Wie aus einem „Schreckensflug“ plötzlich ein „Horrorflug“ wird – eine Erfahrung mit welt.online
Fußball, Werbung und Urlaubsflüge – da können alle mitreden, auch unbeleckt von jeglichem Fachwissen. Und wenn man eines dieser Themen zur Sprache bringt, dann kann einem eine ausreichende Diskussion sicher sein. So dachte wohl auch Welt online und setze am 30.1. eine Geschichte mit eigentlich netter Überschrift in die Internetwelt: „Unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“.
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Die Ãœberschrift ist als Anspielung an einen 1980 entstandenen Film gleichen Namens gedacht, einer Persiflage auf die damals reichlich angebotenen Flugzeug-Katastrophenfilme. Die Handlung war einfach. Die Piloten bekommen vom Essen eine Fischvergiftung, ein an Bord befindlicher ehemaliger Kampfpilot landet zusammen mit einer Stewardess das Flugzeug.
Nicht ganz so witzig ist der Artikel gleichen Namens in Welt online, vom fehlenden inhaltlichen Bezug mal abgesehen. Ein gewisser B. P., laut Internetrecherche ein 50jähriger freier Journalist, dank seiner tollen Stimme vor allem mit Moderation beschäftigt, beschreibt leider mit außergewöhnlicher Flachheit ein Reiseerlebnis mit Aeroflot (vielleicht wäre die Geschichte gesprochen interessanter gewesen?).
Seine Story ist schnell erzählt. Um für seinen Urlaubsflug nach Thailand nur 900 Euro, also 300 Euro weniger als bei anderen Angeboten zahlen zu müssen, entscheidet er sich für einen Flug mit Aeroflot via Moskau. Wer das möchte, bitte, gerne. Dummerweise meint der Journalist diesen Flug auch noch ausführlich beschreiben zu müssen. Der Flug fand mit einer Iljuschin 96 statt, ok, nicht ganz das neueste Flugmodell, aber was solls. Im folgenden Bericht wird dann keine Plattheit und kein Klischee ausgelassen über alte Flugzeuge, den typischen Ostblock, grimmig schauende Ost-Stewardessen, alte Ostblock-Erinnerungen (noch älter als das Flugzeug), DDR-Analogien und natürlich das schlechteste Bordessen aller Zeiten. Zwischendurch heißt es mal in Bezug auf die Flugzeugflügel „und ich sehe wie das Teil bricht – wie eine Salzstange“ (findet allerdings nur in seiner Fantasie statt). Seine eigene Kurzbeschreibung lautet: „Es gibt kein Bordkino und keine Musik, dafür grimmige Flugbegleiter, mieses Essen und Sitznachbarn die sich erbrechen:“ (letzteres ist übrigens seine mitreisende Freundin). Zusammengefasst: 300 Euro gespart, viel gesehen, alles völlig ungefährlich.
Kurzum, eigentlich eine Geschichte zum Vergessen. Was macht aber die „liebe“ Welt,online-Redaktion daraus. Sie schreibt über den Artikel „Testbericht“. Darunter versteht man üblicherweise eine einigermaßen objektive Story auf der Basis von nachvollziehbaren Fakten. Der Artikel ist genau das Gegenteil: subjektiv und voller Vorurteile.
Die Redaktion setzt aber noch einen drauf und schreibt unter den Artikel: „Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Dann schreiben Sie Ihre Erlebnisse an reise@welt.de, Stichwort Schreckensflug“.
Und das zieht. Die Leserkommentare kommen seitenweise. Die kann man aber nicht alle lesen, weil es einem nach einigen Seiten echt schlecht wird über den geschriebenen Unsinn. Da werden Erlebnisse aus aller Welt geschildert und „immer noch einen drauf“. Jede Wette, dass nicht einmal die Hälfte stimmt. Auch die Lufthansa-Polarisierung ist herrlich (vielleicht sogar erwünscht?). Entweder heißt es da „Lufthansa ist das Allerbeste“ oder „Lufthansa ist noch viel schlimmer“. Zum Glück sind einige wenige Kommentare sogar witzig, diese Leser haben offensichtlich die richtige Einstellung zum Bericht gefunden („ein Neurastheniker, der für wenig Geld auch viel Luxus bekommen will“).
Aber der Welt.online-Redaktion war das alles offensichtlich noch nicht genug des Schreckens. Denn bei einem erneuten Seitenabruf zwei Tage später lautete die Aufforderung unter dem Artikel plötzlich: „Schreiben Sie Ihre Erlebnisse an reise@welt.de, Stichwort Horrorflug“.
Jetzt wird es also noch gruseliger. Vom Schreckensflug zum Horrorflug, was mag da in der Redaktion passiert sein?
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