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Diskriminierungs-Geschrei an der falschen Stelle

Der Weltluftfahrtverband IATA hat den Prototyp einer vollautomatischen Sicherheitskontrolle vorgestellt. Endlich, kann man nur sagen, wurden die Empfehlungen echter Sicherheitsexperten berücksichtigt. Die Passagierströme werden dabei durch drei unterschiedliche Tunnel geleitet, in denen die Fluggäste und ihr Handgepäck im Vorbeigehen gescannt werden. Dabei muss das Handgepäck bzw. der Laptop nicht mehr auf ein Laufband gelegt werden. Die Kontrolle erfolgt tatsächlich „im Vorbeigehen“. Das allein wäre schon ein Vorteil gegenüber heute.

Aber, und jetzt kommt der nächste und gravierende Vorteil. Die Tunnelgänge sind mit unterschiedlich hohen Sicherheitsstandards ausgestattet und können deshalb mit unterschiedlicher Geschwindigkeit passiert werden.
Vielflieger, die ihre persönlichen Angaben in einer Datenbank hinterlegt haben, werden anhand ihrer Pass- und biometrischen Daten erkannt und gehen sehr schnell durch die erste Röhre.
Wer anhand seines Passes als Passagier mit „normalem Risiko“ identifiziert wird, geht durch die zweite Röhre. Hier prüft ein Scanner, ebenfalls im Vorbeigehen, etwas intensiver, z.B. auch nach Sprengstoffspuren.
Die dritte Röhre ist für Risiko-Passagiere. Hier sind die Scanner darauf eingestellt schärfer zu kontrollieren.
Die IATA glaubt, dass dieses Modell in fünf Jahren Wirklichkeit werden könnte. Man geht davon aus, dass ein Drittel der Passagiere sich als Vielflieger (mit ihren biometrischen Daten) registrieren lassen würden und 60 Prozent der Passagiere als „Normalrisiko“ eingestuft würden. Dies würde zu einer wesentlichen Beschleunigung im „Durchfluss“ führen und vor allem sehr viel Stress und Ärger vermeiden.

Bereits als ich die Nachricht las, war mir klar, dass zumindest zwei Personen mit ihrem üblichen „Geplärre“ die Nachrichten belästigen würden. Genauso war es auch. Der immer schon in den Morgennachrichten omnipräsente Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU), (hat er evtl. Schlafstörungen?) beklagte sofort die „Gefahr der Diskriminierung“. Passagiere könnten fragen , warum sie anders behandelt werden als andere.
Verflucht und zugenäht, dann könnte ich auch jedes Mal fragen, warum ich am „Economy-Check in“ anstehen muss, wärend andere über rote Teppiche am First class-Schalter eingecheckt werden und natürlich beim Sicherheitscheck ebenso eine eigene Line haben. Also, über Geld darf man diskriminieren?? Aus Platzgründen wollen wir nicht die vielen ähnlichen Fälle des täglichen Lebens anführen, die uns spontan einfallen, bei denen „erlaubterweise“ mehr als deutlich „diskriminiert“ wird und zwar zumeist über den Faktor Geld.
Und dann noch unsere Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, bei der man sich echt fragen muss, wie weit entfernt von der realen Welt sie eigentlich lebt. Sie sprach sofort von einer Stigmatisierung von Fluggästen, wenn man sie unter anderem planmäßig nach Religion einteile. Wer sich schon mal das Lufthansa First Class- und Business-Class-Publikum angeschaut hat, wird hier eine bunte Mischung aus allen Religionen, Hautfarben usw. feststellen. Und wenn es sich hierbei um Vielflieger, mit hinterlegten biometrischen Daten handeln sollte, würden diese alle durch Tunnel Eins gehen. Selbstverständlich.
Und wenn man sich nur mal die Mühe machen würde, das Profiling-System zu verstehen, dann würde man allerdings in der Tat erkennen, dass es in den weit überwiegenden Fällen gewisse „gemeinsame Merkmale“ gibt.

Heute fühle ich mich jedenfalls bei jeder Sicherheitskontrolle als potenzieller Terrorist diskriminiert und stigmatisiert.

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Korrektur zur BBB von letzter Woche: Jetzt hatten wir endlich mal einen spuckenden Vulkan mit einem netten Namen, den Dubbi in Eritrea. Da kam schon die Korrektur des Vulkanbeobachtungszentrums. Es war nicht der Dubbi, sondernd der Nabro. Er war und jetzt kommt ein sehr schönes Zitat „seit Menschengedenken nicht mehr ausgebrochen, er schlief seit mindestens 10.000 Jahren“. Menschengedenken und 10.000 Jahre in einem Zusammenhang. Großartig.
Aber vielleicht war es auch nicht der Nabro. In der Nähe gibt es noch den Gufa, den Jalua und den Alid (nicht zu verwechseln mit Aldi).

Im Reiseradio (www.reiseradio.org) geht es um Urlaub auf dem Wasser, ein absolutes Trendthema. Und welche Gegend würde sich besser eignen als die Mecklenburger Seenplatte auf der es über 1000 Seen gibt? Reiseradio stellt ganz neue, innovative Möglichkeiten vor, wie man auch ohne Bootsführerschein langsam durch die Fluss- und Seenlandschaft dümpeln kann. In den akustischen Bissigen Bemerkungen wird darüber spekuliert was man alles verkaufen könnte um zu „Geld zu kommen“. Natürlich wird auch über den Ort Hallstatt gesprochen, aber nicht über jenen im Salzkammergut, sondern über das nachgebaute Hallstatt in China. Und zuletzt wird noch darüber nachgedacht, was man mit den abgestellten 300 Zügen machen könnte, bei denen sich das Eisenbahn-Bundesamt beharrlich weigert die Freigabegenehmigung zu erteilen (und das schon seit vielen Wochen).

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2010 – ein Jubeljahr für die Nacktscanner-Fetischisten?

Alles Gute für 2010! Keine Branche freut sich so sehr auf das neue Jahr wie die Flughafen-Sicherheitsindustrie. Endlich hat man einen „guten“ Grund um noch mehr aufzurüsten. Eine ganze Branche und übereifrige Populisten (einige Voyeure sind nicht auszuschließen) rufen gemeinsam Halleluja, das Jahr fängt ja gut an. Endlich können wir die Diskussions-Klamotten vom letzten Jahr wieder aus der Schublade holen und unsere lieben und teuren Nacktscanner verkaufen. Der große Coup, den die Pharma-Industrie mit ihren Schweinegrippe-Impfstoffen nicht ganz geschafft hat, die Sicherheitsfirmen haben gute Chancen ihn zu realisieren. Vorneweg der sog. „Innenexperte“ der CDU, Wolfgang Bosbach. Von Merkel zum zweiten Mal bei der Kabinettsbildung mit Vorsatz übersehen, hat er wieder als erster gewusst was das Land braucht: Nacktscanner. Wirklich schlimm, wie sich einige Politiker bei diesem Thema voreilig austoben dürfen.

Bevor man über die nächste Sicherheitsstufe diskutiert, könnte man aber auch aus dem Folgenden Konsequenzen ziehen:
— Angeblich wurde der Attentäter in Amsterdam an den Sicherheitskontrollen
vorbeigeleitet („armer Verfolgter aus Sudan, dem man das ersparen sollte“).
— Wenn man es geschickt anstellt, kann man auch in Deutschland alles Mögliche an den Kontrollen vorbeischleusen (siehe BBBs vom 5.4.2009 „Wie man mit 5 Liter Flüssigkeit locker an der Flughafen-Sicherheitskontrollen vorbei kommt“).
— Die Gewerkschaft der Polizei berichtet, dass es Bundespolizisten bei Tests immer wieder gelinge Waffen (die heute schon erkannt werden müssten) an den Kontrollen am Flughafen vorbeizuschmuggeln, und zwar in einem erheblichen Prozentsatz.
— Werden wohl nicht nur in Amsterdam Leiharbeitskräfte beschäftigt, bei denen die persönlichen Sicherheitsstandards nicht mit gleicher Konsequenz überprüft werden (können/sollen?). Wie schlecht die Stimmung „dieses Personals“ zumeist ist, dürfen wir Passagiere immer wieder aufs Neue „erleben“.
— Bekommt man im Duty-free-Shop vieles von den Dingen, die man vorher abgenommen bekommen hat. Aber das Sortiment hier einzuschränken, das schafft niemand. Zu sehr stehen hier handfeste wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Und im Zweifel schlägt Profit die Sicherheit (alte Lebenserfahrung).
— Und was die ganze Informations-Sammel-Neurose der Amerikaner wert ist, kann man am besagten Attentäter von Detroit präzise verfolgen. Man wusste soviel über diesen Mann, hat es aber im entscheidenden Moment nicht zusammen bekommen. Und jetzt wollen unsere „Freunde“ noch mehr Informationen vorab.

Wir, die lieben Fluggäste, werden diesem Mehr an Sicherheit nicht entgehen können, ob es etwas bringt oder nicht. Das einzig Gute an alledem. Die Mehrzahl der Fluggäste weiß dies, entgegen der politischen Hysterie, richtig einzuschätzen. Sie ärgern sich zwar tierisch bei den Flughafenkontrollen über Unfreundlichkeit und vieles deren Sinn sie nicht nachvollziehen können, aber sie fliegen trotzdem. Und das ist gut so.
Aber irgendwo muss Schluss sein mit dem größten Unsinn. Denn als nächste Diskussionsstufe steht an: Versteck von Sprengstoff in einer „rektalen Körperöffnung“. Was das dann bedeutet kann sich jeder selbst ausmalen. Einige BBB-Leser haben als Kommentar zu den BBBs vom 30.11.2009 sich bereits geäußert (Sicherheitscheck erspart den Gang zum Urologen). Und die Folge danach heißt konsequenterweise „Nackt fliegen“. Das ist nur theoretisch lustig. Denn, liebe Leserinnen und Leser, die Person an die Sie jetzt freudig denken, sitzt garantiert im Flugzeug nicht neben Ihnen.

Dabei könnte man das ganze Thema auch in anderem Licht sehen. Einmarsch in den Irak, Guantanamo, Kunduz, Truppenaufstockung in Afghanistan einerseits und mehr Sicherheit bei uns (“Was war zuerst, Henne oder Ei Diskussion”). Aber nur nicht nachdenken. Dabei können wir diesen Wettlauf nur verlieren. Ein einzelner wird immer eine Möglichkeit finden auch das engmaschigste System zu unterlaufen (siehe oben).

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In eigener Sache:
Vielen Dank liebe Leserinnen und Leser der Bissigen Bemerkungen für Ihr Interesse im Jahr 2009. Über 320.000mal wurden die Bissigen Bemerkungen gelesen, entweder von den inzwischen mehr als 3.300 Abonnenten oder auf der Homepage direkt. Die imposante Steigerung gegenüber 2008 lässt vermuten, dass wir mit Themenauswahl und Stil ganz gut liegen. Wir werden uns weiter anstrengen, auch wenn das nach mehr als 437 Ausgaben der BBBs nicht immer ganz einfach ist. Aber vor allem die positiven schriftlichen und mündlichen Kommentare motivieren

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