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Tourismusbranche vs. documenta 12

Der Reiseveranstalter Studiosus will die Leitung der documenta verklagen und durchsetzen, dass auch Reiseleiter der Veranstalter ihre Gäste ungehindert durch die Messe für zeitgenössische Kunst führen dürfen. Solche Probleme kannte die Branche bislang nur in wenigen, zumeist orientalischen Ländern. Entsprechend war dann immer der Branchenkommentar. Jetzt muss das Landgericht Kassel entscheiden. Aber viel Zeit hat es nicht mehr – die documenta 12 endet am 23. September.

Die documenta ist eine Veranstaltung, die sich nicht jedem erschließt. Und das betrifft nicht nur die ausgestellten zeitgenössischen Exponate. Im Streit mit den Reiseveranstaltern argumentiert sie schon eigenartig. Man will nur eigene Führungen zulassen, um in Stoßzeiten einen allzu großen Andrang zu verhindern!? Ob eigene oder fremde Führungen, was macht da wohl den Unterschied hinsichtlich der Überfüllung? Man müsste nur die Gesamtzahl der Führungen pro Stunde begrenzen. Übrigens verlangt das eigene Personal 150 Euro für eine Führung, aber das wird wohl nicht der Grund sein??

Neben diesen rein monetären Gründen ist die Documenta auch überzeugt, dass nur ihre eigenen Führungen den eigenen Ansprüchen genügen können. Um von dieser „besonderen Führungskunst“ der documenta einen Eindruck zu bekommen, haben sich die BBB die Homepage der documenta angesehen. Dort findet man das Kapitel „Selbst moderierte Gespräche und Führungen durch Bildungsinstitutionen auf der documenta 12“, was man nicht unbedingt auf Anhieb verstehen muss.
Dort steht u.a. „Deshalb können wirextern moderierte Gespräche und Führungen durch die Ausstellung nur …..“. Die BBBs machten sich dann auf eine aufwendige Suche um den Inhalt des Wortes „wirextern“ zu ergründen. Fast vergeblich. Erst als die BBBs merkten, dass die documenta grundsätzlich ihren eigenen grammatikalischen Stil hat und solche Wörter benutzt wie „dengezeigten“, „nichtgenehmigt“ und andere mehr, kam die Vermutung, dass sie auch bei der Wörtertrennung mehr als zeitgenössisch verfährt.

Das auf der Homepage wiedergegebene Interview mit der Expertin, die das Konzept der Kunstvermittlung entwickelt hat, bestätigte dann die Vermutung, dass in der Tat die durch die documenta vorgesehene Führung -in der documenta-Sprache als VermittlerInnen bezeichnet- schon ein eigenes Kunstwerk an sich ist. Hier nur ein kurzer Auszug (mehr würde wahrscheinlich die Kommunikationsfähigkeit der Leserinnen und Leser für den Resttag zerstören).

„Ausgangspunkt ist das dritte Leitmotiv der documenta 12 Was tun?. Das wiederum erfordert dialogische Formate und kein reines Aneignen von Fakten. …. Dabei arbeiten die VermittlerInnen mit sehr heterogenen Ansätzen, die sie selbst konzipiert haben; mit ganz verschiedenen Stilen also. Darüber hinaus arbeiten wir selbstreflexiv, weshalb die VermittlerInnen ihr eigenes Format häufig transparent machen. … Viele Besucher halten uns für ein pushendes Speed-Getränk. ….. Wenn es Klagen gibt, liegt es meist daran, dass der Ansatz der VermittlerIn nicht mit den Erwartungen der Gruppe übereingestimmt hat. Entweder heißt es, eine Dienstleistung wurde nicht erfüllt, zu wenig autorisiertes Wissen geliefert oder aber die Vermittlung war nicht experimentell genug.“

Alles klar? Übrigens ein Großteil des documenta-Personals ist nur kurzfristig angelernt. Aber sicherlich sehr experimentell.

Auf etwas sehr Erfreuliches soll noch hingewiesen werden. Einen von der Kasseler Industrie- und Handelskammer angeregten Kompromiss, nur die Studiosus-Erklärer zuzulassen, lehnte der Münchner Reiseanbieter ab. Er will weiter für die ganze Branche streiten. Diese Branchensolidarität ist löblich.

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In eigener Sache.
Die „ausgesetzten Züge“ der Bahn in den BBBs von letzter Woche haben einige Reaktionen der Leser hervorgerufen. So wurde z.B. eine Erklärung für den ersten Satz der BBBs vermisst.
Dort hieß es „…..Anzeige auf dem Bahnsteig für den einlaufenden Zug aus Puttgarden“.
Es wurde die Frage gestellt warum die Züge „einlaufen“? Ob die Bahn sie falsch waschen lässt oder ob es sich hier um einen Materialfehler handelt (Stichwort: Sparen wegen Börsengang)?
Auch diese Frage geben die BBBs direkt an die Bahn AG weiter.

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