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60 Jahre Condor, Teil 2: B747, DC10 und Verkaufsleitung

Vielen Dank für die vielen Zuschriften zu 60 Jahre Condor, Teil 1. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass bei allem Spaß keine Condor-Chaostruppe am Werk war, sondern jedes Jahr auch Gewinn in die Lufthansakasse abgeliefert wurde. In den letzten Tagen hat auch die Publikums- und die Fachpresse viel über „60 Jahre Condor“ geschrieben. Aber als Zeitzeuge hat man immer noch etwas mehr auf Lager.

Beschaffung B747 – ein Traum wird Realität
Am 26.4.1970 absolvierte Lufthansa als eine der ersten Fluggesellschaften der Welt ihren Erstflug mit der B747. Drei Tage später, am 29.4.1970, kündigte Condor auf einer Pressekonferenz an, als erste Charterfluggesellschaft der Welt die B747, allgemein als Jumbo Jet bezeichnet, für 1971 anzuschaffen. Viele haben damals schnell im Kalender nachgesehen, ob gerade der 1. April sei, so unglaublich war die Nachricht. Gerade 9 Monate vorher war die erste Mondlandung geglückt, genauso abenteuerlich erschien auch dieses Unterfangen.

Insbesondere Geschäftsführer Herbert Wendlik motivierte die Condor-Mannschaft mit dem Spruch „wir schaffen das“, der erst 45 Jahre später in Deutschland populär werden sollte. Der gravierende Unterschied war: es wurde ununterbrochen daran gearbeitet, die erforderlichen Strukturen zu schaffen. Fast alle ausländischen Flughäfen im Condor-Streckennetz hatten keine Erfahrung im Umgang mit Flugzeugen dieser Dimension. Und für die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur war Condor verantwortlich. Jumbotaugliche Fluggastbrücken und Treibstofftanks, Paletten-Ladesysteme und anderes mehr mussten bereitgestellt werden. Das konnte aber nicht „hin gebeamt“ werden, sondern musste viele Wochen vorher per Schiff transportiert werden. Die to-do-Liste war ellenlang und musste täglich gecheckt werden, denn schon der kleinste Fehler hätte die geplante Operations zum Scheitern bringen können.

Auch das war zu überstehen. In der von Lufthansa übergegebenen B747-Optionsliste stand als nächste freie Lieferposition das Jahr 1971. Erst später stellte sich heraus, das war ein Tippfehler, korrekt wäre 1972 gewesen. Resignation? Never. Mit dem eilig herbeigetrommelten Boeing-Repräsentanten wurde in der legendären Steigenberger Unterschweinstieg am Flughafen bis morgens 4 Uhr verhandelt, bis die Zusage aus Seattle für eine vorgezogene Lieferung in 1971 erreicht werden konnte.

Auch das ist kein Gerücht: Die endgültige Zustimmung der Lufthansa für die B747 holte sich Geschäftsführer Wendlik tatsächlich vom LH-Finanzdirektor in der Toilette, während der Pause einer Aufsichtsratssitzung (wurde mir von ihm ausdrücklich für diese BBB bestätigt).

Im Ergebnis war die störungsfreie Indienststellung der B747, eine Spitzenleistung der gesamten Condor Mannschaft. Auch „typisch Condor“, der allererste Flug von D-ABYF, bei Condor nur „Fritz“ genannt, war ein Danke-Rundflug über Frankfurt mit der Condor-Belegschaft an Bord. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich damals Betriebsratsvorsitzender des Condor-Bodenpersonals war und eine Ansprache an Bord an die Belegschaft und den Boeing-Repräsentanten halten durfte.

Bei der ersten öffentlichen Vorstellung der B747 am 2.4.1971 in Düsseldorf spielte der südamerikanische Musiker Facio Santillan mit der Panflöte seinen „top Hit“ „El Condor Pasa“. Jeder „echte Condorianer“ bekommt bei diesem Lied heute noch Gänsehaut.
Vor einem Vorführungsflug für Geschäftspartner in Palma erhielt Flugkapitän Z. ein Glücksschwein in den Arm gedrückt, das ihm vor Aufregung die Uniform bewässerte.

Die beiden Flugzeuge, „Fritz“ und ein Jahr später „Max“, D-ABYH, waren die Sensation im Charterfluggeschäft. Sie flogen am Anfang nur ab Frankfurt und Düsseldorf und Urlauber nahmen auch weite Anreisen in Kauf, um „Jumbo zu fliegen“.

B747-Highlights
Beim Überführungsflug (bekanntlich nie bestuhlt) von „Max“ aus Seattle war ein Radrennen an Bord im Kreis geplant. Leider wurden die Räder kurz vor dem Start geklaut. Auf die Schnelle konnte nur eine Tischtennisplatte besorgt werden um ein sportliches „Highlight“ durchzuführen.
Eine Zeitlang hatte der Flughafenfrisör von Frankfurt eine „Zweigstelle“ im Oberdeck des Jumbos.
Über Lissabon in 11.000 m Höhe wurde ein Kind getauft. Der Pfarrer (mit Weihwasser) war in Frankfurt eingestiegen. Später übernahm Herbert Wendlik die Patenschaft für Boris F.
Das war eine unkonventionelle Lösung: In Palma wurde ein großes Loch in den Zaun geschnitten. Nahe davor parkte dann die B747, manchmal sogar beide B747 gleichzeitig. Da die Passabfertigung durch spanische Zollbeamte während des Fluges stattfand, konnte man so in vertretbarer Zeit die Passagiere vom Flugzeug direkt zu den Transferbussen bringen.

1973 war Condor die umsatzstärkste Chartergesellschaft der Welt. Kein Wunder bei der intensiven Kundenbetreuung. Als bei einem Schiffsausflug auf dem Steinhuder Meer einem TUI-Vorstand seine wertvolle Armbanduhr ins Wasser fiel, warf Wendlik seine eigene Uhr hinterher mit den Worten. „Ich will nicht bessergestellt sein als mein Kunde“. Da war Kundenorientierung noch verinnerlicht.

Tausch B747 in DC10
1978 wechselte die Condor Geschäftsführung. Die neue hatte gleich große Probleme zu bewältigen: zweite Ölkrise und die notwendige Erhebung von Treibstoffzuschläge in 1979. Gleichzeitig war auch der Reiz des Neuen der B747 vorbei. Ergo sollten die beiden B747 in drei DC 10 getauscht werden. Ich musste für die Bestellung nachweisen, dass die Umflottung wirtschaftlich sinnvoll war. Mehrfach riefen verärgerte Piloten und Mitarbeiter bei mir an, ich hätte mich doch sicherlich verrechnet, das könne doch alles nicht stimmen. So sehr schmerzte eine ganze Firma der Abgang der beiden Jumbos. Aber es war die richtige Entscheidung und am 7.12.1979 flog die erste DC10 für Condor.

Wechsel in der Verkaufsleitung
Völlig unerwartet schlug Anfang 1981 die Geschäftsleitung vor, dass ich künftig den Verkauf der Condor übernehmen sollte. Ganz schön mutig, einen Controller zum Verkaufsleiter zu ernennen. Und, ich hatte bis dato noch keinen einzigen Tag in irgendeinem Verkauf gearbeitet. Ein déjá-vu Erlebnis zu meinem Arbeitsbeginn in 1969 (siehe letzte BBB). Meine Frage: „wieviel Zeit habe ich zum Nachdenken?“ wurde beantwortet mit „leider nur eine Stunde, dann haben wir Termin beim AR-Vorsitzenden und müssen Vollzug melden“. Eine Stunde später: „Ok, ich mache das“. Was das hieß, einen Amateur auf die großen Einkaufslöwen der Veranstalter Alfred Merscher/TUI, Heinz Dettmar/Neckermann (beide waren früher auch im Management der Condor) und Peter Landsberger/DER loszulassen, kann man fast vergleichen, wenn Darmstadt 98 nach dem Aufstieg plötzlich gegen Bayern München und Borussia Dortmund spielt.

Man hatte mir zwar als Stellvertreter jemand mitgegeben, der über Verkaufserfahrung verfügte (Willi Meyer, später selbst Verkaufschef), aber es gab trotzdem im ersten Vierteljahr eine Menge Prügel für uns. Dafür prägte Meyer den Spruch: „Was ist das Schönste an den Verkaufsverhandlungen in Hannover? Der Rückflug nach Frankfurt.“

Auch ein mittelgroßer Veranstalter wie Hetzel-Reisen in Stuttgart war nicht ohne. Da wurde stundenlang bis auf den Pfennig der Flugpreis gefeilscht. Terminwünsche oder besser Terminaufforderung pflegte Hetzel mit den Worten einzuleiten: „wie lange brauchen Sie mit dem Auto von Neu Isenburg nach Stuttgart“, das hieß aber „sofort“. Und immer saß sein großer Schäferhund bei den Verhandlungen dabei, der in kritischen Situationen auch in die Verhandlung „eingebunden“ wurde. „Held“, so hieß der Schäferhund, „was sagst Du dazu. Die Condor will uns umbringen“. Zum Glück war „Held“ immer sehr gelassen.

Ein Erlebnis für sich waren auch die türkischen Gastarbeiterveranstalter. War unsereiner gewohnt, erst eine Verhandlung zum Abschluss zu bringen und wenn das Ergebnis stimmte, dann zusammen gut Essen zu gehen, lief es hier genau anders rum. Erst traf man sich zum Essen, zum Trinken und zum fröhlichen Feiern. Wenn man diesen „Test“ bestanden hatte, dann wurde verhandelt. So kam es, dass ich meinen ersten Grundlagenvertrag mit einem türkischen Veranstalter morgens um ½ 4 in einer leeren Kölner-Hotellobby verhandelte und unterschrieb. Ein Glück, wenn man vorher nicht jeden Raki trank, der einem hingestellt wurde.

1984 war Condor wieder die umsatzstärkste Chartergesellschaft Deutschlands.

Abschied
1987 wurde mir von TUI die Aufgabe „Direktor Flugeinkauf“ angetragen. Es gibt „Angebote, die kann man nicht ablehnen“.
Trotzdem war es nicht leicht, nach 18 ½ Jahren Abschied von Condor zu nehmen. Die Abschiedsparty, natürlich rund um Swimmingpool und Bungalow, war dann auch etwas emotional.
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Auch heute nochmal der Hinweis auf „Condor – Ferienflieger mit Tradition“ von (Condor-) Flugkapitän Karl-Peter Ritter (ISBN: 978-3-9814609-0-2).
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Das war reiner Zufall, dass mit „50 Jahre ITB“, „15 Jahre BBB“ und „60 Jahre Condor“ gleich drei Jubiläen hintereinander lagen. Aber jetzt ist Schluss mit Vergangenheit. Ab nächster BBB wird es wieder aktuell.

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