termin bezieht sich die Branche ungern. Logisch, denn viele Beschwerdebriefe von heute würden dann mit Sätzen wie „ich fühlte mich wie bei der ersten Pauschalreise zur Hinrichtung“ beginnen.

Jetzt ist es bittere Wahrheit geworden. Spätestens jetzt wurde die Pauschalreise hingerichtet und nicht vom Online-Geschäft oder dem Verkauf von Reisebausteinen, wie seit Jahrzehnten geunkt. Die haben „nur“ kräftig am Volumen geknabbert. Nein, makabrer geht es nimmer, ausgerechnet unter dem Namen „Thomas Cook“ erfolgt der größte Schlag gegen die Pauschalreise seit ihrer Einführung.

Warum ist die Situation so schlimm? Das Erfolgsgeheimnis der Pauschalreise gegenüber anderen Formen des Angebots, war ihre unbestreitbare Sicherheit. Das war nicht jedem Tourist wichtig, aber für die Anhänger der Pauschalreise oft entscheidend.

So argumentierten die Veranstalter der Pauschalreise über Jahrzehnte hinweg.

Lieber Tourist, wenn du gebucht hast:

  1. Wir bringen Dich garantiert an Dein Urlaubsziel, egal was passiert ist. Auch wenn die Linien-Airlines ein Schild auf den Counter stellten „Flug gestrichen weil“…. wir Veranstalter bringen Dich trotzdem zum Ziel, schlimmstenfalls einen Tag früher oder später.
  2. Wenn Du Im Zielgebiet bist, sorgen wir unbedingt für Deinen Urlaub. Sollte es irgendwie Schwierigkeiten an einem Ort oder einem Hotel geben, buchen wir Dich um.
  3. Wir bringen Dich garantiert wieder nach dem Urlaub zurück. Wiederum mit maximal einem Tag Differenz oder einer anderen Airline, aber Du kannst Dich auf uns verlassen.

Gegen das alles hat Thomas Cook gravierend verstoßen.

> — Trotz bezahlter Reise, Hinflug ersatzlos gestrichen.

> — Trotz bezahlter Reise, Aufenthalt im Hotel nicht gesichert. Besonders bitter, die Hoteliers versuchten sich an den Urlaubern schadlos zu halten, weil Thomas Cook den Reisepreis nicht überwiesen hatte.

> — Trotz bezahlter Reise, viele Urlauber mussten ihren Rückflug selbst bezahlen.

> — Offensichtlich hat Thomas Cook seit Wochen und Monaten Hotel-Rechnungen nicht ordentlich bezahlt. Demnach kann die Pleite nicht überraschend gekommen sein. Ob das justiziabel ist, mögen letztendlich Gerichte entscheiden, eine Schweinerei ist es allemal.

Aber der allergrößte Skandal ist die Deckelung der Versicherungssumme. Wer dem Sicherungsschein traute, der bekanntlich über Jahre hinweg als „das“ Argument pro Pauschalreise dem Kunden verkündet wurde, merkt jetzt, auch mit diesem Argument hat man ihn beschwindelt.

Wenn man dies alles zusammenträgt, wird deutlich, im Moment findet gerade der GAU für den Pauschalreise-Kunde statt. Die einzigen die sich dagegenstemmen sind die Reisebüros.

Riesenaufschrei in der Branche? Durch die großen Verbände DRV und BTW? In der Politik? Alles Fehlanzeige. Und das ist eigentlich die nächste Schweinerei. Die Veranstalter bekommen ihren Teil des Thomas Cook Klientels fast gratis (Aufteilung Air Berlin lässt grüßen), die Verbände waschen ihre Hände in Unschuld. „Konnte man nicht wissen, dass Thomas Cook mal Pleite geht“. Wirklich nicht? Warnungen gab es schon vorher, von einem kleineren Verband. Aber darüber wurde selbstherrlich hinweggelächelt und im Nachhinein wird versucht jene, die darauf aufmerksam gemacht haben totzuschweigen. Klar, sonst wäre ja das eigene Verhalten bloßgestellt.

Und die Politik ist die Geschichte eines Totalversagens. Deckelung der Versicherungssumme? Da hat man auf die Falschen gehört. Selbst während die Pleite von Thomas Cook schon lief, tagte der Tourismusausschuss des Bundestages  und empfand keinen Handlungsbedarf. Dabei besteht immer noch Handlungsbedarf zugunsten der getäuschten und geschädigten Touristen. Und rechtlich raus ist die Politik noch lange nicht.

Aber das war die Krönung schlechthin, da wurde es selbst mir beim Lesen schlecht.

Zitat: Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung informierte sich am 27. September beim DRV über die aktuelle Lage bezüglich Thomas Cook Insolvenz. „Wichtig ist jetzt“, so der Tourismusbeauftragte, „dass die derzeit unterwegs befindlichen Kunden ihren wohlverdienten Urlaub noch genießen können“.

Wie blind oder ignorant muss man sein, um sich so wie Verband und Politik zu verhalten? Besuch ausgerechnet beim DRV, der nie (entgegen den Warnungen) ein Problem mit der Deckelung der Versicherungssumme hatte. „Und wohlverdienter Urlaub im Zielgebiet?“ Liest der Herr Staatssekretär keine Zeitung, wie es den „Urlaubern im Zielgebiet geht“, wenn sie aus den Hotels fliegen oder nicht abreisen dürfen, wenn sie die Hotelrechnung nicht direkt bezahlen.

Ohne jede Chance übrigens das Geld jemals wieder in voller Höhe zu bekommen.

Als jahrelanger engagierter Kämpfer für die Pauschalreise trifft mich diese Entwicklung persönlich sehr tief. Kann und darf es heute tatsächlich das Ende der klassischen Pauschalreise sein oder gibt es doch noch Möglichkeiten. Es wird wohl zu diesem Thema noch einen „Teil zwei“ zu dieser BBB geben müssen. Soll in Kürze folgen.

Andererseits sehe ich gerade, dass der BTW auf seinem 22. Tourismusgipfel am 4. November eine Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Wert der Pauschalreise – ein Geschäftsmodell mit Zukunft?“, mit einer „hochinteressanten Zusammensetzung des Podiums“ mit Thomas Bösl, Geschäftsführer rtk, Norbert Fiebig, Präsident des DRV und Boris Raoul, CEO invia Group, angesetzt hat. Da kann ich mich bis dahin ja völlig entspannt zurücklehnen.

 

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Bundesregierung wirbt für Urlaub in der Türkei (FAZ, 16.8.2018)

Immer wenn man denkt, irrer geht es nicht mehr, überrascht uns unsere Bundesregierung aufs Neue. Jetzt setzt die Regierung noch einen drauf und wirbt in der Person des Tourismusbeauftragten der Bundesregierung (man achte auf die offizielle Bezeichnung), Thomas Bareiß, für mehr Urlaub in der Türkei. Ein Kniefall mehr unserer Regierung vor Erdogan.

„Es gibt für mich keinen Grund, nicht in die Türkei zu reisen und dort Urlaub zu machen“, sagte Bareiß. Er selbst habe gerade dort erst seine Ferien verbracht. Da fragt man sich doch, ob es zu seinen Aufgaben gehört, für ein bestimmtes Reiseziel Werbung zu machen? Und gibt es diese Werbung durch den Tourismusbeauftragten künftig immer für jene Länder, in denen er seinen privaten Urlaub verbringen wird?

Oder ist diese Türkeiwerbung doch eine politische Werbung? Dann möchte man aber schon wissen

  • ob sein Urlaub regulär zum vollen Preis privat gebucht war oder
  • er von irgendeiner türkischen Stelle oder
  • von einem im Türkei-Tourismus engagierten Unternehmen eingeladen war.

Werbung soll ja bekanntlich immer als solche gekennzeichnet werden.

Und man fragt sich natürlich auch, warum es gerade jetzt so wichtig sei, in der Türkei Urlaub zu machen. „Tourismus baue persönliche Brücken zwischen Ländern“, diese touristische Binsenweisheit hat Herr Bareiß auch schon erkannt. Aber das muss dann doch für alle touristischen Ziele gelten.

Oder hat, wie zu vermuten, die Werbung des Regierungsvertreters etwas mit dem Verfall der türkischen Lira zu tun. Das ist, um es deutlich zu sagen, kein unvermeidbares Naturereignis, sondern allein der aktuellen wirtschaftspolitischen Geisterfahrt des türkischen Präsidenten geschuldet.

Und für den Tourismus hat Erdogan dadurch, zumindest kurzfristig, einiges bewirkt. Urlaub in der Türkei ist in den sog. Nebenkosten so preiswert wie noch nie.

Der kritische Betrachter möge jedoch auch das Gegenteil sehen. Dass die Türkei generell so preiswert ist, geht zu Lasten des Verdienstes der im Hotelgewerbe Beschäftigten. Unter dem Lira-Verfall leiden generell die Menschen vor Ort am meisten, das würden auch 10% mehr deutsche Touristen nicht ausgleichen. Abgesehen davon, in welche Taschen dieser Mehrumsatz landen wird. Bei den Hotelangestellten?

Eigentlich wollte ich ohnehin mal eine BBB über „unseren Tourismusbeauftragten“ schreiben, unabhängig von seinem Türkei-Marketing. Er war einer der letzten Staatssekretäre, die ernannt wurden. Ok, das ist bei unserer Regierung üblich, Tourismus als Resterampe.

Aber, man fragt sich, welches touristische Projekt, hat er bisher „konkret“ innerhalb der Bundesregierung angestoßen? Es ist im Prinzip ja schön, dass Herr Bareiß erstmal zuhören wollte, wobei sein Prinzip schnell klar war, zuerst zu den topshots, wenn dann noch Zeit ist, vielleicht auch zu den andern. Der BTW hat ihm freundlicherweise, mit der Veranstaltung des BTW Mini-Gipfels, eine hochrangige Schulungsveranstaltung zukommen lassen.

Als Beispiel für anstehende konkrete Aufgaben sei „die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Hotelleistungen“ genannt. Die Lösung hier liegt eindeutig und allein bei der Bundesregierung und nicht bei anstehenden Gerichtsentscheidungen. Aber wenn die Branche das selbst nicht so herausarbeitet und durch den Begriff „Urlaubssteuer“ sogar noch verniedlicht?

Hoffentlich arbeitet er sich auch rechtzeitig in das Thema EU-Pauschalreiserichtlinie ein. Bei diesem Thema hat sich die Bundesregierung und eigentlich auch Teile der „traditionellen“ Branche nicht mit Ruhm bekleckert. Für das anstehende Review wäre der Tourismusbeauftragte die ideale Adresse, dass notwendige Änderungen in den EU-Ablauf (und zwar rechtzeitig) eingebracht werden.

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Wird Sonja Christ Tourismusbeauftragte der Bundesregierung?

Was, Sie kennen Sonja Christ nicht? Das ist aber schade. Frau Christ ist eine sehr attraktive und sympathische junge Dame. Was Sie für den Job „Tourismusbeauftragte der Bundesregierung“ qualifizieren könnte? Dann bringen wir mal 1 + 1 zusammen:

1. Sonja Christ ist die aktuelle deutsche Weinkönigin und sie stammt aus Rheinland-Pfalz. Diese Tatsache ist immerhin so bedeutend, dass sie gerade aktuell auf der offiziellen Homepage der Landesregierung Rheinland-Pfalz veröffentlicht wurde.

2. Neuer Bundeswirtschaftsminister wird Rainer Brüderle (nicht stöhnen, ist halt so beschlossen worden). Und der Bundeswirtschaftsminister bestimmt den oder die Tourismusbeauftragte/n der Bundesregierung.

Jetzt zählen wir zusammen:
Brüderle hat einen irren Faible für Weinköniginnen. Als er noch Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz war, hatte er mehr als deutlich gemacht, wofür er in erster Linie Wirtschaftsminister sei: für Weinbau und die Weinköniginnen. Aus dieser Zeit hält er noch immer einen Weltrekord (siehe Guinness Buch der Rekorde): Im Februar 1996 lies er sich mit 1.368 amtierenden und ehemaligen Weinköniginnen fotografieren. Er mietete dafür extra die Rheingoldhalle in Mainz an. Angeblich hat er jede der Weinköniginnen geküsst. Kostenpunkt für den Steuerzahler schlappe 80.000 Euro.
Ok, es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel seine Rede im Rahmen der Ordensverleihung wider den tierischen Ernst im Jahr 2007. Legendär seine Bitte zu seiner Rede, nachdem er mit viel Mühe, langweilig und stets falscher Betonung alles aus dem Manuskript abgelesen hatte und niemand im Saal mehr zuhörte, „Hat etwas Beifall verdient, war nämlich gut“.

Aber wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Neuer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, mit Zuständigkeit u.a. für Tourismus, soll Ernst Burgbacher (FDP) werden. Und der hat Ahnung. Da können sich die Touristiker wenigstens mal freuen.

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Insbesondere der „Aufstand“ der Reisebürovertreter auf der RTK-Tagung in Dresden hat wohl Wirkung gezeigt. TUI bessert die Malus-Regelung nach. Prima, geht doch, so kann sie (für dieses Jahr) bleiben, jetzt ist sie ausgewogen. Man muss es der TUI nur richtig erklären. Oder müssen öfters mal „Nicht-Verkäufer“ zu einem Reisebüro-Tag kommen?
Bei dieser Gelegenheit Kompliment für den neuen Airtours-Auftritt. „Neben der eigentlichen Information für generelle Reiselust sorgen“, eine stete generelle Forderung der Bissigen Bemerkungen an die Branche. Hier erfüllt. Danke.

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