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Eltern gesucht

Haben Sie praktische oder zumindest theoretische Erfahrung als Eltern? Sind Sie finanziell potent? Sind Sie emotional belastbar? Sind Sie bereit auch mal etwas Verrücktes zu tun?
Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, aber nur dann, sollten Sie sich noch schnell bewerben. Wahrscheinlich wird in dieser Woche einer der aufregendsten Eltern-Jobs vergeben: Sie können Eltern von Thomas Cook werden. Aber Achtung, hinter „Thomas Cook“ verbirgt sich nicht nur ein Kind, sondern gleich eine ganze Rasselbande. Und das macht die Aufgabe für die neuen Eltern so schwierig, die Thomas Cook Kids hatten mit ihren bisherigen Eltern fast nur schlechte Erfahrungen. Zum einen stammen fast alle Kinder von einem anderen Vater (tolle Ausgangslage!) und zum anderen haben die folgenden Stief- und Pflegeeltern im Prinzip bisher alle mehr oder weniger versagt.

Die Entwicklung in extremer Kürze. Es war einmal ein fröhliches, etwas bodenständiges Kind, namens Neckermann (genannt nach einem sehr erfolgreichen Vater) und bereitete vielen Menschen große (Urlaubs-)Freude. Als Vater Neckermann älter wurde „verfiel“ nicht nur er selbst, sondern er „verfiel“ auch auf andere Art an eine gewisse Karstadt. Die war damals noch so eine „richtige Granate“, wie Männer manchmal etwas unfein sich auszudrücken pflegen. Soweit so gut, wenn nicht eben diese Karstadt auf die etwas sonderbare Idee gekommen wäre ihr Kind mit der Lufthansa-Tocher Condor zu verheiraten. „Zwangsweise zu verheiraten“ wohlgemerkt, von Liebe keine Spur. Ausgerechnet den bodenständigen Neckermann mit der etwas elitären Condor. Aber das Wohl der Kinder war von Anfang an nur unterproportional gefragt. Von da an begann eine Geschichte, die man so überschreiben könnte: Alle wussten immer was alles schief gehen wird, nur die beiden Eltern hatten permanent Tomaten auf den Augen.

Die folgenden Irrwitzigkeiten sollen aus Platzgründen hier nicht nochmals detailliert aufgezählt werden. Namensänderungen, Strategieschwenks und ähnliche grundsätzliche Nichtgrundsätzlichkeiten häuften sich, immer unter gnädigem Abnicken der Eltern Karstadt und Lufthansa, die aufsichts- und ratlos dem munteren Treiben fortan zusahen. Parallel dazu begann die inzwischen doch schon mächtig in die Jahre gekommene Dame Karstadt eine Liaison mit einem gewissen Quelle (künftig den Doppelnamen KarstadtQuelle tragend). Gerade als das Kind die Hilfe der Mutter eigentlich nötiger hatte denn je, waren die Auswirkungen derer Krankheit so weit fortgeschritten, dass sie selbst Hilfe brauchte. Um die Arztkosten und Medikamente bezahlen zu können musste sie einen Kredit aufnehmen und verpfändete (tatsächlich) dafür ihr Kind (siehe Financial Times Deutschland, 30.11.2004). Gegen diesen Vorgang sind alle Märchen tatsächlich nur Märchen.

In der Zwischenzeit spielten Karstadt und Lufthansa Kinderabzählreim. Natürlich nicht so primitiv „behalten, „nicht behalten“, „behalten“, sondern sehr strategisch „Kerngeschäft“, „nicht Kerngeschäft“, „Kerngeschäft“. Wie auch immer, die Halbwertzeit dieser Aussagen wurde immer kürzer. Letztlich zahlte die Lady KarstadtQuelle in totaler Überschätzung ihre finanziellen Möglichkeiten ihren ohnehin nicht mehr sehr an ihr interessierten Partner Lufthansa aus. Quasi schon vom Tode gezeichnet änderte die Mutter (kein vernünftiger Mensch wusste warum) mal wieder ihren Namen, diesmal auf Arcandor. Sie reiste in den letzten Zügen liegend quer durch die Nation und erzählte die Mär von Super Nanny, was sie aber nicht daran hinderte, die Verpfändung ihres Kindes zu perfektionieren. Keine Ahnung warum Kinderschutzbund, UNESCO und andere selbsternannte Kinderschutzorganisationen wegsahen. Von den staatlichen Jugendämtern (wie so oft) ganz zu schweigen.

Im Dezember 2006 schrieben wir in den BBBs „Es ist schwer zu beurteilen was schlimmer für das Kind Thomas Cook ist, verkauft oder verpfändet oder behalten zu werden“. Diese Frage hat sich nun von alleine erledigt. In dieser Woche entscheidet sich das künftige Schicksal von Thomas Cook, wenn „die Pfänder eingelöst werden sollen“. Und das Kind Thomas Cook wird wie immer nur in der gewohnten Rolle sein, das alles nur erdulden zu müssen, ohne selbst auf das eigene Schicksal Einfluss nehmen zu können. Kinderhandel der übelsten Sorte. Eigentlich verboten, nur mit einem Trost: „Schlimmer als bisher kann es nimmer kommen“. Hoffentlich. Die berühmten Murphys Gesetzmäßigkeiten sprechen allerdings dagegen. Wie heißt eine davon: „Wenn etwas schief geht, dann geht es von Anfang bis Ende schief“.

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